Muggel

 

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Kapitel 14

 



Verwirrt öffnete Severus die Augen.

"Wo bin ich?" Er schaute sich um. Die kalten Steinwände, Bücherregale, das große Bett. Er war in seinem Zimmer. Aber wie war er hierher gekommen? Nachdenklich erhob er sich und setzte sich auf die Bettkante. Dem ersten Drang, seinen Kopf zwischen beide Hände zu nehmen, gab er nicht nach. Sein Kopf schmerzte nicht. Jedenfalls nicht viel.

Es war ein ungewohntes Gefühl. Wohlig und angenehm. Am meisten verwunderte ihn, dass er wirklich wach war. Normalerweise blieb eine lähmende Müdigkeit in ihm zurück, die er zu unterdrücken wusste. Aber heute... Er hatte wirklich ausgeschlafen. Ein prüfender Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er auch viel zu spät dran war. Sein Wecker hatte ihn nicht geweckt.

"Verdammt!" Die erste Stunde musste schon lange um sein. Bald würden die Sechstklässler Ravenclaw/Hufflepuff kommen und auf ihre Punktabzüge warten.

Hastig stürmte er ins Bad und klatschte sich ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht. Normalerweise machte er das zum Wachwerden. Erneut fiel ihm auf, dass er das heute ja gar nicht nötig hatte.

"Natürlich. Du Idiot hast ja auch verschlafen." Die gesamte Lehrerschaft würde ihn wieder mit einem Schmunzeln begrüßen. Oh, wie er das hasste! Schaut her, der kleine Severus hat verschlafen. Na ja, er ist ja noch so ein junger Lehrer und weiß noch nicht was sich gehört. Er wird das richtige Verhalten einer Aufsichtsperson noch lernen. Wir müssen nachsichtig mit ihm sein! Er konnte ihre gehässigen Reden und die scheinheilige Freundlichkeit schon jetzt hören. Darauf konnte er nun wirklich gut und gerne verzichten!

Missbilligend verschloss er die Augen, als er am Spiegel vorbeikam. Er wollte das Drama gar nicht sehen.

In Windeseile hatte er sich in seine Robe gestürzt, den Zauberstab in die Innentasche gesteckt und war aus seinen Räumen gerannt. Nur wenige Minuten zu spät öffnete er die Tür zum Klassenraum innerlich aufseufzend nicht auch die zweite Stunde verpasst zu haben.

Er wollte gerade beginnen, dass Thema des heutigen Tages zu erörtern, als er erstaunt innehielt. Der Direktor saß auf seinem Stuhl am Lehrerpult und alle Schüler sahen ihn verwirrt an, als gehöre er nicht in diesen Unterricht.


"Guten Morgen, Severus!" begrüßte ihn der Mann mit seiner üblich freundlichen Art.

"Guten Morgen, Direktor!" begrüßte er ihn ebenso. War irgendetwas passiert? Der Direktor war zwar schon einige Male in seinen Unterricht gekommen, aber noch nie hatte er vorne am Pult gesessen und... Snape stutzte, die Zutaten für einen Zaubertrank an die Tafel geschrieben. Vielleicht weil er nicht zur ersten Stunde erschienen ist? Aber Dumbledore hätte ihn doch wecken können. Er tauchte doch auch so immer in Snapes Räumen auf, wenn dieser von einer Mission bei Voldemort kam.

Dumbledore wollte ihn doch nicht etwa rausschmeißen?? Natürlich ist es unentschuldbar den Unterricht zu verschlafen, aber dass der Direktor zu so drastischen Maßnahmen griff, ließ Severus schaudern. Aber eigentlich war es logisch. Er war auf dem Schloss nur geduldet. Und sobald er sich einen Fehler erlaubte wurde er abgesägt. Mit misstrauischem Blick ging er nach vorne.

"Professor, geht es Ihnen besser? Man sagte uns heute morgen, Sie wären erkrankt", fragte eine besonders vorwitzige Hufflepuff nach.

"Krank? Ich wüsste nicht, wie Sie darauf kommen, Miss Greenbourne. Ich fühle mich ausgezeichnet."

"Aber, Professor Dumbledore sagte doch beim Frühstück...?" begann sie verwirrt und Snape spürte die Hand seines Direktors auf seinem Arm.

"Severus, ich denke Sie sollten mich nach draußen begleiten."

Snape richtete seinen verwirrten Blick wieder auf Dumbledore, der ihn über seine halbmondförmige Brille schauend mit einem undurchsichtigen Gesichtsausdruck darum bat, ihm zu folgen. "Kinder, ihr könntet schon einmal die Zutaten zusammensuchen. Ich komme gleich zurück." Sofort begann das allbekannte Gewusel der Schüler, wenn der Versuch freigegeben wurde, in Richtung Vorratsschränke.

Severus' Herz begann allmählich ein wenig schneller zu schlagen. Er hatte recht, er wurde jetzt rausgeworfen. Das war's. Nie wieder Hogwarts. Nie wieder Lehrer. Dazu verdammt nur noch den Spion zu spielen. Sein Leben für Dumbledore zu opfern. Vielleicht war es das. Dumbledore hatte einen Selbstmordauftrag für Snape. Deswegen nahm er ihn jetzt schon vom Unterricht, damit er sich darauf vorbereiten konnte bei seinem nächsten Einsatz sein Leben zu lassen. Wie oft hatte er sich das vorgestellt? Wie oft hatte er davon geträumt, endlich von dieser erbärmlichen Existenz befreit zu werden? Doch nun, wo er kurz davor stand, musste er sich selbst eingestehen, dass er Angst hatte. Wenn er tot war, konnte er nichts wieder gut machen. Er würde sterben und die Menschen hassten ihn weiterhin. Jegliche Erinnerung an ihn würde mit Hass und Ekel gespickt sein und niemals weinte auch nur irgendeiner eine Träne für ihn, und sein Engagement die Zaubererwelt zu retten und Voldemort zu zerstören wurde vergessen. Snape schluckte. Auch wenn er sich schon oft den Tod gewünscht hatte. So sollte es nun doch nicht sein. Er hatte sich seinen Abgang ganz anders vorgestellt. Heroischer. Du meine Güte. Das war ein Gryffindorgedanke. Wie kam denn der in seinen Kopf?

Snape sah auf den Rücken des Direktors, der gerade den Raum verließ. Dann straffte er die Schultern und ging hinterher. Er würde das durchstehen. Er war kein verdammter Gryffindor, der sich das Blaue vom Himmel wünschte. Er würde die Realität so sehen, wie sie war und sie akzeptieren. Ein Slytherin jammert nicht herum, sondern holt das Beste aus jeder Situation heraus. Er hatte es immer getan und er würde es weiterhin tun.

Dumbledore wartete bis Snape die Tür zum Unterrichtsraum geschlossen hatte.

Dann nahm er den jüngeren Mann beim Arm und sie gingen zur Treppe, die aus den Kerkern führte. Snape schluckte. Wahrscheinlich gingen sie in sein Büro, um die Einzelheiten zu besprechen.

Er atmete tief durch und akzeptierte sein Schicksal.

Dann aber begann Dumbledore zu sprechen.

"Wie geht es dir mein, Junge?"

Severus zog die Augenbrauen hoch. "Außergewöhnlich gut, Professor. Ich entschuldige mich dafür, dass ich verschlafen habe."

Dumbledore musterte ihn kurz. "Oh, mach dir darüber keine Gedanken."

Keine Gedanken? Er wurde gerade zum Schafott geführt und sollte sich keine Gedanken machen??? Na klar, weil es ohnehin bald vorbei war. ‚Severus, jetzt sei doch nicht so ein schrecklicher Angsthase', schalt er sich sogleich selbst.

Dumbledore war die Ruhe selbst und er mutierte zu einem Nervenbündel.

Wie untypisch für ihn.

Zu Severus' Überraschung schlugen sie nicht den Weg zu Dumbledores Büro ein, sondern gingen direkt auf die Eingangshalle zu.

Wo wollte Dumbledore denn mit ihm hin? Sollte er nachfragen? Nein, er würde schon merken, was mit ihm geschah. Severus hatte von je her das Talent sich in jede Situation einfügen zu können, solange sie nichts mit Tanzabenden, romantischen Anwandlungen oder Weihnachten zu tun hatte. Geburtstag hatte er auch nicht, Weihnachten war erst in einem guten Monat, ebenso der Weihnachtsball, und eine Frau, die ihm potentiell gefährlich werden könnte, war auch nicht auf Hogwarts zugegen, also würde er mit der Situation nicht überfordert werden und sie perfekt meistern können.

"Ich habe Remus gebeten, dir ein wenig Gesellschaft zu leisten", fing der Schulleiter an, als sie die Große Halle betraten und sein Blick auf den Werwolf fiel.

'Wobei?', dachte Snape mit verdüsterter Miene. 'Beim Sterben? Wie herzlich.' Als ob er gerade Lupin brauchte, wenn er aus der Welt schied. Die Flohschleuder konnte bei dem Schwanzjäger Black bleiben. Er arbeitete lieber allein. Er starb auch lieber allein.

Lupin und besagter Schwanzjäger saßen am Lehrertisch und beobachteten, wie die beiden Lehrer von Hogwarts näher traten. Na ja, Black saß eigentlich unter dem Tisch und knurrte vor sich hin.

Vor dem Werwolf türmten sich die köstlichsten Speisen. Die Hauselfen des Schlosses hatten sich mal wieder selbst übertroffen.

"Dann wünsche ich euch mal guten Appetit. Ich muss mich um eine Klasse kümmern." Dumbledore zwinkerte dem Werwolf zu und tätschelte seinem Zaubertränkemeister noch einmal auf die Schulter.

Snape sah verwundert zu dem Direktor, der die Große Halle bereits wieder verließ. Irgendetwas war doch hier faul? Es ging hier wohl doch nicht um seine Entlassung oder um ein Selbstmordkommando zu Voldemorts Schergen.

"Setz dich, Severus. Du hast bestimmt Hunger. Ich habe auch noch nicht gefrühstückt."

Frühstück????

Er sollte mit Lupin frühstücken? War er jetzt staatlich geprüfter Vorkoster, oder hatte das Ministerium Werwölfe für unfähig erklärt sich selbst die Gabel in den Mund zu stecken?

Misstrauisch beäugte er den Mann, ebenso wie den Hund, der ihn wie immer zähnefletschend beobachtete.

"Warum?" fragte er knapp.

"Schnuffel hat auch Hunger und es wäre doch nett Gesellschaft beim Frühstück zu haben." Lupin lächelte freundlich, als würde er im Leben nichts anderes zu tun haben, als mit Snape zu frühstücken.

"Schnuffel...", brummte er missbilligend und sah den Hund genauer an, der seine Freude am Frühstückstisch mit Snape zu sitzen ganz offensichtlich nicht mit Lupin teilte.

Für einen Moment wünschte er sich das weiche Fell des große schwarzen Hundes zu kraulen, und streckte seine Hand nach ihm aus. ‚Schnuffel' knurrte sehr sehr wütend und Snape zog die Hand schnell wieder zurück.

Hatte er gerade Sirius Black kraulen wollen???? Was war in ihn gefahren?

"Nun setz dich endlich", forderte ihn Lupin noch mal auf und diesmal setzte er sich wirklich. Er musste zugeben, dass er wirklich Hunger hatte und bevor noch irgendjemand eine dämliche Bemerkung über seine Essgewohnheiten machen konnte, die ihm garantiert den Appetit verdorben hätte, häufte er seinen Teller voll. Lupin schien sich beabsichtigt zurückzuhalten, irgendetwas in dieser Richtung zu sagen. Das war auch gut so.

Der Werwolf warf stattdessen ein Wurstbrötchen zu Black hinunter, der sich sofort darüber hermachte, als hätte er die letzten Wochen nichts mehr zu essen bekommen. Dabei wohnte der Ausbrecher von Askaban schon eine ganze Weile bei Lupin und fraß sich dort durch.

"Wie fühlst du dich heute morgen? Du hast bestimmt gut geschlafen, Sevvie", richtete Remus das Wort an ihn.

Severus zog irritiert die Augenbrauen hoch, wie schon so oft an diesem seltsamen Morgen.

Sevvie?

Hatte Remus sich am frühen Morgen betrunken? Wie kam der Mann dazu ihn Sevvie zu nennen und dann auch noch so unverschämt zu grinsen. In der Tat hatte Remus beinahe einen Lachanfall als er Snapes verblüfftes Gesicht sah. Der Hund bellte leise, was ebenso nach einem Kichern klang. Was sollte dieser Schwachsinn? Severus hatte keine Nerven für die Scherze der Gryffindors vor ihm und stand ärgerlich auf.

Das brauchte er sich nicht wirklich geben. Sie hatten in der Schulzeit mehr als genug von ihren Lästereien Gebrauch gemacht. Als Erwachsener musste er sich nicht damit herumärgern.

Snape stand auf um die Große Halle zu verlassen, aber Remus hielt ihn zurück.

"Bleib hier, Severus. Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so nennen sollen."

"Das fällt dir aber früh ein."

"Ich wusste nicht, ob das Mittel noch wirkt und gestern Abend hat es so gut zu dir gepasst."

Severus kniff argwöhnisch die Augen zusammen. Von was redete Lupin?

"Mittel?"

"Ja, das Zeug, das dir Poppy verabreicht hatte. Es hatte eine sehr nette Wirkung auf dich."

Poppy? Poppy hatte ihm etwas verabreicht? Eine schreckliche Ahnung durchfuhr ihn. Ein Mittel, dass ihn anders werden ließ? Das hörte sich nicht gut an, besonders wenn die Beschreibung ‚Sevvie' dann auf ihn passte. Nein, das hörte sich gewiss nicht gut an.

Severus starrte den Werwolf noch immer an, der sich das dämliche Lächeln nicht verkneifen konnte. Typisch rotgoldener Grinselöwe.

"Was für ein Mittel war denn das gewesen?" fragte er fast beiläufig nach.

"Albus sagte etwas von einem Psychopharmaka."

"Psychopharmaka????"

Severus hatte sich wieder hingesetzt und sprang nun erbost auf. Wie konnte sie nur? Diese Frau war eine Gefahr für die gesamte Zauberergesellschaft. Sie hatte ihm eines ihrer Hirnverblödungsmittel eingetrichtert??? Poppy rechtfertigte sich immer mit ihrer altbekannten Rede von Entspannung. In Wirklichkeit war es nur eine Möglichkeit ihr nichtsahnendes Gegenüber in einen rauschartigen Zustand zu versetzen, und dem man beliebig alles erzählen konnte. Wüsste das Ministerium wie gefährlich nahe diese magischen Psychopharmaka an Gedankenkontrolle herankamen, wären sie schon lange verboten. Dummerweise arbeiteten im Ministerium nur Idioten auf diesem Gebiet.

Nun gut, manchmal war es auch ganz gut so. So konnten sie ihm viele Dinge, die nicht legal waren, auch nicht nachweisen.
Er würde ein ernstes Wort mit der Krankenschwester reden müssen. Was der Frau einfiel ihm dieses Zeug zu geben. Wer wusste schon, worin sie es wieder hineingemischt hatte? Was hatte sie diesmal für eine Entschuldigung?

"Du sollst dich doch nicht aufregen, Severus", versuchte ihn Remus zu beruhigen. Aber Snape hatte keine Lust sich zu beruhigen.
Aufbrausend stürmte er aus der Halle. Ein wütendes Kläffen kam hinter ihm her und sobald er die Treppe erreicht hatte, zog ein großer schwarzer Hund an seinem Umhang.

"Lass los, Black, du blöder Köter. Reiße mir meine Robe nicht kaputt", knurrte Snape zurück, aber Schnuffel ließ nicht locker. Nun kam auch Remus aus der Halle gerannt.

"Wenn du nicht sofort meinen Umhang aus deinem Maul lässt, wedele ich mal kurz mit dem Zauberstab", zischte er nun leise, aber auch das schien Black nicht zu beeindrucken.

Snape zog den Zauberstab und richtete ihn auf den Hund. Das wollte er schon immer mal tun.

"Halt Severus, nein."

"Capellus dermitus", murmelte er wütend.

Doch nichts geschah. Der Hund behielt sein schwarzes Fell. So ein Ärger. Er dachte, dass der Enthaarungszauber zur Schafsscherung auch für Hunde geeignet war.

"Severus. Du kannst nicht!"

"Und wie ich kann. Ich habe mich von euch lange genug auf den Arm nehmen lassen!" gab er zornig zurück und hatte schon den nächsten Zauber gesprochen, der ohne Wirkung blieb. Verwirrt hielt er inne.

"Severus. Du kannst nicht zaubern", teilte ihm Lupin leise und behutsam mit, während er mit einer Hand den Zauberstab nahm und mit der anderen seine Schulter fasste.

"Was?"

Das Blut rauschte in Snapes Ohren und er konnte den Unsinn, den der Gryffindor von sich gegeben hatte, nicht glauben.

"Erinnerst du dich nicht? Deine Zauberkraft ist zur Zeit nicht... äh... aktiv."

Severus versuchte den Scherz in Lupins beigefarbenen Augen zu erkennen. Doch dieser sah ernst aus. Erschreckend ernst.

"Aber wie?"

"Erinnerst du dich nicht was gestern geschah?"

"Natürlich erinnere ich mich an gestern, ich bin doch nicht völlig verblödet. Ich hatte Unterricht und dann Besuch von Flitwick." Verärgert erinnerte er sich an das Gespräch mit dem kleinen Zauberer, der ihn so zusammengestaucht hatte. Am liebsten hätte er es vergessen.

"Dann brannte das Mal und ich... ich..." Severus dachte angestrengt nach.

Er war doch gestern appariert. Voldemort hatte gerufen und er war zum Wald gerannt und... er war zum Wald gerannt und... und... Moment mal. Er war nicht appariert. Er konnte es nicht und die Schmerzen wurden immer stärker. Und dann kamen Potter und Weasley und brachten ihn zurück zum Schloss. Dumbledore kam und dieser idiotische Weasley hatte die Tinte umgeschmissen und er hatte sie wegzaubern wollen, aber... es hatte nicht funktioniert.

Nie wieder zaubern.

"Ich kann dir nicht helfen, Severus..." Die Stimme der Krankenschwester hallte in seinen Ohren. Er hatte eine Überbeanspruchung des Gehirns. Der Cruciatus hatte seine Zauberkraft zerstört und Poppy hatte ihm gesagt, dass sie ihm nicht helfen konnte.

Snape riss entsetzt die Augen auf. Sein Blut pochte durch seine Adern und er vernahm die beruhigende Stimme des Werwolfs, die ihn aber ganz und gar nicht beruhigen konnte.

Merlin, er war ein Squib!!

Langsam glitt er an der Wand zu Boden. Remus stützte ihn bis er auf der untersten Stufe der Treppe zum ersten Stock saß.

"Severus?" Die zaghafte Stimme des Werwolfs kam durch den Nebel der sich um seinen Kopf gelegt hatte. Doch wirklich erreichen konnte sie ihn nicht.

'Squib, Squib, Squib, Squib, Squib!!!!!'

Etwas anderes konnte er nicht denken. Nur die schrecklichen Sätze, die er am Vortag gehört hatte unterbrachen seine eigenen Gedanken.

"Professor Snape ist ein Muggel... ich kann dir nicht helfen.... es tut mir leid... Heilung kann Jahre dauern... Manche erholen sich niemals wieder...niemals wieder... nie wieder Magie... Ich kann dir nicht helfen... ich kann dir nicht helfen.... Snape ist ein Muggel..."

"Komm schon, Sev. Steh auf, du kannst hier nicht auf dem Boden sitzen."

Blinzelnd schaute er den fürsorglichen Mann an, aber wirklich wahrnehmen konnte er Lupin nicht. Vor seinen Augen verschwamm alles und er kniff sie mehrmals zusammen. Das passierte nicht. Das war einfach alles nicht wahr!!!!!

Er spürte wieder die Kopfschmerzen, die ihm in den letzten Tagen so zu schaffen gemacht hatten.

'Squib, Squib, Squib... du bist ein Squib, nutzlos, ein nutzloser Fleischklumpen der Nahrung konsumiert... dich braucht niemand mehr.'

Er konnte nichts gegen die Stimmen in seinem Kopf tun, die ihn quälten, die ihn dazu bringen wollten aufzugeben, einfach alles aufzugeben.

Das war es.

Aufgeben.

Er wollte aufgeben, ohne Magie konnte er nicht einmal mehr den Kamin entzünden.

'Ich bin nutzlos...'

Es war ihm sogar nicht möglich eine Trank zu brauen, der ihn auf der Stelle töten könnte.

'Ich bin hilflos...'

In Gedanken ging er die Tränke durch, die er kannte. Die Informationen rasten durch seinen Kopf. Er konnte alles auswendig. Er war doch ein Meister der Zaubertränke. Doch was machte ein Meister der Zaubertränke, dessen Werke nicht mehr wirkten? Gab es da nichts?

Gab es da gar keinen Ausweg?

Allerdings gab es da keinen der auf Anhieb tötete, nur in langer Qual, mit langsamem Zerfall, aber das wollte er nicht. Er wollte gleich aufhören zu denken, bevor er auch nur anfing sich damit abzufinden, niemals wieder zaubern zu können.

"Severus, nicht denken!" schalt er sich.

Er wollte sich nicht damit abfinden. Sein Stolz war zu groß. Wie also? Wie konnte er dieser erbärmlichen Existenz ein Ende bereiten. So schnell wie möglich...

Hatte er nicht gerade noch gedacht, dass er nicht sterben wollte? Er wollte den Tod akzeptieren und die Konsequenzen ertragen, dass er nie seine Schuld würde begleichen können. Allerdings konnte er das ohne Zauberkraft nun gar nicht mehr tun. Vorhin hatte er sich noch insgeheim gewünscht weiter zu leben.

Vorhin war sterben eine Pflicht, die er erfüllen wollte, aber nicht wirklich ein Wunsch gewesen.

Nun, das war vorhin.

Jetzt ist jetzt.

Mit durchdringenden Augen sah er den Werwolf an. Würde er es tun? Würde er Severus zerfleischen? Vollmond war erst in zehn Tagen... Zu lange... Wer braute jetzt Remus den Wolfsbanntrank? Wie kam er jetzt darauf? Es war doch egal. Unwichtig... er hatte ihn früher auch nicht zu Verfügung gehabt. Der Mann sollte sich nicht so anstellen.

Was gab es noch? Der Turm, der höchste Turm Hogwarts. Er könnte hinunterspringen. Es wäre nur eine kurze Zeit um Angst zu haben. Dann könnte er schlafen und sich nicht weiter mit dem Gedanken herumärgern nicht mehr zaubern zu können.

Severus sprang auf und schwankte einen Moment. Die Kopfschmerzen waren stärker geworden, er ignorierte sie. Mit großem Kraftaufwand schmiss er den Werwolf von sich, der überrascht gegen die Wand knallte und ein ächzenden Schmerzenslaut von sich gab. Black kläffte irgendwas, aber Black war nicht jemand den man beachten musste.

Snape rannte los.

So schnell er konnte. Der Hund hinter ihm her, aber Severus konnte verhindern, dass Black ihn erwischte. So schnell ihn seine Beine trugen, war er zum Astronomieturm hinaufgestürmt.

Seine beschleunigte Atmung ignorierte er.
In ein paar Sekunden war es bedeutungslos, dass er außer Atem war. Er rannte zum Geländer und war blitzschnell darüber geklettert ohne noch einen Moment inne zu halten und sein Vorhaben zu überdenken, ohne Gewissensbisse oder die Unsicherheit, ob dass wirklich sein Begehren war, ob dies die Lösung seiner ganzen Probleme war, sprang er in die endlose Tiefe, dem Boden entgegen.

-to be continued-


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