Die Schwarze Rose 2

 

 

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Kapitel 8: Der Orden des Phönix

 



Erzählt von Verdi

"Scheisse!" Ich packte den jungen Mann bei den Schultern. "Komm schon! Nicht einschlafen!"

"Verdammt! Er verliert das Bewusstsein, Verdi!"

"Das sehe ich auch!" Resigniert liess ich mich zurück auf den staubigen Boden fallen.

Jean-Pierre befühlte seine Stirn und sah mich ernst an. "Er glüht. Hör zu, Verdi. Ich habe dich gewarnt, als du ihn letzte Nacht hierher gebracht hast. Ich wusste, dass er uns nichts als Ärger bringen würde. Aber du konntest ja nicht anders, als ihn hier anzuschleppen. Mein Gott. Der bringt womöglich eine ansteckende Krankheit mit." Jean-Pierre fuhr sich über die stoppeligen Wangen. "So eine Scheisse!"

Ich senkte schuldbewusst den Kopf. Jean-Pierre hatte ja recht. Ich hatte aus Mitleid diesen fremden jungen Mann hierher gebracht. Was wusste ich alter Narr schon?

"Was haben wir denn da?"

Mein Blick suchte das Gesicht von Jean-Pierre. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet. Er ging in die Knie und hob etwas auf.

"Schlimmer als eine ansteckende Krankheit!"

"Was?" fragte ich etwas verwirrt.

"Das da!" Jean-Pierre kam zu mir herüber und liess sich neben mir nieder. Mit Abscheu hielt er mir das Fundstück entgegen – eine gebrauchte Spritze.

"Verdammt!" Ich wischte mir über die Augen. "Da wird mir einiges klar." Jean-Pierres fragender Blick bohrte sich in meine Seite. "Als ich gestern Abend an der Kirche des heiligen Michaels vorbei kam beobachtete ich, wie ihn zwei Polizisten nicht gerade sanft aus der Kirche schleiften und ihn die Treppe hinunterwarfen. Ich verbarg mich im Schatten der Bäume. Leider konnte ich nicht hören, was sie zu ihm sagten. Sie liessen ihn einfach verletzt im Regen liegen. In dem Moment sah es für mich aus, als ob die Polizisten einen Schutzsuchenden ohne Grund angegriffen und aus der Kirche geworfen hatten."

"Oh Verdi...", murmelte Jean-Pierre. Er legte tröstend einen Arm um meine Schultern.

"Es war wie damals. Wie ein Dejà-vù."

Meine Mutter war an einer Lungenentzündung gestorben, als ich sechs Jahre alt war. Bis dahin hatten wir ein gutes Leben geführt. Mein Vater war Hafenarbeiter gewesen, meine Mutter verdiente als Näherin etwas dazu. Auch wenn wir in einem nicht gerade noblen Viertel in der Nähe des Hafens wohnten, war ich glücklich. Ich hatte Freunde, mit denen ich draussen spielen konnte. Meine Mutter war eine liebenswürdige Frau gewesen. Sie hatte mich geliebt. Mein Vater war, wenn er zuhause war, meist müde. Er sass in seinem Lieblingssessel und hielt eine Flasche Bier in den Händen. Dann durfte ich nicht stören und meine Mutter war stets darauf bedacht, dass ich in mein Zimmer ging und ruhig war. Sie hatte mir erklärt, dass Vater hart arbeitete und sich Ruhe verdient hatte. Sie drehte den Schlüssel im Schloss um, damit ich drin blieb. Erst später hatte ich begriffen, dass sie mich damit schützen wollte – dass sie nicht wollte, dass ich von dem Alkoholproblem meines Vaters erfuhr. Doch dann kam diese Krankheit. Meine Mutter hatte sich erkältet, als sie auf dem Markt für ihre Näharbeiten geworben hatte. Ihr Husten wurde schlimmer, sie bekam Fieber. Wir hatten nicht das Geld, um uns einen Arzt leisten zu können. Sie starb eines Morgens, als mein Vater auf der Arbeit war. Ich war mit ihr allein, hatte Angst – solche Angst. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Immer wieder flehte ich meine Mutter an, sie solle doch aufwachen. Ich flehte, weinte und schrie, doch es war zu spät.

Als mein Vater an dem Abend nach Hause kam und mich neben Mutter kniend fand, schloss er mich fest in die Arme. Er hielt mich fest und versuchte mir zu erklären, was geschehen war. Die Beerdigung war für mich etwas unwirkliches. Ich stand dort und beobachtete, wie die Leute aus der Nachbarschaft am Grab Abschied nahmen und fragte immer wieder meinen Vater, ob Mami denn nicht wiederkommen würde.

Von da an arbeitete mein Vater in der Nachtschicht. So war ich tagsüber nicht allein. Auch wenn er oft müde war und den Tag über auf der Couch lag und schlief, so kümmerte er sich doch liebevoll um mich. Bis zu jenem schicksalhaften Tag. Es war ein nasskalter Morgen im Frühling gewesen. Ein Sturm zog vom Meer herein und es lagen mehr Schiffe im Hafen als üblich. Die Firmen machten Druck, dass die Ladungen gelöscht werden müssten, bevor der Sturm die Küste traf. Da passierte es. In der Hektik wurde ein Haken nicht richtig eingehängt und als die grosse Kiste über dem Pier schwebte, schnappte der Haken auf. Die Kiste stürzte aus 15 Metern Höhe herunter. Ich stand ganz in der Nähe und musste mit ansehen, wie mein Vater zusammen mit zwei anderen Hafenarbeitern erschlagen wurde. Ich war damals vierzehn. Der Schock liess mich davon rennen. Ich suchte Hilfe, Schutz, Trost – und da war plötzlich diese Kirche. Ohne darüber nachzudenken rannte ich die Treppe hoch und versteckte mich im Innern. Zwei Ordnungshüter, die die Kirche in der Nacht kontrollierten, hatten mich dort unter einer Bank gefunden und rausgeworfen. Ich ging nie wieder zum Hafen zurück.


"Was tun wir jetzt?" Jean-Pierre riss mich aus meinen Erinnerungen. Ich wischte mir über die Augen und blickte auf den staubigen Boden, der immer mein Zuhause gewesen war.

"Keine Ahnung.“




Erzählt von Albus Dumbledore

Hauptquartier des Orden des Phönix

Knapp eine Stunde nach der Entdeckung des geschändeten Grabs hatten sich alle Mitglieder des Orden des Phönix auf mein Geheiss im Hauptquartier versammelt. Sie schnatterten durcheinander und stellten die wildesten Spekulationen an, als ich unbemerkt die Küche betrat. Wie es schien wussten die meisten bereits von der Freveltat auf dem Friedhof von Hogwarts.

Ich trat ans Kopfende des Tisches und räusperte mich. Die Gespräche verstummten und augenblicklich setzte sich jeder auf seinen Platz, begierig zu erfahren, was genau vorgefallen war.

"Danke, dass ihr so schnell meiner Einladung zu diesem Treffen gefolgt seid. Ich weiss, dass es für die meisten nicht einfach war, unbemerkt so schnell hier her zu kommen. Aber die Dringlichkeit der Ereignisse liess es nicht zu, bis zum Abend zu warten. Es sind schreckliche Dinge geschehen in Hogwarts. Gestern Nacht wurde das Gelände von einigen Todessern unbemerkt betreten."

Die einen oder anderen Blicke wurden ausgetauscht, doch bevor jemand etwas sagen konnte, hob ich die Hand.

"Hört mich erst an, Freunde. Für Fragen ist nachher noch genügend Zeit." Ich strich mir über den Bart und fuhr fort. "Es scheint, dass unsere Widersacher Severus nicht freigeben. Voldemort hat ihn sich geholt." Mehr als ein verwundertes Augenpaar war nun auf mich gerichtet. "Sie haben letzte Nacht sein Grab geöffnet und den Sarg mitgenommen." Einige waren bleich geworden, Molly Weasley schlug sich die Hand vor den Mund, Tonks hatte aufgehört mit der Farbe ihrer Haare zu spielen und auf Moodys vernarbten Gesicht lag ein spöttischer Zug.

"Asche zu Asche, Staub zu Staub, Todesser zu Todesser-"

"Moody!" fiel Molly Weasley dem Ex-Auroren ins Wort und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. "Untersteh dich! Severus hat zu uns gehört! Er war so wenig ein Todesser wie du und ich."

"Da hat wohl jeder seine eigenen Ansichten, nicht wahr?" Moody liess sich von Molly nicht beeindrucken.

Ich senkte den Kopf und rieb mir die pochenden Schläfen während eine hitzige Diskussion darüber entflammte, zu welcher Seite Severus zu 'Lebzeiten' gehört hatte. Kurz schloss ich die Augen und versuchte tief durchzuatmen. Ich ertrug diese Diskussion langsam aber sicher nicht mehr. Immer wenn ich dachte, dass das Thema abgehakt war, brachte Moody es wieder vor. Für ihn war Severus stets nur 'der Todesser' gewesen.

"Er war einer von uns, ohne jeden Zweifel!" Tonks.

Arabella Figg mischte sich nun ein. "Ach Schätzchen, dass du dich immer extra neben ihn gesetzt hast ist mir nicht verborgen geblieben. Hattest wohl eine heimliche Schwäche für Snape?"

"Also das ist doch wohl die Höhe!" Tonks wollte aufspringen, doch Remus hielt sie gerade noch am Arm zurück.

Arabella griff nach ihrer Kaffeetasse und nuschelte etwas wie 'Liebestränke' und schüttelte ihren grauen Kopf.

"Was Mad Eye sagt hat was. Ich meine, ich war mir nie sicher, wem er wirklich loyal war. Er mochte es wohl, auf beiden Hochzeiten zu tanzen."

"Du wagst es an Severus' Loyalität zu zweifeln, Kingsley?" Empört sprang Minerva auf und funkelte Shaklebolt böse an.

"Kinder, Kinder!", versuchte ich die Versammlung wieder unter Kontrolle zu bringen. "Beruhigt euch wieder!" Doch meine Worte gingen in der Hitze des Gefechts unter.

"Natürlich, dass Minerva McGonagall für den Todesser Partei ergreifen würde war ja wohl klar." Moody hatte sich nun ebenfalls erhoben. "Was war es Minerva, was deinen Geist vernebelt hat?" Moody nickte in meine Richtung. "War er es oder hat dir der Todesser einen seiner verhexten Tränke unter das Essen gemischt?"

"Das reicht!", kreischte Minerva. "Du verdammter-"

Krach!

Der Tonkrug, der eben noch unschuldig auf dem Tisch gestanden hatte, zerschellte am Rauchabzug oberhalb des Herds. Verwundert hielten alle inne und blickten auf:

Muriel Stern.

Sie stand da, die Hände wütend in die Seiten gestützt, das Gesicht krebsrot. "Was seid ihr nur für Kreaturen!" Sie funkelte Moody, Kingsley und Arabella böse an. "Verdammt! Severus war auf unserer Seite, das dürfte eigentlich jedem von euch klar sein. Ihr habt mit ihm zusammengearbeitet. Ihr habt gesehen, welche Risiken er für euch und eure Familien eingegangen ist. Er ist für euch durch die Hölle gegangen und wie dankt ihr es ihm?"

"Du bist gerade die Richtige, um uns dies vorzuwerfen! Du solltest-"

"Was sollte ich?", fiel Muriel Shaklebolt ins Wort. "Ja, ich habe Fehler gemacht. Und der wohl grösste und schlimmste Fehler meines Lebens war, dass ich Severus nicht vertraut habe." Ihre blauen Augen glänzten feucht, als sie etwas ruhiger fortfuhr. "Ich habe ihn im Stich gelassen, in dem Augenblick, wo er meine Hilfe am dringendsten nötig gehabt hätte, und doch", sie tippte mit dem Finger auf den Tisch, "hat er mich nicht fallen gelassen. Er hat sich an diesem verhängnisvollen Abend offen gegen die Todesser, gegen den dunklen Lord gestellt, nur um mich zu schützen. Und falls es euch entfallen sein sollte: Er war es, der am Abend zuvor Remus einen Brief mit dem genauen Standort der Festung hat zukommen lassen. Er war es, der diesen entscheidenden Schlag gegen Voldemort erst möglich gemacht hat. Dieser Angriff hat die dunkle Seite massgebend geschwächt und beinahe wäre es Severus gelungen, den dunklen Lord zu Fall zu bringen. Beinahe. Wäre dieser verdammte Fluch nur nicht zurückgekommen." Beschämt wischte sie sich eine Träne von der Wange, bevor sie wieder aufsah. "Wenn dies nicht Beweis genug für seine Loyalität war, dann zeigt mir einen, nur einen von euch ausser Albus Dumbledore, der von sich mindestens gleichviel behaupten kann."

Bis auf Mad Eye sahen die Ordensmitglieder betreten vor sich auf den Tisch. Diejenigen, die aufgestanden waren, liessen sich still und leise wieder auf ihre Stühle nieder und wagten es nicht, Muriel oder mich anzusehen.

"Ich bin froh, dass Severus euch hier nicht hat reden hören. Dies hätte ihm endgültig den Rücken gebrochen. Feige, wie feige..." Muriel liess sich ebenfalls auf ihren Stuhl zurück fallen. Remus legte tröstend eine Hand auf ihren Arm, während ich ihr dankbar zunickte. Sie hatte ausgesprochen, was mir schon lange auf dem Herzen gelegen hatte.



Erzählt von Severus Snape

Als ich erwachte war mir so kalt, dass ich zitterte. Langsam drehte ich mich zur Seite und stützte mich mit dem linken Ellbogen auf. Augenblicklich bereute ich es, mich bewegt zu haben. Mein Kopf dröhnte und alles drehte sich.

"Severus, Severus, Severus... Was soll ich nur mit dir machen?" Erschrocken sah ich auf. Der Lord kniete neben mir und strich fast liebevoll die nassen Haare aus meinem Gesicht. "Habe ich dir nicht alles gegeben? Wissen, Macht, mein Vertrauen?"

Keuchend setzte ich mich auf und schlug die Hand weg. Wie konnte das sein? Wo kam der dunkle Lord plötzlich her? Die Brücke – ich war noch immer unter der Brücke. Wie konnte also-

"Mein Junge, warum tust du mir dies alles an? Habe ich es verdient, dass du mich so abweisend behandelst?"

Wieder wollte er mir über das Gesicht streichen, doch ich wich ihm aus, rutschte weg, stiess jedoch ziemlich schnell mit dem Rücken gegen einen der Pfeiler.

"Schhhh... nur ruhig, Severus. Es geschieht dir nichts. Ruhig."

Mein Herz klopfte bis zum Hals. Seine Berührung war unerwartet sanft und warm gewesen, als er mir über die Wange gestreichelt hatte. "Ganz ruhig, Pechvogel."

Ich blinzelte ein paar Mal. – Verdi, es war Verdi, der vor mir kniete. Panisch sah ich mich um. Gerade eben hatte doch noch der Lord an der Stelle gesessen?

"Ruhig, ganz ruhig. Niemand tut dir etwas." Er fasste mein Gesicht mit beiden Händen und zwang mich, ihn anzusehen.



 

 

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