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Kapitel 9
Remus kam dadurch zu sich, dass er fiel. Instinktiv brachte er seine linke Hand vor um sich aufzufangen. Der rechte Arm machte nicht mit, der reflexartige Versuch ihn zu bewegen jagte ihm schon wieder Glassplitter durch die Adern. Wenn er aufschlug und sich nur mit einer Hand abstützte, würde er wieder genau auf die Verletzung fallen. Der Sturz die Turmtreppe runter war unter anderem auch hierfür verantwortlich. In der einen Sekunde, in der ihm all das klar geworden war, war er schon sehr weit nach vorne gestürzt. Die Ketten hielten ihn nicht mehr aufrecht.
Plötzlich war da eine andere Präsenz. Etwas griff ihn an der linken Schulter und stützte ihn rechts an der Brust; fing seinen Sturz auf. Lupins Körper protestierte gegen die Torturen des Zurückliegenden und Schmerz kam von überall gleichzeitig. Ein Stöhnen kam über seine Lippen, allmählich hatte der Zauberer nicht mehr die Kraft gegen all das anzukämpfen. Sie würden ihn jetzt wieder durch die Mangel drehen. Halb erwartete er, dass sie ihn einfach fallen ließen, andererseits würden sie ihn vermutlich erst wieder in den Magen schlagen. Es bot sich in seiner Hilflosigkeit einfach an.
Nichts dergleichen geschah, er wurde langsam herab gelassen und auf die linke Seite gedreht. Die Unverletzte wie Lupin verwirrt registrierte. Zögerlich öffneten sich seine Augen, was erwartete ihn jetzt? Ein Mann von schlanker Gestalt, nicht sehr groß und mit blondem oder rotem Haar - das ließ sich im Schein der Fackel schlecht sagen - beugte sich über ihn. Sie waren in einer schmuddeligen kleinen Zelle. Es war sehr kalt. "Können Sie sprechen?"
Remus dachte schon, etwas ganz anderes war ob er das überhaupt wollte.
"Wo sind Sie überall verletzt?"
Und das musste ein Scherz sein, er würde ihm garantiert nicht all seine Schwachpunkte nennen. Damit sie das wie die Schulterwunde ausschlachten konnten. Sein Gegenüber schien seine Vorbehalte zu erraten, oder interpretierte einfach sein Schweigen richtig. "Kennen Sie sich mit Muggeln aus? Stellen Sie sich vor ich gehöre zum Roten-Kreuz. Ich werde Ihnen nichts tun. Meine Aufgabe in Askaban ist es, dafür zu sorgen, dass die Gefangenen bis zur Gerichtsverhandlung überleben. Also: Wie geht es Ihnen?" Er rieb einen Zipfel des immer noch nassen und klammen Stoffs von Lupins Kleidung. Bei der Kälte würde garantiert nichts trocknen. Der Pfleger hauchte in die Luft und verdrehte entsetzt die Augen als er kleine Dampfwolkchen vor seinem Gesicht ausmachen konnte. Das perfekte Klima für eine Lungenentzündung.
"Es geht mir offengestanden beschissen. Ihre Aurorenfreunde haben mich fast tot geprügelt. Und die Demento..." Er verstummte, lauschte in sich hinein. "Haben Sie sie weggeschickt?" Er bekam keine Antwort und wenn, dann hörte er sie doch nicht, denn in diesem Moment fing er jämmerlich an zu husten, seine Lunge rasselte hörbar. Die Schmerzen, die ihm seine Verletzungen hierbei noch zusätzlich wegen der Erschütterungen bereiteten, waren fast zuviel für ihn. Sehr sachte und vorsichtig wurde sein verletzter Arm nach vorne auf die Brust gebracht und er aufgerichtet. Jetzt konnte er wieder atmen. Die magisch verschlossenen Schellen ließen sich ohne jede Gegenreaktion von Lupins Handgelenken streifen. Als wären sie nicht eingeschnappt gewesen. Nur dass er gar keinen Schlüssel gehört hatte.
Beruhigende Worte murmelnd zog der Namenlose Remus das durchweichte Hemd aus, betastete leicht die immer dunkler werdenden Verfärbungen. Gebrochene Rippen und Fußtritte der Ministeriums-Mitarbeiter. Schließlich legte er ein Ohr an den Rücken des Werwolfs. "Einatmen. Anhalten. Ausatmen." Er stützte Lupin weiterhin, während er ihn umrundete und seine Aufmerksamkeit der Schulter zuwandte.
"Ein Splitterbruch. Und wie es aussieht wurde danach noch weiterhin mutwillig Druck darauf ausgeübt. Die Haut ist durchstoßen. Ich hoffe, nichts davon ist in die Blutbahn geraten."
Lupin nickte von der Möglichkeit einer Emboli ernüchtert. "Und allgemein?"
"Es sammelt sich Flüssigkeit in der Lunge und es gibt innere Verletzungen soweit ich das unter diesen Bedingungen sagen kann. Die gelbliche Verfärbung der Glaskörper deutet auf Milz oder Leber hin. Möglichehrweise ist auch die Lunge punktiert. Die gebrochenen Rippen machen mir in diesem Zusammenhang zusätzliche Sorgen." Der Arm wurde ihm vorrübergehend mit einem Verband am Körper fixiert, zumindest solange bis sich vernünftig um den Bruch gekümmert werden konnte. Ein sauberes Tuch darunter schützte die Wunde behelfsmäßig vor Schmutz. Zu guter Letzt legte ihm der Pfleger noch eine warme Decke über die Schultern, die Frage war nur ob das etwas bringen würde, war er doch völlig ausgekühlt. "Wenn ich dich so hier lasse, stirbst du früher oder später. Und dafür musst du nicht einmal einen Embolus haben. Bei dem Dreck hier reicht schon eine Infektion. Oder wenn sie dich weiterhin befragen." Er rieb sich mit dem Handrücken über die Nase. Ärzte waren ihrer Berufung entsprechend mitfühlend.
"Warum sagst du ihnen nicht einfach was sie wissen wollen? Sie werden dich entweder mir Flüchen quälen bis du nachgeben mußt um nicht draufzugehen oder dir das Veritaserum einflössen. Und auch das wirst du in diesem mitgenommenen Zustand kaum noch überstehen können."
Lupin hatte die Augen geschlossen und lächelte der Dunkelheit der Ohnmacht zu. Die fragwürdige Freundin der Gepeinigten wollte ihn gerade umfangen als etwas seinen Hals berührte. Erschrocken riß er die Augen wieder auf. Der Arzt prüfte seinen Puls. "Werd mir bloß nicht ohnmächtig. Ich gebe dir unter diesen Bedingungen höchstens noch einen Tag und wenn du jetzt in die Dunkelheit fällst kann ich nicht garantieren, dass du jemals wieder aufwachst."
Remus überlegte ob das wirklich so schlecht wäre, damit würden all seine Probleme ein sehr humanes Ende nehmen. 'Wenn nicht die Furcht vor etwas nach dem Tod. Dem unerforschten Land, ...' Ein bitterböser Hustenanfall unterbrach seine Gedanken. Mit dem erneuten Gefühl zu ersticken waren ihm die stützenden Hände des Auroren sehr willkommen. Die Panik ließ allmählich nach, als Sauerstoff wieder gleichmäßiger zirkulierte, doch als er die Hand wegnahm, die er sich beim Husten vorgehalten hatte, war sie mit hellrotem Blut besprenkelt. Ihm wurde ganz anders.