Die Schwarze Rose 2

 

 

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Kapitel 5: Verdi

 



Erzählt von Duncan O'Connor

Mit einem zufriedenen Lächeln schob ich meinen Regenhut in den Nacken. Jetzt hatte ich mir eine Havanna verdient. Mit einer geübten Bewegung zog ich die Zigarre aus der Innentasche meines Mantels, riss ein Zündholz an und hielt es an den wohlriechenden Tabak. Genüsslich paffte ich vor mich hin. Leider zerstoben die fröhlichen Rauchkringel, bevor ich mich daran erfreuen konnte. Der Wind hatte aber auch gar keine Achtung vor einer Havanna.

Doch ich liess mir meine Stimmung dadurch nicht dämpfen. Der heutige Tag war noch um einiges besser verlaufen, als ich es mir ausgemalt hatte. Mein Auftraggeber würde sicherlich vollumfänglich zufrieden sein, wenn er meinen Bericht zu hören bekam.

Erst die Sache mit dem alten Pensionsehepaar - ach, was waren das doch für zwei rechtschaffene Muggel gewesen. Und vor allem so kooperativ - und dann der Pfarrer. Schade nur, dass ich auf der Empore nicht genau alles hatte mitverfolgen können. Hätte sich Snape doch nur ein paar Reihen weiter vorne hingesetzt, dann - aber trotzdem. Es war wunderbar gewesen.

Ich schloss die Augen und liess den Rauch genüsslich aus meinem Mund in den Nachthimmel steigen.

Diese Müdigkeit, dieses Kratzen in der sonst immer so arrogant-samtenen Stimme Snapes hatte mir ja so gut getan. Malfoy hatte recht gehabt. Es machte mir Spass ein wenig acht auf Severus Snape zu geben. Und wie ich auf ihn acht gab.

Leise lachte ich vor mich hin, hob die Zigarre erneut und liess die Glut hell aufglimmen.

Aber der absolute Oberhammer waren die beiden nichts ahnenden Streifenpolizisten gewesen, die zufälligerweise hier vorbeikommen waren. Die hatten wirklich noch zu meinem Glück gefehlt gehabt. Wie einfach liessen sich doch Muggel manipulieren. Ein kleiner Imperius da, ein kleiner Gedächtniszauber dort.... nichts grosses und doch so effektiv.

"Tja, Severus", flüsterte ich, während ich mir die Glut meiner Zigarre genau betrachtete, "wenn du wüsstest...

Dann wärst du bereits tot", meldete sich sofort die kleine ekelhafte Stimme in meinem Hinterkopf und ohne dass ich es wollte, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Rasch blickte ich mich um. Nichts. So schlug ich den Kragen meines Mantels hoch, zog den Regenhut tief ins Gesicht und machte, dass ich weg kam. Für heute hatte ich eh genug getan. Mein Feierabend war mehr als verdient.


Erzählt von Lucius Malfoy

"Wie Ihr befohlen habt, Herr." Demütig kniete ich mich vor meinen Meister und küsste den Saum seines Umhangs. Goyle und Summers taten es mir gleich.

"Wohl seid ihr zurück, meine Todesser. Doch jetzt will ich wissen, was ihr mir da stinkendes mitgebracht habt!" Der glatte Stoff von Voldemorts Umhang strich mit einem leichten Schleifgeräusch über den Boden. Ich erhob mich und trat wie die anderen zurück in den Kreis.

Mit rotglühendem Blick umrundete der dunkle Lord den Sarg, der mitten im Raum stand.

Seit Severus' schändlichem Verrat an unserer Organisation und dem Totalverlust der Festung trafen wir uns derzeit in den unteren Stockwerken von Malfoy Manor. Ich war stolz auf meine Kerker und fühlte mich geehrt, dass ich den dunklen Lord ab und zu hier beherbergen konnte. Als neue Rechte Hand des Lords stand mir dieses Privileg auch ohne Zweifel zu. Ich konnte nicht mehr zählen wie viele Jahre ich auf den Augenblick gewartet hatte, Sevs Platz an der Seite des dunklen Lords einzunehmen. Ich hatte lange alles unternommen, um Severus der Gunst des Lords zu berauben, doch erst durch seine eigene törichte Handlung war es mir gelungen. Ich spürte, wie sich der alte Groll, den ich in den letzten Jahren gegen Severus gehegt hatte, wieder meiner bemächtigte. Doch ich drängte ihn zurück. Noch war nicht endgültig bewiesen, dass Severus noch lebte und solange dies nicht sicher war, wollte ich nicht allzu sehr an ihn denken.

Sachte, fast sanft liess der dunkle Lord seine langen dürren Finger über den teilweise zersplitterten Sargdeckel gleiten. Ein träumerischer Ausdruck hatte sich derweil auf sein unmenschliches Gesicht geschlichen.

Mit einer ruckartigen Bewegung stiess der Lord den Deckel vollkommen vom Sarg. Unnatürlich laut hallte das Geräusch des auf den Boden knallenden Deckels durch die gewölbten Korridore des Kerkers. Ausnahmslos wichen die Todesser instinktiv einen Schritt zurück.

Der Gestank, der nun vollends die Kelleräume von Malfoy Manor erfüllte, liess einige Anwesende würgen. Ein junger Todesser übergab sich heftig in der hinteren Ecke. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Dieser verdammte Weichling! Kotzte der doch tatsächlich in meinen Kerker.

"So, so...", flüsterte der Lord kaum hörbar. "Es reichte dir also nicht, mir während deiner Lebzeiten Schwierigkeiten zu bereiten, Severus. Jetzt tust du das auch noch im Tod?"

Er blickte mit angewidertem Gesichtsausdruck in den Sarg. "Also besser hast du mit Sicherheit schon mal ausgesehen, das muss ich zugeben." Der Lord schnippte kurz mit den Fingern und Wurmschwanz hechelte an seine Seite.

"Hier mein Meister!" Er hielt Voldemort ein Tablett hin, auf welchem eine Phiole mit kristallklarer Flüssigkeit direkt neben einer kleinen Glasschale mit dunkelgrünem Pulver stand.

Der dunkle Lord breitete seine Arme aus und schloss die Augen.

"Ich, Lord Voldemort, rufe euch an, ihr Mächte der Finsternis! Seid mir zu Diensten! Enthüllt die Identität dieses Unseligen, der bereits in dunkler Erde lag!" Er richtete seinen Blick auf den Sarg: "Non nominatus!"

Er griff mit spitzen Fingern in die Dose liess zwei Prisen Pulver in den geöffneten Sarg rieseln.

"Pegrite!"

Er hob die Phiole, zog den kleinen Korken aus der Flasche und liess zwei Tropfen der Flüssigkeit dem Pulver folgen.

Der Lord zog seinen Zauberstab, richtete ihn auf den Sarg: "Erhebt Euch und enthüllt die Identität. JETZT!"

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Die Flammen in den Tongefässen begannen zu flackern. Zwei davon gingen aus. Ein eisiger Windstoss heulte durch den Kerker und verursachte mir eine Gänsehaut.

Der Luftzug wirbelte nun um den Sarg, immer wilder und wilder. Ein seltsames rötliches Glühen umgab plötzlich das zersplitterte Holz und eine riesige Blase stieg daraus herauf.

Ein grauer Nebel wabberte durch das Gebilde. Erdrückende Stille senkte sich über uns. Nur ab und zu knackte ein Holzscheit im Kamin. Langsam begann sich der Nebel zu lichten. Ein Mann erschien. Gross, schlank, lange fettige Haare, eine Hakennase... Severus. Ich spürte, wie der Zorn in mir hoch kochte. Duncan O'Connor hatte mich also angelogen und ich Idiot war drauf reingefallen. Severus war also doch tot - da wechselte das Bild in der Blase. Der Mann veränderte sich. Seine Gesichtszüge wurden sanfter, die Nase kleiner, die Haare kürzer....

Die Todesser sogen scharf die Luft ein. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Ich hatte es zwar gewusst, doch nun, wo ich es mit eigenen Augen sehen konnte, war es trotzdem wie ein Schlag in die Magengrube. Severus hatte uns alle ausgetrickst....

Der dunkle Lord heulte auf vor Wut und Enttäuschung. Auch er hatte nicht damit gerechnet, dass der Verräter noch am Leben war. Severus hatte uns arglistig getäuscht. Einen jungen, erst kürzlich den Todessern beigetretenen Zauberer getötet und uns wirksam glauben gemacht, dass er der Getötete war.

"Ich muss zugeben, dass ich dich wohl unterschätzt habe, Severus", zischelte der Lord. "Du bist ein gerissener Hund. Doch auch das wird dich nicht mehr retten. Diesmal bist du fällig!" Er wandte den Kopf. "Malfoy! Nimm Kontakt mit deinem Informanten auf. Ich will ihn sprechen! Sofort!"


Erzählt von Severus Snape

"Weg von mir!" brachte ich heiser hervor und stiess die Hände, die sich an mir zu schaffen gemacht hatten beiseite. Rasch rutschte ich ein paar Meter weg, stiess gegen einen Baum und rappelte mich auf. Sofort begann sich meine Wahrnehmung zu verzerren und die Umgebung verschwamm.

"Vorsicht!", und wieder waren diese Hände da. Unsanft entwand ich mich dem Griff.

"Hände weg, sagte ich!" Mein Kopf dröhnte wie verrückt und es dauerte einen Moment, bis ich den Mann erkannte, der unweit neben mir stand und mich mit wässerigen Augen musterte.

"Dich haben sie ja ganz schön erwischt", meinte dieser lapidar. "Polizei ist nie gut. Die verstehen uns Penner einfach nicht."

"Ich bin kein Penner!"

"So?" fragte der Kerl und fuhr sich über den struppigen grauen Bart. "Jetzt wo du das sagst, fällt mir das auch auf."

"Geht doch", dachte ich bei mir und versuchte die Übelkeit zu unterdrücken, die sich mittlerweile anschickte, meinen Magen umzudrehen.

"Ein Penner wäre nicht so dämlich, ohne Jacke, Mantel oder sonst was, was den Regen und die Kälte abhält, hier rumzuspazieren."

"Du Penner nennst mich dämlich?" Ich spürte, wie die Zornesader auf meiner Stirn anschwoll. Nach alldem, was dieser Tag schon für mich bereitgehalten hatte, war diese Diskussion eindeutig zuviel.

"Wie würdest du das nennen, wenn jemand so angezogen wie du es gerade bist, bei diesem Mistwetter hier draussen rumliegt?"

"Pech? Schon mal daran gedacht?"

"Oh, na dann komm, Pechvogel." Der Penner humpelte ein paar Schritte davon, drehte sich nochmals um und winkte mir zu. "Komm schon, ich will nicht die ganze Nacht hier im Regen rumstehen."

Meine innere Stimme riet mir, mich nicht mit dem Kerl einzulassen. Doch wenn ich ehrlich zu mir war, dann hatte ich nicht wirklich eine Wahl. Was für Alternativen blieben mir, wenn ich mich weigerte? Nein, ich hatte keine Wahl.

Mit noch immer etwas weichen Knien folgte ich dem Penner. Bald hatte ich keine Ahnung mehr, wie lange wir schon unterwegs waren. Der Regen und die Kälte spürte ich nicht mehr. Die grauen Häuserreihen wurden von Querstrasse zu Querstrasse schäbiger.

Die spärlichen Strassenlaternen warfen ein gespenstisches Licht auf die wilden Malereien an den Häusern. Zeichen, in schwarzer Farbe, die ich nicht zu deuten vermochte.

Keuchend blieb ich stehen und lehnte mich schwer gegen die Bretterwand, die eine Bauruine von der Strasse abgrenzte. Das Luftholen fiel mir zusehends schwerer und meine Beine wollten nicht mehr.

"Hey, du machst mir doch jetzt nicht schlapp, oder? Pechvögelchen?"

Ich blickte auf, in das bärtige Gesicht des Fremden.

"Du siehst verdammt scheisse aus, weißt du das?" Er strich mir die Haare aus dem Gesicht. Normalerweise hätte ich das niemals zugelassen, doch ich befürchtete einfach umzukippen, wenn ich jetzt auch nur eine Hand von der Bretterwand nahm. "Du glühst... das ist schlecht. Ist echt nicht dein Tag, hmmm?"

Ich schüttelte nur knapp den Kopf.

"Komm", sagte der ältere Mann sanft, fasste meinen Arm mit festem Griff. "Wir sind gleich da, dann kannst du dich ausruhen."

Widerwillig liess ich die Bretterwand los und liess mich von ihm weiterschleppen. Nach einer Zeit, die mir wie die Ewigkeit vorkam, erreichten wir eine Brücke. Ich hob den Kopf und blickte mich um.

Unter der Brücke war es einigermassen trocken. Doch es schien, als hätten sich alle verlorenen Seelen der Stadt hier versammelt. Fünfzehn, vielleicht zwanzig Penner standen oder hockten dort herum. Zwischen ihnen standen alte Ölfässer, in denen Feuer brannten.

Wie befürchtet trat einer der Männer vor. Er war dreckig und zerlumpt, wie der Rest, doch seine Stimme klang jung und kräftig. "Wen schleppst du da an, Verdi?"

"Jemand der unsere Hilfe braucht."

"Oh, war der barmherzige Samariter wieder mal auf Streifzug?"

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Das schien irgendwie nicht so gut zu laufen. "Hör zu... ", brachte ich heiser zu dem Penner hervor, der mich hergebracht hatte, "ich will dir keinen Ärger..."

"Schh!" befahl mir Verdi zu schweigen und richtete sich etwas weiter auf. "Was ich tue oder wen ich mitbringe, geht dich herzlich wenig an, Jean-Pierre."

"Oh, da irrst du dich aber gewaltig... Hey, ist der Kerl krank? Schleppst du uns sogar die Pest hier an?"

"Verzieh dich Jean-Pierre. Oder muss ich dich erst daran erinnern, wer sich deiner angenommen und dich hier untergebracht hat? Damals als du zuhause rausgeworfen wurdest?"

In den Augen des jungen Mannes flackerte wilder Zorn auf, doch er trat einen Schritt zurück.

Verdi setzte sich mit mir in Bewegung. Als wir jedoch den jungen Mann passierten, trat dieser vor mich hin. Er musterte mich mit kalten Augen. "Pass gut auf, während du hier bist. Wäre verdammt schade, wenn du morgen mit durchgeschnittener Kehle aufwachst."

"Jetzt reicht's!" zischte Verdi.

Jean-Pierre warf ihm einen vernichtenden Blick zu, wandte sich um und verliess den Schutz der Brücke.

Die anderen Penner, die während der lautstarken Diskussion still geworden waren und die Szene beobachtet hatten, wandten sich wieder ihren Beschäftigungen zu. Zwei würfelten um Zigarettenstummel. Drei standen zusammen bei einem der Ölfässer und wärmten sich die Hände... Einige sassen auf dem Boden und erzählten sich Geschichten. Während andere in Zeitungen gehüllt auf dem Boden lagen und zu schlafen schienen.

Am ersten Pfeiler liess mich Verdi zu Boden gleiten. Abermals schüttelte mich ein Hustenanfall. Meine Brust schmerzte und ich versuchte den Hustenreiz zu unterdrücken, doch ohne grossen Erfolg.

"Hier." Verdi hielt mir einen Becher hin. "Ist nur Wasser, aber vielleicht hilft's ein wenig." Dankbar griff ich danach und trank einen kleinen Schluck. Mein gereizter Hals beruhigte sich ein wenig, so dass sich der Husten legte und ich wieder durchatmen konnte. Verdi nickte und ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er wandte sich um und verschwand kurz hinter dem Pfeiler. Mit einer löchrigen Decke in den Händen kam er zurück und legte sie mir um die Schultern.

"Das ... das kann ich nicht annehmen..."

Verdi legte mir seine schwielige Hand auf die Schulter. "Nimm sie, du brauchst sie diese Nacht nötiger als ich."

Ich senkte den Kopf, die nassen Haare fielen mir ins Gesicht und ich schämte mich. Ich schämte mich dafür, dass ich hier sass, ohne jegliche Mittel. Ich schämte mich dafür, dass ich nie auch nur einen Gedanken an Leute wie Verdi verschwendet hatte. Leute, die nichts weiter besassen, ausser der Kleidung, die sie am Leib trugen und ein paar alte zerlumpte Decken.

"Warum tust du das?"

"Tue ich was?" Verdi war dabei einige Zeitungen auszubreiten und liess sich neben mir nieder.

"Warum hast du mich hier her gebracht? Warum hast du mich nicht einfach draussen im Regen liegen lassen?", fragend sah ich den alternden Penner an.

Lange sah er mich schweigend an. Dann schüttelte er leicht den Kopf. "Du solltest jetzt besser schlafen. Ruh dich aus." Damit erhob er sich und gesellte sich zu der Gruppe Penner, die sich um ein Ölfass versammelt hatte. Er hielt seine Hände über das Feuer und wärmte sich daran.

Stirnrunzelnd beobachtete ich ihn noch eine Weile, bis ich bemerkte, dass mir die Augen zufielen. Die Erde war hart und staubig, doch es war trocken und so zog ich die Decke enger um mich und versuchte ein wenig zu schlafen.

~*~*~*~

TBC

Angel 1291 / 15.12.2003
 

 

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