Von Mördern und Verrätern

 

 

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Kapitel 22: Neue Warnung an der Wand

Als Harry seine Geschichte dem Direktor zuende erzählt hatte, sank dieser müde und äußerst traurig in seinen Sessel hinter dem Pult. "Charles McGregor und Emma Mithbury. Sind vor zwei Tagen als vermisst gemeldet worden. Sie sind beide hier zur Schule gegangen und waren seit der ersten Klasse das Traumpaar Hogwarts; der eine war nie ohne den anderen anzutreffen." Ein melancholisches Lächeln spielte um Dumbledores Lippen und sein Blick wanderte zu einen entfernten Punkt irgendwo über Harrys linker Schulter, als er sich erinnerte. "Es ging sogar das Gerücht um, dass sie ihre Hände mit einem Fluch zusammengehext hatten, da sie selbst in der Klasse nur schwer voneinander lassen konnten." Das Lächeln verschwand wieder. "Emma hatte ein unglaubliches Talent für Zaubertränke, wie Severus mir mal erzählt hat"

"Und was werden wir jetzt tun, Professor?"

Dumbledore sah Harry wieder an, doch sein Blick blieb traurig. "Wir werden natürlich Mr. Meaby beschützen. Du hast ihm und seiner Familie wahrscheinlich das Leben gerettet, Harry."

"Und was werden wir gegen Voldemort unternehmen, und Snape?"

Harry entging nicht der schmerzliche Ausdruck in Dumbledores Augen bei der Erwähnung des Zaubertränkemeisters. "Wir wissen, dass sie sich beim nächsten Neumond wieder treffen. In einem Monat. Mit dem Zeitpunkt der Entführung der beiden ist es kein Problem den genauen Termin auszurechnen."

"Und was willst du tun, Harry?" fragte Dumbledore sanft. "Wenn du nicht weißt, wo sich dieser Treffpunkt befindet?"

"Sie werden sich wahrscheinlich wieder in dieser Halle treffen. Ich habe sie schon zweimal gesehen."

"Und weißt du, wo diese Halle ist? Nach deiner Beschreibung könnte es ein altes Kloster sein, oder ein offizielles, verlassenes Gebäude oder auch ein privates Herrenhaus."

Harry senkte frustriert und wütend den Kopf. Er wusste zwar vernunftmäßig, dass der Direktor recht hatte, dennoch ärgerte er sich über dessen Bereitwilligkeit, es unversucht zu lassen etwas zu unternehmen. Und ohne dass er es wollte, schoss ihm wieder der Gedanke durch den Kopf, dass seine Vermutung von der Verwandtschaft Snapes und Dumbledores doch nicht so abwegig sein könnte.

Der Direktor schien seine Bedenken zu spüren. "Falls du wieder eine Vision hast, Harry, achte auf Details wie Wandmuster, Einrichtung und Bilder in den Fenstern. Vielleicht hilft uns das ein wenig."

Harry sah wieder zu Dumbledore auf und dessen Blick war eindringlich und sehr ernst. "Der Krieg gegen Voldemort ist an einem entscheidenden Punkt angelangt und wir dürfen nicht unüberlegt handeln. Wenn wir eine Chance sehen, werden wir sofort eingreifen, aber wir müssen sicher sein, verstehst du das? Zu viele Opfer wurden schon gebracht. Es sollen in Zukunft auf keinen Fall mehr so viele sinnlose dabei sein."

Schon wieder diese Trauer in der Stimme, als hätte Dumbledore selber ein solches Opfer gebracht. Was wiederum Harrys Theorie untermauerte. Für einen Sekundenbruchteil empfand er Mitleid mit dem alten Zauberer, und er wollte geradeheraus fragen, ob Snape sein Sohn oder Enkel war, doch dann besann er sich darauf, dass auch seine Familie grundlos geopfert worden war. Erst seine Eltern und dann sein Pate. Egal, wie Dumbledore zu Snape stand, der Mann war ein Monster geworden und musste genauso dringend gestoppt werden wie Voldemort selber. Immerhin waren auch die McGregors sinnlose Opfer gewesen, deren Familien jetzt allein gelassen waren, und Snape hatte sie auf dem Gewissen.

Harry stand entschieden von seinem Stuhl vor Dumbledores Schreibtisch auf. "Wenn Sie erlauben, Direktor, würde ich jetzt gerne gehen. Ich habe noch recht viele Hausaufgaben, an denen ich arbeiten sollte."

Dumbledore nickte. "Aber denke daran, Harry..."

"Ich weiss", unterbrach dieser wieder etwas versöhnlicher. "Ich werde zu Ihnen kommen, wenn ich wieder eine Vision habe."

***



Es ist schon merkwürdig, dass, wenn man etwas Schlimmes erwartet, von dem man weiss, dass es jederzeit eintreffen könnte, sich die Tage, Stunden und Minuten in denen nichts passiert zur angespannten Tortur auswachsen. So dass man schon fast hofft, dass dieses erwartete, schlimme Etwas eintritt, nur um die Spannung zu lösen.

Genau dieses Gefühl hatte Harry in den folgenden Tage. Er wartete rund um die Uhr in nervöser Erwartung, dass ihn eine weitere Vision von der Sicherheit Hogwarts und in die bösartige Brutalität von Voldemorts Welt wegriss, wohl wissend, dass es nichts gab, was er dagegen unternehmen konnte.

Doch nichts passierte, vielmehr wurde er Zeuge von etwas, das viel schlimmer und beängstigender war, als eine simple Vision.

Sie kamen gerade vom Abendbrot und waren auf dem Weg zum Gryffindorturm, als eine Traube von Schülern vor ihnen den Gang verstopfte, ihre verwirrten und verängstigten Augen auf die linke Steinwand des Korridors gerichtet.

"Was soll das bedeuten?", flüsterte eine Stimme nahe vor ihnen in der Menge.

"Ich weiss nicht. Hört sich an wie eine Drohung", antwortete eine andere.

"Aber was soll das mit der Kröte?"

"Patil ist den Direktor holen gegangen."

"Denkt ihr die beiden S stehen für Severus Snape?", piepste ein Mädchen angstvoll und brachte mit der Frage alle anderen murmelnden Stimmen zum Schweigen.

Harry benutzte seine Ellbogen um sich durch die momentan baff dastehende Menge zu arbeiten, dicht gefolgt von Hermine und Ron.

Als er jedoch einen Blick auf die Wand warf, die alle gefesselt zu haben schien, blieb er mit einem Keuchen stehen und merkte kaum, wie sich seine Freunde neben ihm durchzwängten und ebenfalls mit offenem Mund auf die Wand starrten.

Die Situation hatte eine beängstigende Ähnlichkeit mit der Zeit, als Tom Riddle Ginny Weasley dazu gebraucht hatte, Warnungen an die Korridorwände zu schreiben. Wie damals war eine Nachricht in grossen blutroten Buchstaben an die Wand gemalt.



DER SKORPION WIRD DIE KRÖTE IMMER STECHEN, DUMBLEDORE. PASS BLOSS IMMER AUF DEINEN RÜCKEN AUF.

S.S



"Snape war hier im Schloss?"

Rons Stimme war kaum mehr als ein terrorgeladenes Flüstern und es stand überhaupt nicht eine Spur des Zweifels in seinen Worten.

"Macht bitte Platz", erklang eine strenge Stimme hinter ihnen und sofort traten einige Schüler gassebildend zur Seite und sahen einem sichtlich aufgebrachten Dumbledore, McGonagall und Parvati Patil im Schlepptau, auf sie zuwehen.

Dumbledore hielt jedoch wie vom Blitz getroffen inne, als er sich durch die Schülerschar bewegte und die Schrift auf der Wand sah. Nachdem er den Text sorgfältig gemustert hatte, schloss er kurz die Augen und atmete tief durch.

"Minerva, schaffen Sie die Kinder in ihre Gemeinschaftsräume und sagen Sie Filch, dass er dieses...", er schien für einen Moment nach Worten zu suchen, "das hier beseitigt."

Ohne auch nur einen Kommentar über die offene Drohung, oder über die Tatsache, dass allem Anschein nach Snape sie hier deponiert hatte, wandte sich der Direktor ab und verschwand mit eiligem Schritt, als könne er es gar nicht erwarten hier wegzukommen.

"Hier gibt es nichts mehr zu sehen. Bitte zieht euch jetzt zurück." McGonagall hatte ihr typisch drakonisches Gesicht aufgesetzt und sprach in ihrer besten dies-ist-keine-Frage-und-ich-dulde-keinen-Widerspruch-Stimme.

Unter missmutig raunendem Geflüster und mehr als widerwillig, begannen sich die Schüler zurückzuziehen.

"Wie zur Hölle ist Snape hier herein gekommen?", fragte Ron, als sie sich etwas hinter den anderen Schülern hatten zurückfallen lassen.

Harry zuckte mit den Schultern, doch schaffte es nicht, seine Wut gänzlich aus seinem Gesicht zu verbannen. Die Sache wurde langsam ein wenig zu persönlich für ihn. Nicht nur, dass Sirius' Mörder seiner Strafe entronnen und wieder zu Voldemort übergelaufen war, nun bedrohte er auch noch Dumbledore, den einzigen Menschen, der überhaupt einen Mist auf ihn gab. Harry hatte sich in dem Moment, als er Dumbledores überraschtes Gesicht, beim lesen der Drohung, gesehen hatte, geschworen, dass er alles tun würde um den irren Mann von dem Direktor fern zu halten. Snape hatte schon einen Menschen getötet, der Harry nah stand, aber nicht noch einmal.

Er hatte schon Voldemort die Stirn geboten und Snape würde am eigenen Leib erfahren, was er alles auffahren konnte, wenn er oder seine Freunde bedroht würden. Mit dieser Warnung hatte ihn sich Snape endgültig zum Todfeind gemacht und Harry spürte eine abgrundtiefe Feindseligkeit in ihm erblühen, die sogar seine Wut auf Pettigrew und Voldemort übertraf. Wenn er den ehemaligen Lehrer jemals in die Finger bekam, dann würde er ihn nicht verschonen, wie er es mit Pettigrew getan hatte. Er würde Dumbledore irgendwie schützen, wenn es der Mann aus irgend einem verdrehten Gefühl hinaus nicht selber tat.

"Sirius ist auch hier eingedrungen. Vielleicht kannte Snape einen anderen Geheimgang. Dieses alte Gemäuer ist sicher voll von ihnen und Snape hat ja über die Hälfte seines Lebens hier gelebt."

"Aber wenn er einen Geheimgang kennt, warum hat er dann nur die Warnung hinterlassen und nicht Voldemort hergeführt?", fragte Ron.

Hermine, die bis jetzt noch nichts gesagt, aber auch nicht widersprochen hatte, was bewies, dass auch sie nicht an der Identität des Verfassers der Warnung zweifelte, meldete sich zum ersten Mal.

"Die meisten Geheimgänge, vor allem, wenn sie noch immer geheim sind, wären sicherlich nicht groß genug um eine Armee durchzulassen und ich zweifle, dass Voldemort Dumbledore auf seinem Terrain offen angreifen würde."

Harry nickte. "Ja, Dumbledore ist der einzige Zauberer, dessen Macht Voldemort fürchtet. Dennoch ist es gefährlich, wenn er einen Zugang kennt. Er könnte sonst was versuchen."

Hermine warf Harry einen besorgten Seitenblick zu. "Vor allem da wir wissen, wie gerne er gewisse Menschen hier aus dem Weg haben will."

"Ich bin mir sicher, dass Dumbledore das auch weiß und die entsprechenden Maßnahmen einleiten wird", sagte Ron bestimmt.

Harry war auch davon überzeugt. Er machte sich nicht um seine Sicherheit Sorgen. Dumbledore würde alles tun um ihn zu beschützen. Was ihm mehr Sorgen machte, war, dass der alte Zauberer nicht durchgreifen würde um Snape endgültig aus dem Weg zu schaffen, wenn es soweit war. Falls der Zaubertrankmeister wirklich mit Dumbledore verwandt war und dieser ihn so sehr schätzte, dann fürchtete Harry, dass sich Dumbledore aus falschem Ehrgefühl eher umbringen lassen würde, anstatt Snape zu töten, und das machte ihm unendlich Angst.

"Und was sollte eigentlich der Spruch mit dem Skorpion, der die Kröte sticht?", fragte Ron weiter und sah dabei Hermine an, als würde er erwarten, dass sie auch darauf eine Antwort hatte. Er mokierte sich zwar manchmal lautstark über ihre Affinität mit Büchern und nannte sie des öfters ein wandelndes Lexikon, aber auch er konnte nicht verleugnen, dass ihr breites Wissen oft sehr nützlich war. Und auch diesmal bekam sie diesen Gesichtsausdruck, als wäre sie eine Mutter, die einem kleinen Kind etwas vollkommen logisches erzählte, mit dem sie Harry und Ron oft zur Weißglut trieb, doch keiner der beiden sagte in diesem Moment etwas, sondern sie ließen sie erzählen.

"Das ist leicht. Es gibt eine berühmte Fabel unter den Muggeln über einen Skorpion und eine Kröte", begann sie. "Ein Skorpion wollte einmal einen Fluss überqueren, doch er konnte nicht schwimmen, so fragte er eine Kröte, ob sie ihn hinübertragen würde.
Die Kröte sagte nein, denn sie fürchtete den Stich des Skorpions.
Da sagte der Skorpion, dass er, wenn er die Kröte auf der Überfahrt steche, auch ertränke und es deshalb nicht tun würde.
Daraufhin stimmte die Kröte zu und trug den Skorpion auf ihrem Rücken über den Fluss.
Als sie mitten im Wasser waren, stach der Skorpion aber doch zu.
Die Kröte sagte, dass sie nun beide sterben mussten und fragte den Skorpion, warum er dies getan hatte, wenn er doch genau wusste, was passieren würde.
Der Skorpion antwortete, dass er es getan hatte, weil es in seiner Natur liegt."

Daraufhin war es einige Minuten still, als sie weitergingen. Ron kaute auf der Innenseite seiner Wange und schien irgendwie nervös. Harry verstand ihn nur zu gut. Mit dem Satz an der Wand hatte Snape selber gezeigt, dass er wieder in seine alten Bahnen zurückgefallen war. Gut dann. Wenn der fettige Bastard das Spiel auf dieser Seite kämpfte, musste er damit rechnen, dass ihn jemand tottrat.

Unweigerlich erinnerte er sich, dass er als Kind einmal im Fernseher gesehen hatte, wie ein grosser Ochsenfrosch einen Skorpion gefressen hatte und dieser Gedanke trieb ein schiefes, drohendes Lächeln auf sein Gesicht. Snape würde seine Überraschung noch erleben.


 

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