Die Schwarze Rose 2

 

 

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Kapitel 3: Nasse Erde

 



Erzählt von Severus Snape

Ich pustete in meine klammen Hände, doch die Wärme meines Atems reichte nicht aus, um das Gefühl in die Finger zurückkehren zu lassen. Ein erneuter Windstoss brachte weitere Kälte mit sich und liess mich zittern. Mein Hemd klebte nass und dreckig an meinem Körper. Es war später Nachmittag und bereits brannten die Strassenlaternen. An solch verregneten Tagen wurde es eher dunkel und nur selten liess sich jemand auf der Strasse blicken.

"Natürlich", murmelte ich leise vor mich hin. "Wer will bei diesem verdammten Wetter auch raus?"

Mein Magen knurrte. Es war über 24 Stunden her, seit ich zuletzt etwas gegessen hatte, doch dies war nicht mein dringlichstes Problem. Die Lungenentzündung, die ich mir vor ein paar Monaten in Askaban zugezogen hatte, war nie richtig ausgeheilt und machte mir wieder zu schaffen. Ich spürte das verräterische Brennen in meiner Brust, wie es mit jedem Atemzug zunahm. Das waren wirklich wunderbare Aussichten.

Ich fühlte mich müde und setzte mich unter dem Vordach des Regierungsgebäudes auf die Stufen, die zur protzigen Eingangstür hoch führten. Um die Kälte ein wenig abzuhalten, zog ich die Beine an meinen Körper, schlang die Arme um meine Knie und liess den Kopf darauf sinken. Ziellos war ich heute durch Rouen gezogen auf der Suche nach einer Lösung für meine Lage. Mittellos, ohne Zauberstab, ohne weitere Kleidung und Nahrung. Ein Ausländer... zumindest beherrschte ich die Sprache. Es musste doch eine Möglichkeit geben...

"Monsieur?"

Ich blickte auf in ein paar unschuldige Kinderaugen, die mich neugierig ansahen. Das kleine Mädchen legte den Kopf schief.

"Du solltest deine Jacke anziehen, Monsieur. Omi sagt immer, dass man sich sonst erkältet, wenn man ohne Jacke rausgeht."

Meine Lippen kräuselten sich spöttisch. "Was du nicht sagst, Kleine. Darauf wäre ich allein nicht gekommen."

"Melanie!" rief eine ältere Frau hysterisch, als sie das Kind bei mir entdeckte. "Komm sofort hierher!" Das Mädchen drehte sich kurz um.

"Das ist meine Omi. Sie macht sich immer gleich Sorgen. Hast du auch eine Omi?"

Die ältere Frau rannte über die leere Strasse und hielt krampfhaft ihren Schirm umklammert. Einige graue Strähnen hatten sich unter ihrem geblümten Kopftuch hervorgestohlen und fielen ihr ins faltige Gesicht. Grob packte sie das Mädchen am Arm und riss es von mir zurück. "Komm weg von diesem Penner. Bist du verrückt? Was habe ich dir über Fremde und über das Weglaufen gesagt?"

"Aber-"

"Nichts aber! Komm jetzt, wir müssen nach hause!"

Hastig zog sie das Mädchen mit sich.

"Hey!" Ich erhob mich. "Ich bin kein PENNER!"

Die Frau drehte sich nicht mehr um, sie machte, dass sie weg kam. An der Ecke blickte das kleine Mädchen noch einmal zurück und winkte mir zu. Doch ich konnte mich nicht rühren. Sprachlos sah ich den Beiden nach. War ich das jetzt schon? Ein Penner? Was bildete sich diese Muggel eigentlich ein? Ich war Severus Snape, Tränkemeister von Hogwarts, der besten Schule für.... In meinen Gedanken hielt ich inne. Was war ich überhaupt? Wer war ich? Ich blickte an mir hinunter. "Ein Penner?" Was war überhaupt ein Penner?

Da ich eh nicht wusste, wohin ich gehen konnte, liess ich mich wieder auf die Stufe, auf der ich eben noch gesessen hatte, nieder und lauschte dem Regen. Zwischen den Windböen hörte ich den Gesang der Muggel in der Kirche gegenüber. Auch wenn ich diese Menschen verachtete, beneidete ich sie doch in diesem Moment. Sie hatten es warm und trocken, mussten sich nicht in der Hoffnung, ein wenig Schutz vor dem Wetter zu finden, unter ein Vordach quetschen und sich anstarren und beschimpfen lassen.


Erzählt von Muriel Stern

Einsam und still lag der Friedhof auf der hinteren Seite von Hogwarts in der Nähe des Waldrands. Eine nicht allzu hohe Bruchsteinmauer umgab den kleinen Flecken Land und ein schmiedeisernes Tor hielt ungebetene Besucher ab. Kurz blieb ich stehen und atmete tief durch. Der Gang, der vor mir lag, war nicht gerade leicht und doch hatte ich Remus beim Schloss zurück gelassen. Ich musste dies hier allein durchstehen. Und was ich zu sagen hatte, ging Remus oder sonst wen nichts an. Es betraf ausschliesslich Severus und mich.

Mit einem leisen Quietschen liess sich das Tor öffnen. Langsam ging ich über den Kiesweg zwischen Bäumen, Sträuchern und den ersten Frühlingsblumen hindurch. Das Gras war bereits herrlich grün. Man hätte das Stückchen Erde für einen Garten halten können, wären da nicht ab und zu Grabsteine mitten im Gras gewesen, die die Idylle unterbrachen. Einige waren schon sehr alt und verwittert, so dass die Schrift kaum mehr auszumachen war. Teilweise waren sie auch über und über mit Moos bewachsen.

Der kühle Wind, der ausserhalb der Mauer noch unbarmherzig an meinem Umhang gerissen hatte, schien ausgesperrt zu sein. Es herrschte Ruhe und Frieden. Und doch... mein Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Hände waren kalt und nur langsam näherte ich mich der nordöstlichen Mauer, an der, gemäss Dumbledore, Severus liegen sollte. Doch wie so oft, wenn man sich einen Weg lang wünschte, wurde er um so kürzer. Schneller als mir lieb war, entdeckte ich Severus' Grab.

Es lag direkt an der Mauer... allein. Anstelle eines Grabsteins bezeichnete jedoch nur ein hölzernes Kreuz die Stelle. Und ausser eines relativ frisch aussehenden Blumenstrausses, der in einer Erdvase steckte, fehlte jeglicher Grabschmuck.

Zögernd blieb ich stehen. Ich spürte schmerzhaft den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, und biss mir auf die Lippen. Nun, da ich an Severus' Grab stand, brannte die Scham in mir noch heisser. Langsam liess ich mich vor dem Kreuz auf die Knie sinken. Ich atmete tief durch und riss mich zusammen.

"Hi", flüsterte ich. "Ich weiss, dass du mich vielleicht nicht hier haben willst... oder... oder ich bin mir sogar sicher, dass du das nicht möchtest, aber es gibt da ein paar Dinge, die ich dir sagen wollte. Ich weiss, es ist jetzt zwar spät, aber... besser spät, als nie, oder?" Ich brachte ein trockenes Lachen zustanden.

"Verzeih mir, Severus! Bitte! Es tut mir so leid, was alles passiert ist. Wenn ich könnte, dann würde ich es ungeschehen machen... alles ungeschehen...."

Die Tränen liefen mir übers Gesicht, während ich nach Worten suchte, um zu beschreiben, was ich fühlte.

"Es ist nicht fair, nicht fair, dass ich lebe, während du.... Du warst ein grossartiger Mensch und ich weiss, dass ich so jemanden wie dich nicht verdient hatte. Du hast mir damals geholfen, als ich Hilfe so dringend nötig gehabt hatte. Ich weiss, dass es unverzeihlich ist, was ich getan habe.... Mit dir ist das Licht aus meinem Leben verschwunden. Ich weiss nicht, wie ich ohne dich klarkommen soll. Und doch bin ich es, die dich.... ins Grab gebracht hat. Verzeih mir, mein Herz."

Hemmungslos schluchzend sank ich über dem Grab zusammen und grub meine Hände in die nasse Erde. "Komm zurück, Severus! Bitte komm zurück!" Warum hörte er mich nicht? Warum nicht?

Plötzlich spürte ich, wie mich jemand bei den Schultern packte und auf die Beine zog. Verzweifelt klammerte ich mich an die grössere Person und verbarg mein Gesicht in den weichen Falten ihres Umhangs. Rasch erkannte ich das herbe Aftershave. "Remus?" flüsterte ich mit gebrochener Stimme.

"Schhhh, Sternchen", sagte er sanft und strich tröstend über meinen Kopf. "Alles wird gut." Er legte seinen Arm um mich und führte mich langsam vom Grab weg Richtung Schloss.


Erzählt von Albus Dumbledore

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Minerva klebte noch immer an meinem Fenster und starrte hinaus. Ihre ganze Haltung zeugte davon, wie angespannt sie war. Ich strich mir über den langen weissen Bart und dachte über die Zwickmühle nach, in der ich mich befand.

Da draussen trauerte eine junge Frau um einen Toten, den es nicht gab und hier drin hatte ich es mit einer fauchenden Furie zu tun, die am liebsten die junge Frau umgebracht hätte, um einen Tod zu rächen, der nie stattgefunden hatte. Und ich war der Einzige, der davon wusste, aber zum Schweigen verurteilt war.

"Warum lässt du das zu, Albus?" fragte Minerva schon zum wohl zwanzigsten Mal. "Sie hat kein Recht dort zu sein."

Ich erhob mich und ging zu ihr hinüber. Sanft legte ich meine Hand auf ihre Schulter und blickte ebenfalls hinaus auf das Hogwartsgelände. Etwas weiter draussen erkannte man den Friedhof. Minerva starrte die ganze Zeit auf das Eingangstor und erwartete, dass Muriel Stern endlich da raus kam. Ich atmete tief durch.

"Minerva, bitte. Mach es nicht schlimmer als es ist. Versuche sie zu verstehen. Sie hat ihn geliebt, auch wenn du das nicht wahrhaben willst."

Mit grossen Augen drehte sich Minerva zu mir um und sah mich ungläubig an. "Nicht wahrhaben willst?" Sie schüttelte den Kopf. "Was ist nur los mit dir, Albus? Sie hat ihn auf dem Gewissen und das ist bei Merlin kein Geheimnis. Sie hat ihn hintergangen, ihn ausgenutzt und verraten. Er hat ihr vertraut. Endlich mal hat er einem Menschen vertraut und was tut sie?" Mit einer heftigen Bewegung wies Minerva in Richtung Friedhof.

"Sie leidet darunter, glaub mir. Sie hat ihren Fehler erkannt."

"Natürlich! Aber sicher doch! Sie hat gebüsst und nun ist alles wieder in bester Ordnung, nicht wahr?"

"Sarkasmus steht dir nicht, Minerva", entgegnete ich. "In Ordnung ist es nicht. Aber sie hat bereut, was sie getan hat - bitter bereut. Und wenn du siehst, was ihr Severus angetan hat, noch bevor sie ihn gekannt hat.... Er war kein Unschuldslamm."

"Aber auf unserer Seite!"

"Trotzdem waren es Menschen, die sie geliebt hat, die Severus ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht hat."

"Er hat es für eine gute Sache getan. Er hat damit das Leben vieler gerettet. Das muss sie doch verstanden haben. Vor allem wenn sie ihn so sehr geliebt hat, wie immer behauptet wird. Dann hätte sie erst recht nicht so handeln dürfen." Minerva schäumte vor Zorn.

"Wie hättest du an ihrer Stelle reagiert, wenn du erfahren hättest, dass er deinen Halbbruder getötet hat?"

Plötzlich war ihr Zorn wie weggewischt. An seine Stelle trat ein Ausdruck schierer Verblüffung. "Ihr Halbbruder?"

Ich nickte. "Ja. Ich habe auch erst vor kurzer Zeit erfahren, dass der eine der beiden Auroren, die damals umgebracht worden sind, Muriels Halbbruder gewesen war. Sie hatten laut einigen Aussagen ein sehr enges Verhältnis, haben oft etwas zusammen unternommen. Nun also frage ich dich nochmals. Wie hättest du an ihrer Stelle entschieden? Hätte der kühle Verstand über die hochkochenden Gefühle gesiegt? Oder hättest du ebenfalls Rache genommen, ohne lange über Wenn und Aber nachzudenken?"

Minerva senkten den Kopf und liess sich in einen Sessel nahe des Feuers sinken. Sie schien auf einmal viel älter zu sein, als sie es eigentlich war. Ihre straffe Körperhaltung sank in sich zusammen.

"Tee?"

Sie nickte nur.


Erzählt von Lucius Malfoy

Der Mond war leer, die Nacht stockfinster. Der Regen durchnässte uns schon in den ersten Minuten und der kalte Wind riss heftig an unseren Umhängen. Mit einer knappen Bewegung bedeutete ich meinen Begleitern stehen zu bleiben. Geduckt rannte ich auf die Mauer, die den kleinen Friedhof von Hogwarts umgab, zu. Rasch sah ich mich um. Nichts.

"Los kommt!" rief ich gedämpft und winkte in Richtung Verbotenem Wald. Keuchend presste ich mich an die kalt-feuchte Friedhofsmauer und beobachtete die Umgebung. Still und dunkel lag das Schloss vor mir. Summers und Goyle huschten auf mich zu. "Alles ruhig?" flüsterte Summers, ich nickte. Und weiter ging's, die Mauer entlang bis zum schmiedeisernen Tor.

Sachte drückte ich die Klinke hinunter und sogleich gab das Tor leise quietschend nach. Langsam und vorsichtig bewegten wir uns auf dem Kiesweg. Die Konturen der Bäume und Sträucher waren kaum auszumachen und nur das Knirschen des Kieses unter unseren Füssen belegte, dass wir noch auf dem Weg gingen. Doch allzu früh wollte ich kein Licht riskieren. Die Mission durfte nicht scheitern, dafür war sie zu wichtig. Und nicht zuletzt befanden wir uns hier innerhalb des Apparationsschutzes. Ein rasches Verschwinden war ausgeschlossen.

Plötzlich hörte ich einen dumpfen Schlag und hielt sofort inne. "Was war das?"

"Verflucht!" vernahm ich Goyle's gedämpfte Stimme. "Verdammter Grabstein."

"Pass doch auf, Idiot!" Ich schüttelte den Kopf. Warum musste ich bloss diesen Dummkopf mitnehmen. "Weiter!"

"Ich fürchte mich auf Friedhöfen im Dunkeln", hörte ich Goyle Summers zuflüstern. "Du hast recht Goyle", gab Summers gewichtig zurück. "Man weiss nie, wann eine Hand blitzschnell aus der Erde auftaucht und einen runterzieht, direkt in das Fegefeuer der Hölle." Goyle schrie erschreckt auf. Wütend wirbelte ich herum und packte die Beiden an ihren Umhängen. "Sei nicht so kindisch, Goyle und du, Summers! Verschon uns mit deinen Geistergeschichten! Wir haben zu arbeiten! Kapiert?" Goyle schluckte hörbar und Summers murmelte: "Ja, Sir! Verzeihung!"

Genervt verdrehte ich die Augen und setzte die Schleicherei fort. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir die nordöstliche Mauer. "Halt! Hier muss es irgendwo sein." Ich holte die kleine Sturmlaterne aus meinem Umhang und entzündete den Docht.

Im flackernden Schein erkannte ich einige Gräber, doch nur eines davon schien frisch zu sein. Ich trat näher und hob die Laterne ein wenig höher, so dass der Schriftzug auf dem einfachen Kreuz erhellt wurde.

Die weißen Lettern hoben sich scharf vom dunklen Holz ab. "Hier ruht Severus Snape, Hauslehrer von Slytherin." Also waren wir doch richtig. "Danke, Draco."

Mit einem zufriedenen Grinsen stellte ich die Laterne neben das Grab. "So sieht man sich wieder, alter Freund. Zu schade, dass du zu Lebzeiten nicht erkannt hast, auf welche Seite du wirklich gehörst." Angewidert liess ich den Blick über das karge Grab gleiten. "Sieh dir das an. Du warst ihnen nicht mehr wert, als ein schäbiges Kreuz und kaum Grabschmuck." Mit einem Ruck riss ich das Kreuz aus dem weichen Boden und warf es achtlos beiseite. Dann bückte ich mich und hob den Blumenstrauss aus der Erdvase. "Die Blumen riechen ja nicht mal. Wie jämmerlich." Ebenso gleichgültig warf ich sie neben das Kreuz und kniete mich am Grab nieder. "Du warst schon immer ein verblendeter Narr, Severus. Ich wusste nie, was du an Dumbledore findest und nun sieh dir das an? Ein trostloseres Ende kann man sich kaum vorstellen. Und das bei einem so cleveren und talentierten Zauberer wie dir...." Ich grub meine Hand in die nasse Erde und verzog angewidert das Gesicht. "Haben dich die Würmer bereits aufgefressen? Oder haben sie dich vielleicht sogar wieder ausgekotzt, weil ihnen schlecht geworden ist? Ich könnte es ihnen nicht verdenken. Aber um sicher zu gehen, werden wir dann wohl nachsehen...." Ein fieses Lächeln umspielte meinen Mund, als ich mich erhob.

"Los, buddelt ihn aus!"

"Aye, Chef." Summers schwang seinen Spaten und rammte ihn in die nasse Erde. Goyle zögerte noch. "Ich weiss nicht, Lucius... Er ist tot. Warum willst du unbedingt, dass wir ihn aus-"
"Tu, was ich dir sage, Goyle! Oder du wirst bald selbst rausfinden wie es sich anfühlt, von Würmern aufgefressen zu werden." Goyle schauderte, griff aber ebenfalls nach seinem Spaten und half Summers. Zufrieden mit mir lehnte ich mich lässig gegen die feuchte Friedhofsmauer und zündete mir eine Zigarette an.

TBC...

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Angel / 23.11.03

 

 

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