Ich glaube nicht an Zauberei

 

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Kapitel 4:
Angriff






Snape sprang auf und sagte scharf: "Ducken, unter die Sitze!" und zielte mit seinem Stab auf die Neonröhren an der Decke. Doch es passierte nichts. "Was haben Sie vor?" fragte ich erregt und war überrascht über seine plötzliche Aktionskraft.
"Still", unterbrach er mich und drückte mich unter einen der Sitze, während er selbst die Nachbarbank als Versteck aussuchte. Er wedelte noch mal mit seinem Stab durch die Luft, was wieder nicht zu funktionieren schien.
Ich sagte nichts mehr, mein Herz raste. Meine Güte, dieser Mensch konnte ja richtig handeln. Vermutlich war es nun wirklich bedrohlich, selbst für ihn.
Wir konzentrierten uns auf das Geräusch, das sich anhörte wie ein Zischeln. Diesmal hatte ich richtige Angst. Ich zitterte und rührte mich nicht.
Das Geräusch kam langsam näher. Ich spürte die herannahende Bedrohung. Erkennen konnte ich gar nichts. Doch auf einmal sah ich zwei funkelnde Lichtchen, die auf dem Boden entlang schlängelten. Schlängelten? Ja, das waren wahrhaft die Augen einer Schlange! Eine lebendige Schlange! Wie konnte die in den Wagen eindringen?
Ich war starr vor Angst. Das Vieh kam langsam auf uns zu gekrochen. Doch Snape hatte das Tier erfasst: Er zielte mit seinem Stab darauf und zischte ein Wort heraus: ein Strahl, und die Schlange verpuffte in der Luft. Wie hatte er das nur geschafft? Der Stab funktionierte. Aber ich gab keinen Mucks von mir und beobachtete nur schweigend die Szenerie.
Snape zielte wieder auf die Lampen. Diesmal erloschen sie. Es war schon beeindruckend, was man mit diesem Stöckchen so alles anstellen konnte.

In der Dunkelheit sah ich nichts mehr. Aber vielleicht hatte Snape Recht, wenn es dunkel war im Raum und wir nicht so leicht gesehen werden konnten. Aber mir war ganz schön unheimlich. Was passierte jetzt? Mir war egal, wie der Stab funktionierte - Hauptsache, Snape hielt alles von uns fern... Ich atmete stoßweise und kriegte kein Wort raus.
Da! Ein neues Geräusch - es plätscherte: Woher kam das Wasser? Ich brauchte nicht lange suchen: von unten. Der Boden wurde nass. Wie konnte das passieren? "Alles nass hier!" schrie ich auf. Severus war sofort zur Stelle: Wieder hielt er seinen Stab auf den Boden, zischte ein paar lateinisch klingende Worte, und siehe da: ein warmer trockener Windstoß trocknete in Windeseile den Boden. Unglaublich.
Ich war nicht mehr in der Lage, diese Technik zu hinterfragen. Ich krümmte mich auf dem wieder getrockneten Boden im Dunkeln.
‚Das sind Geschichten, die man wirklich nicht veröffentlichen kann, weil sie kein Mensch glauben wird', dachte ich mir. ‚Bananenschalen, von mir aus... Aber das?'
Doch viel Humor war nicht mehr in mir. Was konnte noch kommen? Ich brauchte nicht lange warten: Von oben zischten Lichtstrahlen rein, nein, es schienen wohl Feuerflammen zu sein. Ein Sitz ging in Flammen auf.
Doch Snape erfasste rechtzeitig die Situation. Er löschte - wie auch immer - diesen Sitz, der jetzt nur noch angekokelt roch. Die anderen Flammen brachte er auch zum Verschwinden.
Auf einmal drehte es sich um mich. Als ob wir in einem Boot auf hoher See fuhren! Der Boden schien unter mir zu kippen und mir damit auch gleichzeitig meinen Verstand zu nehmen. Es drehte sich alles um mich, oder drehte ich mich? Ich schien meine Orientierung zu verlieren? Aber warum? Ich rollte langsam auf die Decke zu. Auf die Decke?
Wie konnte man auf der Decke liegen? Aber ich hielt mich nun tatsächlich an der Leuchte fest und lag unter dem Waggondach. Oben schien nun unten zu sein. Der Boden war über mir. Über mir?
War ich nun tatsächlich übergeschnappt?
"Hilfe!" schrie ich auf. "Was ist hier los?"
Nun machte sich bei mir Panik breit. Ich schnappte nach Luft.

Snape packte mich fest am Oberarm und riss mich kraftvoll zu sich. Wieder drehte sich alles, und auf einmal lag ich wieder auf dem Fußboden. Die Decke befand sich ebenfalls da, wo sie hingehörte, nämlich oben.
Die Welt schien sich wieder reguliert zu haben.
Keuchend lag ich da und fing erstmals an, wirklich zu weinen. Das war mir zu viel. Was war hier los? War ich verrückt geworden?
Snape sagte erst nichts, obwohl er in meiner Nähe blieb. Aber er hatte mich inzwischen unter einen Sitz gequetscht und schien auf weitere Geräusche oder Eindringlinge zu lauschen.
Doch zunächst blieb es still. Nur mein Schluchzen drang nach draußen in den immer noch düsteren Raum.

Es kam mir vor wie ein Albtraum. Vielleicht träumte ich ja wirklich und würde bald aufwachen. Allerdings, konnte man überhaupt so intensiv träumen?
Mein Sohn Nico durchlitt öfter heftige Träume. Ich erinnerte mich, wie ich versucht hatte, ihn zu trösten. War ja nur ein Traum, sagte ich ihm. Doch er schüttelte den Kopf und versuchte mir glaubhaft zu machen, dass er tatsächlich auf eine zehn Meter hohe Mauer gesprungen sei, um einem merkwürdigen Wesen zu entkommen... Dabei zitterte er noch und zeigte mir seine zerrissene Hose und das aufgeschlagene Knie. Ich schloss daraus, dass er vor Aufregung aus dem Bett gefallen war und sich so diese Verletzungen zugefügt hatte. Wie nun, wenn jemand zu mir käme und mich versuchen würde zu trösten mit den Worten: War ja nur ein Traum. Wach endlich auf!
Ich würde genau wie Nico zurückbrüllen: Das war kein Traum!
Lebten wir nun alle in Träumen? War ich jetzt völlig durchgeknallt?
Ach ja, Nico. Ich versuchte mir sein Gesicht vorzustellen. Wenn ich ihn überhaupt je wiedersah... Wie konnte ich nur aus dieser Horrorwelt ausbrechen?
Ich versuchte mich an alles zu erinnern, was mir vom heutigen Tag noch glaubwürdig erschien: der Weg von der Arbeit zur U-Bahn, da war die Welt noch in Ordnung. Ich setzte mich in die U-Bahn und dann fing ich an zu träumen. Startete ab hier der Traum?
"Ich halt das nicht mehr aus", schluchzte ich. Wann ging dieser Traum vorbei? Sollte ich ihn passiv zu Ende träumen oder aktiv ein Ende finden?
Ich entschied mich für die passive Variante und blieb einfach lautlos liegen.

Vielleicht fing jetzt erst Snape an, sich ein wenig Sorgen zu machen. Denn während er sich vorsichtig über mich beugte, stellte er mir erstmals eine Frage: "Geht es Ihnen gut?"
Ich antwortete nicht.
Er fuhr langsam fort: "Hören Sie. Ich weiß, für Sie ist das alles unverständlich. Jemand will uns hier mürbe machen. Doch den Gefallen sollten wir ihm nicht tun. Und ich werde dafür sorgen, dass ich Sie hier heil rausbringe und Sie das alles hier vergessen. Halten Sie einfach still und üben sie sich in Geduld", sagte er in seiner leisen, deutlichen Stimme, die mich tatsächlich etwas beruhigte, auch wenn keine Lösungen in Sicht waren, und dabei bedachte er mich erstmals mit einem etwas wärmeren Blick als die ganze Zeit zuvor.

Wir konnten schließlich nicht ausbrechen. Was blieb uns anderes übrig, als weiterhin in Geduld zu verharren.
Es geschah nichts. Aber wir lauschten. Das war schon unheimlich. Aber besser das, als die Welt nochmals auf dem Kopf zu erleben.
"Das ist wie ein Traum", sagte ich schließlich. "Ich träume doch nicht, oder?"
Snape sagte wieder nichts.
"Mein Sohn Nico, er ist gerade elf, wissen Sie", fuhr ich im Flüsterton fort, "er hat oft auch so ähnliche Träume. Ich habe sie ihm nie geglaubt. Was denken Sie, könnten die auch echt sein?"
Welche Frage? Mein Gehirn schien wirklich nicht mehr vernünftig zu arbeiten.
Snape reagierte nicht. Er konzentrierte sich wohl mehr auf womöglich herannahende Gefahren.
Es war wohl dumm zu reden, aber das Reden nahm mir die Angst. Ich stellte auch fest, dass ich klatschnass war, nicht vom ehemals nassen Boden, sondern vom eigenen Schweiß...
Im Flüsterton fuhr ich fort: "Nico spricht von so komischen Wesen - wie nennt er sie noch- ja: Elfen und Kobolde. Ich glaube ja an so etwas nicht. Aber er kann sie mir so detailliert beschreiben, dass sie bei ihm wirklich Gestalt annehmen. Ich dachte immer, seine kindliche Fantasie nimmt bei ihm Überhand. Aber inzwischen weiß ich gar nicht mehr, woran ich glauben soll. Bin ich in eine Fantasiewelt hineingerutscht?"
"Still!" fuhr mich Snape an: "Da kommt jemand."
Ich zuckte zusammen und sagte nichts mehr.



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