Hinter der Maske

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


 

Kapitel 10



Bis jetzt war der Gedanke hier sterben zu können abstrakt geblieben, doch nun, im Angesicht seines eigenen Blutes, wurde die Angst konkret. Er würde nie wieder nach Hause kommen. Wenn Albus nicht aufwachte - und das schwächende Gift, das die Auroren erwähnt hatten machte das recht unwahrscheinlich - würde er hier gefangen bleiben. Immer wieder hilflos den willkürlichen Grausamkeiten der Wächter ausgesetzt. Wie hatte Sirius das überstehen können? Und wie würde es werden wenn nächsten Monat wieder der Wolf hervor kam? Würde sich der Medicus dann um ihn kümmern, gäbe es dann überhaupt noch etwas worum er sich sorgen konnte? Ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende?
Der Arzt sah das Blut ebenfalls. Hochgradig alarmiert. Es gab seinem Entschluss einen weiteren Anstoß.
"Ich nehme dich mit in den Krankenraum. Soll sich Direktor Watergate auf den Kopf stellen. Du krepierst hier. Aber vorher:" Er holte eine kleine Flasche hervor und entkorkte sie. Prüfend roch er noch einmal daran, reichte sie dann Lupin. "Trinken Sie das." Remus' Augenbrauen zogen sich zusammen, nein, ganz bestimmt nicht. "Bei Merlins Knochen: Sie sind ein ausgesprochener Dickkopf. Ich will Ihnen doch nichts tun. Das hier wird die inneren Blutungen stoppen oder zumindest stabilisieren und Sie aufwärmen. Es wird Ihnen auch die Kraft zum Laufen geben." Widerwillig nahm Remus das Glasgefäß an, als es eine auffordernde Bewegung in seine Richtung machte.
Am Geruch erkannten seine sehr feinen und sensiblen Sinne, dass es wirklich etwas medizinisches war. Sein gesundes Mistrauen ließ ihn weiterhin zögern, sein Verstand fragte sich hingegen was sie davon hätten ihn so mühselig zu hintergehen. Das hier war garantiert kein Schierlingsbecher. Sie könnten auch alles Wissenswerte einfach aus ihm herausprügeln.
Er wollte die Flasche gerade leeren als ihn eine Geste innehalten ließ. "Ich muß Sie loslassen und zur Tür gehen. Können Sie alleine sitzen?" Ein Nicken antwortete ihm und nachdem er die Fackel in Lupins Nähe in die Wand gehängt hatte zog sich der Auror wie angekündigt zur Tür zurück. "Jetzt trinken." War er ein Auror? Unvermittelt setzte der Schmerz wieder ein, der ihn kurz vor einer Verwandlung in sein anderes Ich überfiel. Auch wenn es nur eine durch die Dementoren aus seinen furchtsamsten Erinnerungen hervorgezerrte Empfindung war, trieb sie ihm den kalten Schweiß auf den Rücken. "Trink schon, schnell." Als würde es die Pein vertreiben können kippte er es schnell herunter. Bitter. Die Kälte, die wieder schlimmer geworden war, wurde machtvoll von der Wärme zurückgedrängt die durch seinen Hals hinab in den Magen rann. Es fühlte sich an, als würde man nach einem stundenlangen Marsch durch Schnee und Eis endlich einen heißen Tee mit Schuss bekommen. "Wirkt es schon?" Remus nickte bedächtig und nach etwa einer Minute der behaglichen Wärme und Erholung ließ diese wieder nach, doch auch das Zerren der Metamorphose verstummten wieder gänzlich. Sein neuer Bekannter war wieder an seine Seite zurückgekehrt; rieb ihm zirkulationsfördernd über Arm und Rücken. "Kommen Sie, wir sollten jetzt gehen." Sachte nahm er Remus' gesunden Arm und legte ihn sich über die Schulter, mit der anderen griff er um seine Taille und stützte ihn noch zusätzlich. Er merkte jetzt schon, dass er den Verletzten so ziemlich würde tragen müssen. "Ich würde mich ja oben wegen Gefangenenmisshandlung beschweren, wenn es jemanden interessieren würde."
Mit dem Fuß schob der Heiler die Tür auf und trat mit seiner Last aus der Zelle heraus. Plötzlich spürte er wie dieser zurückschreckte und sich anspannte. Sein Blick folgte dem des Gefangenen und fiel auf zwei Dementoren. Sie standen ganz leblos da, zusammengesackt wie Kartoffelsäcke und an die Wände gelehnt. Selbst die allgegenwärtige Kälte, die sonst aus ihnen heraussickerte wie Blut aus einer Wunde, war kaum schlimmer als die umliegende Temperatur. Remus schüttelte im gleichen Maße ungläubig wie verblüfft den Kopf. Was hatte ~Dementoren~ ausschalten können? Sein Blick ging nach links. 'Der Arzt?' "Was haben die?"
"Egal. Weiter." Auf Lupin Rücksicht nehmend aber immer noch so schnell es ging trug, zog und stützte er ihn durch ewig lange und dunkle Gänge. Er hoffte bei allen verfügbaren Glückselementen, dass sie niemand sehen würde. Das wäre ein sehr kurzer Ausflug geworden.
Watergate wußte nichts von seiner Anwesenheit hier. Hätte sie wohl weder gebilligt noch gutgeheißen.
Sie waren schon eine ganze Weile unterwegs, nur das Tropfen von verirrtem Wasser durch die Decke und ihre Schritte waren zu hören. Sie schwiegen bisher, entweder aus Erschöpfung oder weil sie nicht wußten was sie sagen sollten.
"Wie heißen Sie eigentlich?"
Lupin zögerte, er wollte das nicht verraten, niemandem hier. In den Akten würde es schon stehen aber die Belegschaft würde ihn noch kaum kennen. Mit dem Wissen um Namen ging Macht einher. Aber der Andere hatte etwas gut. War gut. "Mein Name ist Remus. Und du?" Es wäre wirklich leichter einander zu duzen und der Vorname war nicht so gefährlich.
"William." Sie lächelten einander an, Lupin allerdings nicht sehr breit, da seine Lippen ja noch von der vorherigen Behandlung aufgeplatzt waren. Sie umrundeten die nächste Ecke und hatten ihr Ziel endlich erreicht. Den Krankenraum.

Drinnen war es bis auf ein Kaminfeuer dunkel, aber nachdem William die Fackeln wieder angezündet hatte und auch noch einen weiteren Holzscheit ins Feuer geworfen hatte, wurde es hell. Remus saß indessen auf einem einfachen Lehnstuhl am einzigen Tisch und ruhte sich vom Marsch aus. Es mußte Abend geworden sein, die hohen schmalen Fenster - zu dünn um sich hindurch zu zwängen - zeigten einen bewölkten Nachthimmel.
Nun bei vernünftigem Licht sah der Arzt sich Lupin genauer an. "Das Veilchen sieht ja böse aus. Und die Lippe auch. Sie haben dich komplett zerschlagen. Entspann dich, ... mal sehen." Die Decke schlug er nach hinten und der Verband um seinen Arm wurde auch entfernt. Warme Finger tasteten sehr vorsichtig die Blessuren ab. Lupin genoß während der Untersuchung einfach nur die Wärme des Feuers und eine kurze Pause von dem was ihn draußen erwartete.

Er fühlte sich wirklich elend. William holte einige kleine bis mittelgroße Instrumente aus einer Schublade und legte eine Manschette um den Oberarm seines Patienten. "Faust machen." Ein kleiner Luftbeutel wurde gedrückt und die Manschette füllte sich mit besagtem Gasgemisch. Die Nadel sprang höher bis die Luft wieder entwich und der Heiler die Anzeige des Instruments genau im Auge behielt. "Der Blutdruck ist nicht gerade berauschend. So, jetzt nimmst du das in den Mund - aber vorsichtig - es ist aus Glas. Laß es unter der Zunge und nicht reden." Etwas überrumpelt gehorchte der Träger des reissenden Werwolfs der Anweisung. Er fror noch immer.

William holte indessen kleine Phiolen aus einem hölzernen Apothekerschrank. Es mußten Hunderte von Schubladen sein, alle Zigarrenschachtel groß. Er stellte die Fläschchen in einer bestimmten Reihenfolge auf, deutete dann von links nach rechts. Von ihm aus gesehen. "In der Abfolge. Ich richte dein Bett, warte aber noch kurz." Er nahm das Thermometer wieder an sich und las den Wert ab. "Unterkühlt. Wie erwartet." Als er am anderen Zimmernde beim Wäscheschrank war nickte er dem ihm im Grunde unbekannten Gefangenen zu.
'Unglaublich, ich bin in die tiefste Hölle gefallen, die Dante jemals erdachte und wer findet mich auf dem Boden aufgeschlagen? Schlimmerem als dem Tode ausgesetzt? Florence Nightingale.' Seine Aufmerksamkeit kehrte zur Medizin zurück. Irgend etwas davon war garantiert Skeleto-Fix. In rascher Abfolge als wären es Schnapsfläschchen schüttete er alles herunter was da so bunt vor ihm stand. Halb war er auf die Nebenwirkungen gespannt aber zu Anfang spürte er bis auf ein linderndes Gefühl im Hals noch gar nichts. Dann begann sein ganzer Körper zu kribbeln. Nicht unangenehm, nur belebend. Spürbar heilten seine Knochen in der Schulter und die Rippen. Das dumpfe Pochen im Kopf und ums rechte Auge ließ nach. Sein nervöser Magen bekam sich wieder ein, die vielen Schläge hatten auch ihn nicht kalt gelassen. Alles beruhigte sich irgendwie. Erleichtert seufzte er auf, es war eine Wohltat keine Schmerzen mehr zu haben.
So gut wie jetzt hatte er sich lange nicht mehr gefühlt. Naja, wenn er vom Abendbrot gesättigt und von Severus' Anwesenheit zerstreut in einem Sessel vorm Kaminfeuer gesessen und nur dem Knistern im Holz zugehört hatte. Der Gedanke daran versetzte ihm einen schmerzhaften Stich.

Ja, alles sprach gegen ihn und Severus war es der Dumbledore als erster in diesem angefallenen Zustand gefunden hatte, verständlich, dass er aufgewühlt und seinen Beteuerungen gegenüber verschlossen war. Aber er hatte im vollen Bewußtsein keinen Finger gerührt oder ein gutes Wort für ihn eingelegt, ihn Abteilung 7 ausgeliefert. Dem langsamen, qualvollen Tod. Bitter fragte er sich, ob er das wirklich verdient hatte. Vielleicht weil er es nicht geschafft hatte rechzeitig zu sein. Ein paar Minuten vorher aufgewacht war. Oder weil er nicht genug Verstand beisammen gehalten hatte, als diese hässliche Sache bei Vollmond mit Sirius, der Heulenden Hütte und Snape gewesen war. Damals als sie noch Schüler waren.
Aber sein Blick. Der Blick aus seinen schwarzen Augen war so hasserfüllt gewesen. Lupin hatte in Snapes Vermutung Dumbledore angegriffen, den einzigen, der noch irgendwelchen Rückhalt für den Slytherin gegenüber Voldemort gegeben hatte. Und niemand mehr da, der den Ex-Todesser vor dem Ministerium schützte. Ohne Dumbledore. Nun ... waren sie alle verloren. Es würde bald beginnen.
Die ganze Welt würde dunkel werden.
Ein Schemen trat in sein Blickfeld, die Erschöpfung hatte ihn unbemerkt fast einschlafen lassen. Erschrocken prallte Remus zurück, doch es war nur William. Dieser machte gerade eine besänftigende Geste, hatte ihn nicht erschrecken wollen. "Essen Sie ein Stück Schokolade. Das wird Ihnen gut tun. Hat die Medizin gewirkt?" Er ging wieder ein Stück von Lupin weg, während dieser sich die heilende Süßigkeit auf der Zunge zergehen ließ. "Danke ja. Mein Körper ist wieder ziemlich in Ordnung. Und bereit für die nächste Runde." William blinzelte und Lupin bereute seine Worte sofort. "Das ging nicht gegen dich, wirklich. Ich habe Zynismus wohl als Schutzmechanismus von einem Freund übernommen. Das ist alles." Warum vertraute er ihm einfach so? Und William ihm? Das Risiko für den Arzt war nicht gerade klein. "Warum hast du mir geholfen?"
"Sie haben dich gequält. Und ich bin Hippokrates und Äskulap sowie den Töchtern Allheil und Gesundheit verpflichtet. Ich bin Arzt. Das ist mir Grund genug."

Remus sah lange in diese freundlichen, mitfühlenden Augen. "Sie kennen mich nicht. Sie wissen nicht einmal warum ich hier bin. Ich könnte ein gefährlicher Irrer sein. Und trotzdem kommen Sie ohne Erlaubnis von oben in meine Zelle, retten mich vor den Dementoren und heilen meine Wunden. Hast mich aus der Warteschlange zur Styx Fähre herausgeholt. Du bist zu gut um echt zu sein." William hatte ihm in aller Ruhe zugehört, lächelte jetzt ein wenig. "Ich bin schon echt." Das war keine Antwort auf die Frage aber er schien auch nicht gewillt sie noch zu geben. Zumindest nicht jetzt.
Er legte Lupin einen grauen Schlafanzug hin. "Zieh dich besser hier vor dem Feuer um."
"Kein klinisch weißes Nachthemd mit offenem Rücken?"
"Bestehst du darauf?"
Remus hätte fast gegrinst, eine Geste die er nie hier auf der Verdammteninsel anzutreffen vermutet hätte, der Schalk in Williams Stimme war nicht überhörbar. "Bloß nicht." Es war gut auch noch die nasse Hose loszuwerden und in eine warme flauschige schlüpfen zu können. Als er die Arme über dem Kopf hatte um das Hemd überzustreifen schmerzte der Arm noch einmal etwas. Missmutig rieb er über die Stelle. Sofort war er wieder im Fokus von Williams Aufmerksamkeit. "Noch nicht gut?"
"Schon wesentlich besser aber noch nicht ganz verheilt." Jetzt wo er es warm hatte, diverses im Magen und seine Wunden versorgt waren wurde er erst richtig müde. William führte ihn zu seinem Bett, entzündete eine Kerze um dafür sämtliche anderen Lichter im Raum zu löschen. Im Halbdunkel der Flamme stellte er nun noch einen Wandschirm auf, der Lupin vor neugierigen Blicken schützen würde. Der Arzt tapste durch die Dunkelheit und verriegelte die Tür, stellte aber im gleichen Zuge auch sicher, dass die Nachtschelle funktionierte. Nun wollte er sich eigentlich in seinen eigenen Raum zum Schlafen zurück ziehen. Schon im Türrahmen stehend wurde er noch einmal von der Stimme seines Patienten aufgehalten. "William?"
"Ja?"
"Warum weichst du immer zurück wenn du Arzneien verabreichst? Fürchtest du die Tränke könnten explodieren?"
Ein trauriges Lachen war zu hören. "Nein." Der Heiler wartete auf die unvermeidliche Folgefrage und war entsprechend überrascht als sie nicht kam. Noch nicht zumindest. Statt dessen hörte er ein aufrichtiges: "Danke. Für alles." William entspannte sich wieder und nickte leicht. "Gute Nacht Remus."

Kapitel 9

Kapitel 11

 

Zurück





ef="index.htm">Zurück