Sein und Schein

 

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Kapitel 15: Heinrich V

 


Jeder in Hogwarts war zur dritten Theatervorstellung des Jahres geladen. Keiner der Schüler wie Lehrer oder anderes Personal wollte sich das Ereignis entgehen lassen. Sogar Gäste aus dem Ministerium waren wieder angereist, um Zeuge der Aufführung von 'Heinrich V.' durch das Haus von Salazar Slytherin zu werden. Neben den Offiziellen, wie Dumbledore es mit einem Lächeln andeutete, kamen auch Eltern ins Schloss. Darunter so bekannte Persönlichkeiten wie Lucius Malfoy mit seiner Gattin oder, wie hätte es anders sein können, die Eltern von Vincent Crabbe und Gregory Goyle im Kielwasser der Malfoys. Aber auch die Weasleys waren wieder zur Stelle.

Der Hauslehrer der Slytherins stand hinter der Bühne und versuchte den Überblick über die nervösen Kinder zu behalten. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Prinzipien, verpasste er den völlig entnervten Slytherins ab und an einen Teelöffel aus einer geheimnisvollen Flasche. Er sagte nicht, wofür oder wogegen der Zaubertrank helfen sollte. In jedem Fall schmeckte das Zeug widerlich, schien aber zu wirken. Viele von ihnen wurden ruhiger. Die jüngeren Slytherins, als Knappen und Soldaten für Frankreich und England ausstaffiert, fühlten sich in der Nähe ihres Hauslehrers wohler und hingen ihm am Umhang wie Kletten. Erst nach einem kurzen, aufbrausenden Kommentar seinerseits zogen sie sich in einem respektvollen Abstand zurück, behielten den Zaubertankmeister mit seinem Wundersaft aber immer im Auge. "Wenn ihr wüsstet!" murmelte Snape und steckte die Flasche in die Tasche zurück. Eigentlich enthielt sie nur einen Früchtesirup, den er absichtlich geschmacklich verdorben hatte. Es war, wie er nur zu gut wusste, alles eine Frage der Einstellung.
Draco Malfoy als Heinrich V. gab eine imposante Figur ab. Er stolzierte unter seinen Theateruntertanen herum, als handelte es sich nicht um ein Bühnenstück, sondern um die Realität. Keiner der anderen Slytherins war in der Lage, wie er diese hoheitsvolle Arroganz auszustrahlen. Durch und durch ein Malfoy. Die Zuschauer auf ihren Stühlen und Bänken kannten genau dieses Benehmen. Um so mehr würden sie sich wundern, wenn sie mit Erstaunen feststellen, dass sich diese Arroganz während des Stücks wandelte und sich zu einem alles mitreißenden Wesenszug kehrte.
Snape hielt zu Beginn der Proben die Idee für völlig überzogen, Draco König Heinrich spielen zu lassen. Nun war er froh darüber. Wenn er schon erstaunt über die Wandlungsfähigkeit des Jungen war, wie dann erst dessen Vater. Und auf diesen Anblick wollte der Zaubertrankmeister nicht verzichten.
Er schaute zur Uhr. Sie hatten noch 10 Minuten bis zum Beginn des Stücks. Es wurde Zeit, dass er seinen Platz unter den Zuschauern einnahm. Noch einmal sah er auf die Schüler seines Hauses und nickte ihnen aufmunternd zu. "Macht mich stolz und dem Hause Salazar Slytherin Ehre."

Die erste Reihe vor der Bühne war wieder den Ehrengästen und den Hauslehrern mit dem Direktor vorbehalten. Severus Snape nahm ganz außen Platz, um im Notfall sofort und unbemerkt hinter die Bühne gehen zu können. Neben ihm saß Professor Sprout, die noch immer ein wenig blass um die Nase herum ausschaute, aber langsam zu ihrer alten Fröhlichkeit zurückfand. Minerva McGonagall saß, wie gewöhnlich, neben dem Schuldirektor, einige Stühle weiter. Sie wirkte äußerlich völlig ruhig, doch so, wie sie die Finger ineinander knetete, musste sie sehr aufgeregt sein. Die Slytherins gehörten nicht gerade zu ihren erklärten Lieblingen, aber dennoch bangte sie mit den Schülern um den Erfolg ihres Stücks. Vielleicht aber fürchtete sie auch nur einen ähnlichen Zwischenfall wie bei der Gryffindor-Aufführung? Snape erlaubte sich ein kühles Lächeln.
Ein altmodischer Gong, von einem als Page verkleideten Slytherin geschlagen, bat die Zuschauer auf ihre Plätze. Das Gemurmel in der Halle erstarb allmählich. Es waren nur noch wenige Augenblicke, bis der Vorhang sich heben würde. Der Hauslehrer stellte sich vor, wie Draco alle Spieler hinter der Bühne um sich versammelte. Dabei würde er besonders Vincent und Gregory, die sich den Part des Chorus teilten und gemeinsam den ersten Auftritt hatten, ermutigend auf die Schulter klopfen. Die beiden wollten nie mitspielen, sahen sich aber dazu genötigt - schon ihrer gestrengen Väter wegen. Nun hofften sie, dass sie gemeinsam irgendwie ihren Text packen würden.
Es war die Idee von Milicent Bulstrode gewesen, sich eine Art Schlachtruf auszudenken, der ihnen allen Mut und Zuversicht gab. Was lag da näher als genau den aus dem Stück zu verwenden?
Und wirklich, die Zuschauer vernahmen plötzlich hinter der Bühne die Stimme der jungen Schauspieler, die da in einem Chor riefen:

"Für Heinrich, England und Sankt Georg!"

Dann schlug abermals der Gong. Die Lichter in der Halle erloschen allmählich und der Vorhang der Bühne surrte lautlos zurück. Etwas zögerlich traten Goyle und Crabbe auf. Sie warfen einen verunsicherten Blick zurück zur Seitenbühne, doch dann fingen sie sich.

Chorus / Crabbe
Oh! eine Feuermuse, die hinan
Den hellsten Himmel der Erfindung stiege!
Ein Reich zur Bühne, Prinzen drauf zu spielen,
Monarchen, um der Szene Pomp zu schauen!
Dann käm', sich selber gleich, der tapfre Heinrich
In Mars' Gestalt; wie Hund' an seinen Fersen
Gekoppelt, würde Hunger, Feu'r und Schwert
Um Dienst sich schmiegen.


Chorus / Goyle
Doch verzeiht, Ihr Teuren,
Dem schwunglos seichten Geiste, der's gewagt,
Auf dies unwürdige Gerüst zu bringen
Solch großen Vorwurf. Diese Bühne,
Fasst sie die Ebenen Frankreichs? Stopft man wohl
In diese O von Holz, die Helme nur,
Wovor bei Agincourt die Luft erbebt?
O so verzeiht, weil ja im engem Raum
Ein Krummer Zug für Millionen zeugt;
Und lasst uns, Nullen dieser großen Summe,
Auf Eure einbildsamen Kräfte wirken!


Chorus / Crabbe
Denkt Euch im Gürtel dieser Mauern nun
Zwei mächt'ge Monarchien eingeschlossen,
Die, mit den hocherhobnen Stirnen, dräuend,
Der furchtbar enge Ozean nur trennt.
Ergänzt mit den Gedanken unsre Mängel,
Zerlegt in tausend Teile einen Mann
Und schaffet eingebild'te Heereskraft.
Denkt, wenn wir Pferde nennen, dass Ihr sie
Den stolzen Huf seht in die Erde prägen.
Denn Euer Sinn muß unsre Kön'ge schmücken:
Bringt hin und her sie, überspringt die Zeiten,
Verkürzt das Ereignis manches Jahrs
Zum Stundenglase.


Chorus / Crabbe und Goyle
Dass wir dies verrichten,
Nehmt uns zum Chorus an für die Geschichten,
Der als Prolog Euch bittet um Geduld:
Hört denn und richtet unser Stück mit Huld.


Nach dieser kurzen Einstimmung gab es den ersten Applaus. Mehr als nur erleichtert verbeugten sich die beiden Jungen und schritten dann betont langsam, so hatte es ihnen Draco eingeschärft, von der Bühne und überließen den anderen das Feld.
Natürlich war ein jeder auf den jungen Heinrich gespannt. Snape sah aus den Augenwinkeln, wie sich Lucius Malfoy noch mehr aufrichtete, als sich sein Sohn in den Farben Slytherins auf dem Thron niederließ und nun den Gesandten Frankreichs empfing, der ihm das spöttische Geschenk des Dauphins überreichte.
In der Halle war es sehr still und jeder ließ sich von der Pracht des Bühnenbildes wie der prächtigen Kostüme des englischen Adels beeindrucken.

Gesandter / Montague
Eu'r Hoheit, neulich hin nach Frankreich sendend,
Sprach dort gewisse Herzogtümer an,
Kraft Eures großen Vorfahr'n Eduard des Dritten:
Zur Antwort nun sagt unser Herr, der Prinz,
Dass Ihr zu sehr nach Eurer Jugend schmeckt,
Und heißt Euch wohl bedenken, dass in Frankreich
Mit muntren Tänzen nichts gewonnen wird;
Ihr könnt Euch nicht in Herzogtümer schwärmen.
Drum schickt er, angemessner Eurem Geist,
Euch dieser Tonne Schatz, begehrt dafür,
Ihr wollet fernerhin die Herzogtümer
Nicht von Euch hören lassen. So der Dauphin.


Heinrich / Malfoy
Der Schatz, mein Oheim?

Exeter / Higgs
Federbälle, Herr.

Heinrich / Malfoy
Wir freuen uns, dass der Dauphin mit uns scherzt,
Habt Dank für Eure Müh' und sein Geschenk.
Wenn wir zu diesen Bällen alle Raketten
Erst ausgesucht, so wollen wir in Frankreich
Mit Gottes Gnad' in einer Spielpartie
Des Vaters Kron' ihm in die Schanze schlagen;
Und sagt dem munteren Prinzen, dies Gespött
Verwandle seine Bäll' in Büchsensteine,
Und seine Seele lade schwer auf sich
Die Schuld verheerungsvoller Rache, die
Mit ihnen ausfliegt: denn viele tausend Witwen
Wird dies Gespött um werte Gatten spotten,
Und Söhne Mütter, Burgen niederspotten,
Und mancher jetzt noch ungeborne Sohn
Wird künftig fluchen auf des Dauphins Hohn.
Doch dies beruht in Gottes Willen alles,
Auf den ich mich beruf', und in des Namen
Sagt Ihr dem Dauphin, dass ich komme, mich
Zu rächen, wie ich kann, und auszustrecken
In heil'ger Sache den gerechten Arm.
So zieht im Frieden hin und sagt dem Dauphin,
Sein Spaß wird nur wie schaler Witz erscheinen,
Wenn tausend mehr, als lachen, drüber weinen.


Das Spiel nahm seinen unerbittlichen Lauf, und die Zuschauer ließen sich gefangen nehmen von der Geschichte. Sie verurteilten den Verrat an dem König durch drei seiner getreuesten Gefährten und bestaunten seinen Mut. Bis zur Pause gab es auf der Bühne kaum Patzer oder echte Pannen. Der Chorus stolperte einmal in den Trümmern vor Harfleur, was den beiden einen gutmütigen Lacher einbrachte, aber sie hielten sich tapfer.
Snape ließ sich von den anderen Lehrern für die bis jetzt so gelungene Aufführung beglückwünschen und versprach, die anerkennenden Worte mit hinter die Bühne zu nehmen.
Pünktlich nach der Pause saß er wieder auf seinem Platz unter den Zuschauern, die nun die große Schlacht von Agincourt erlebten. Wie oft hatte Draco gerade die große aufrüttelnde Rede geprobt und an ihr gefeilt, bis er sie so beherrschte, dass Feuer und Eifer in seiner Stimme lagen, die jeden mit sich riss. Nun, auf freier Bühne mit perfekter Kulisse und Kostümen war er überzeugender denn je.
Magische Illusionen hüllten die Bühne in dichten Nebel und vielfach gesteigertes Pferdegetrappel verstärkte das Gefühl, sich mitten in einer Schlacht zu befinden. Das große Finale des Theaterstücks näherte sich seinem Höhepunkt.
Die Slytherins lieferten sich als Engländer und Franzosen machtvolle Zweikämpfe mit blinkenden Schwertern. Sie tauchten so plötzlich aus dem Nebel auf wie sie darin wieder verschwanden und ließen die Zuschauer glauben, es wären unendlich viele Soldaten auf der Bühne.
Endlich verstummte das Kriegsgeschrei und unerträgliche Stille breitete sich von der Bühne aus, griff hinaus in die Große Halle und legte sich über die gebannten Zuschauer.
Ein verwundeter und erschöpfter Heinrich trat auf die Bühne, schleppte sich bis zu einem Felsblock, auf den er sich müde fallen ließ. Der Nebel lichtete sich. Hinter ihm lagen tote Soldaten aus beiden Heeren. Künstliches Blut war reichlich auf der Bühne vergossen wurden. Snape schüttelte etwas verärgert den Kopf. Er hatte immer wieder gepredigt, es damit nicht zu übertreiben, aber die Schüler fanden es einfach grandios, mit der roten Farbe großzügig umzugehen. Ihr Argument: Es ist eine blutrünstige Schlacht. Wenigstens hatten sie verzichtet, überall Imitationen von abgetrennten Gliedmaßen zu verteilen.

Exeter / Higgs
Hier kommt der Herold der Franzosen, Herr.
Sein Blick ist demutsvoller, als er pflegte.


Heinrich / Malfoy
Nun, was will dieser Herold? Weißt du nicht,
dass ich dies mein Gebein zur Lösung bot?
Kommst du um Lösung noch?


Montjoye / Montague
Nein, großer König:
Ich komm' zu dir um milde Zulassung,
Dass wir dies blut'ge Feld durchwandern dürfen,
Die Toten zu verzeichnen und begraben,
Die Edlen vom gemeinen Volk zu sondern.
Denn (o des Wehs!) viel unsrer Prinzen liegen
Ersäuft und eingeweicht in Söldner-Blut;
O vergönnt uns, großer König,
Dass wir das Feld in Ruh' beschaun und ordnen
Die Leichen an.


Heinrich / Malfoy
Ich weiß in Wahrheit, Herold,
Nicht recht, ob unser oder nicht der Sieg,
Denn Eurer Reiter zeigen sich noch viel
Und sprengen durch das Feld.


Montjove / Montague
Der Sieg ist Euer.

Ein merkliches Aufatmen ging durch die Reihen. An dieser Stelle jubelten die Schüler in der Halle und die Erwachsenen ließen sich sogar zu einem Applaus hinreißen.
Das Bühnenbild wechselte zum letzten Mal. Heinrich warb im Thronsaal in Frankreich um die Hand der schönen Katharina.
Mit dieser Szene endete das Stück. Doch der Vorhang fiel nicht einfach, sondern jetzt trat der Hauslehrer der Slytherins auf die Bühne. Die Schauspieler wichen leise in den Hintergrund zurück, während Snape mit seinem Zauberstab den Vorhang langsam fallen ließ. Er trug seine übliche dunkle Robe und bedachte das mehr als nur erstaunte Publikum mit einem betont neutralen Blick. Dabei sprach Snape den letzten Part des Chorus.

Chorus / Snape
So weit, mit rauem, ungelenkem Kiel,
Kam unser Dichter, der Geschicht' sich bückend.
Beschränkend große Leut' in engem Spiel,
Ruckweise ihres Ruhmes Bahn zerstückend.
Nur kleine Zeit, doch groß in seiner Kraft
Schien Englands Stern; das Glück gab ihm sein Schwert,
Das ihm der Erde schönsten Garten schafft
Und seinem Erben Reich und Herrschaft mehrt.


Heinrich der Sechste, in Windeln schon ernannt
Zu Frankreichs Herrn und Englands, folgt ihm nach,
Durch dessen vielberatenes Regiment
Frankreich verloren ward und England schwach;
Was oft auf unsrer Bühne vorgegangen,
Und wollet drum auch dies geneigt empfangen.


Professor McGonagall riss die Augen weit auf, als sie Snape auf die Bühne treten sah, gelassen und kühl wie immer. Zuerst glaubte sie zu träumen und sah die Reihe entlang zu seinem Platz, wo er eigentlich hätte sitzen müssen. Der Stuhl war leer.
"Das ist doch wohl -", zischte sie erbost. Wieder ein hastiger Blick zur Bühne und zurück zu dem leeren Platz. Dabei sah sie den genauso verstörten Ausdruck in den Gesichtern von Professor Sprout und Professor Flitwick. "Wie kann er nur, Albus", wandte sie sich empört an den Direktor. "Das ist gegen die Abmachung!"
"Abmachung?" fragte Dumbledore erstaunt und sah kritisch über den Rand seiner Brille hinweg auf die Hauslehrerin der Gryffindors. "Es gab eine Abmachung?" hakte er nach. "Was ist das für eine Abmachung?"
Minerva hätte sich auf die Zunge beißen mögen. "Nichts, nicht so wichtig."
Snape derweil beendete seinen Part und verbeugte sich kunstvoll vor dem Publikum.
"Diese Schlange!" brummte McGonagall. Sie konnte sehen, dass auch Flitwick äußerst verärgert war. Während die Zuschauer begeistert zu klatschen begannen, beschimpfte er aufs schärfste den Hauslehrer der Slytherins. Er winkte mit seinen kurzen Armen zur Bühne, seine Umgebung dabei völlig vergessend. Zum Glück aber ging seine Stimme im Beifall der Gäste unter.
Auf der Bühne ließ Snape mit seinem Zauberstab den Vorhang zurückfahren. Die Schüler traten glücklich strahlend wieder hinaus zum Rand der Bühne, in ihrer Mitte Heinrich und Katharina.
Professor McGonagall stand empört auf, um demonstrativ die Halle zu verlassen, als hinter ihr Schüler und Gäste sich von ihrer vermeintlichen stehenden Ovation mitreißen ließen und sich gleichfalls von ihren Plätze erhoben und 'Bravo!' rufend die Arbeit der jungen Künstler honorierten.
"Nein, nicht doch!" versuchte die Lehrerin für Verwandlungskunst diesen Irrtum den Zuschauern zu erklären. Aber das war vergebens. Also blieb sie notgedrungen stehen und applaudierte höflich mit, um sich nicht Dumbledores strafenden Blick einzufangen.
Hoffentlich dachte der nicht länger über diese Abmachung nach. Aber beim großen Merlin, mit Severus, dieser hinterhältigen Schlange, würde sie noch abrechnen. Mit Sicherheit dürften auch die Lehrer der anderen Schulhäuser mit von der Partie sein. Der soll sich wundern. Aber was sollte man schon von einem Slytherin erwarten? Sie hintergehen einen, wo sie nur können. Schlimmer war noch, dass sie es hätte wissen müssen. Traue nie einem Slytherin! Nein, am schlimmsten war, dass Gryffindor durch ihre Nachlässigkeit den Hauspokal an diese Bande von Nattern abgeben mußte.
Für einen Moment trafen sich die Blicke der Lehrer der beiden verfeindeten Häuser. Der Zaubertrankmeister, unscheinbar am Rande der Bühne stehend, schenkte McGonagall ein spöttisches Grinsen.
"Na warte, Severus, das Grinsen soll Ihnen noch vergehen!" versprach sie leise, ihn nicht aus den Augen lassend.

***



Es war die erste Prüfungswoche für die oberen Klassen. Und nach den Prüfungen würden für alle endlich die langersehnten Ferien beginnen. Bis dahin jedoch galt es, die ZAGs und UTZs zu bestehen.
Professor Snape räumte den Stapel Prüfungsarbeiten beiseite, den ihm die Schüler des 6. Jahrganges auf den Tisch gelegt hatten, bevor sie leise aus dem Klassenraum verschwanden. Selbst die besseren von ihnen hatten in Sachen Prüfung kein gutes Gefühl, was ihre Fähigkeiten in Zaubertränke anging.
Aber da waren sie wohl pessimistischer als ihr Lehrer.
Snape beaufsichtigte sie während der schriftlichen Prüfung streng und wachsam. Er schlich wie ein Schatten durch die Reihen und warf hin und wieder einen Blick auf die Pergamentrollen. Die meisten Aufgaben wurden richtig gelöst. Seine Strenge im Unterricht und seine Unnachgiebigkeit bei Hausaufgaben und Vorträgen zahlte sich also aus. Irgendwann würden diese Jungen und Mädchen ihm dankbar dafür sein. Spätestens wenn sie bei ihrer UTZ-Prüfung in Zaubertränke nicht durchfielen.
Man musste schon ziemlich unfähig sein, um bei ihm die Prüfung zu verpatzen. Er lächelte boshaft vor sich hin. Oder sehr, sehr unbeliebt.
Der Zaubertrankmeister griff nach dem Becher mit den verzauberten Schreibfedern und stellte sie ins Regal zurück. Die Versuchung, Potter durch die Prüfung rasseln zu lassen, war wirklich verlockend. Der Nachteil daran war jedoch, dass er ihn dann ein zusätzliches Jahr vor der Nase hatte. Nein, das musste er sich nun doch nicht mehr antun.
Bevor Snape den Klassenraum abschließen wollte, ging er gewohnheitsmäßig noch einmal durch die Reihen und kontrollierte die Plätze. Zuweilen vergaßen Schüler einige ihrer Sachen, die er dann einsammelte. Diesmal schien keiner etwas zurückgelassen zu haben. Er wollte schon gehen, als sein Blick auf ein Stück gefaltetes Pergament fiel, das auf dem Versuchstisch neben seinem Pult lag. Stirnrunzelnd sah der Zaubertrankmeister nach. Langsam entfaltete er das Schriftstück und überflog die kurze Mitteilung. Ein ergebener Stoßseufzer zur Decke, ein sarkastisches Zucken seiner Lippen. Dann steckte er das Stück Pergament in seine Tasche.
Zum wiederholten Male fragte er sich, wann das wohl aufhören würde.
Mit den Prüfungsarbeiten unter dem Arm verließ er endlich den Klassenraum.

An der Bürotür klopfte es energisch. Snape sah von den Prüfungsblättern auf. Bevor er den unerwarteten wie ungebetenen Gast ignorieren konnte, trat dieser bereits ein.
"Was verschafft mir die Ehre, Mister Weasley?" schnarrte er ihn unhöflich an. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seinen Besuch länger als nötig anzusehen und widmete sich bereits wieder seiner Korrekturarbeit.
Bill ließ sich von Snapes abweisender Art nicht beeindrucken. Mit einem breiten Lächeln trat er an den Arbeitstisch heran. "Professor, ich habe heute Abend Essensaufsicht in der Großen Halle."
"Ich gratuliere!" kam es ungeduldig zurück. Die Feder kratzte unvermindert weiter über das Pergament.
"Ja, nette Angelegenheit. Die Perspektive vom Lehrertisch ist doch recht aufschlussreich. Aber wissen Sie, heute Abend kommen meine Eltern und ich würde gern die Zeit mit ihnen verbringen."
"Dann tun Sie es."
Bill holte tief Luft. Snape war heute wieder einmal die Liebenswürdigkeit in Person. "Genau das ist das Problem. Wie ich bereits andeutete, habe ich heute Abend Essensaufsicht."
"Mister Weasley", der Zaubertrankmeister sah leicht genervt von seiner Arbeit auf, "ich verstehe die Bedeutung gesprochener Worte. Sie müssen sich nicht wiederholen." In seiner Hand drehte sich die Schreibfeder unruhig hin und her. Bill kannte diese Anzeichen eines bald ausbrechenden Wutanfalles von der Zeit, als er selbst noch Schüler war. Tapfer versuchte er es zu ignorieren.
"Ich wollte Sie bitten, mit mir zu tauschen."
"Fragen Sie jemand anderen!"
"Hören Sie, Professor, das habe ich bereits getan." Diesmal klang auch Bill mehr als gereizt. Auch seine Geduld war nicht unerschöpflich. "Oder glauben Sie allen Ernstes, ich würde jetzt hier stehen, wenn ich eine Wahl hätte? Die anderen Lehrer können nicht mit mir tauschen. Nun frage ich Sie, ob Sie dazu bereit wären. - Ich weiß, dass Sie morgen Frühstücksaufsicht haben."
Snape brummte gereizt.
"Wie wäre es, wenn Sie heute Abend für mich einspringen und ich morgen früh für Sie?"
Es war allen Lehrern bekannt: die Frühstücksaufsicht war eines der Dinge, die Professor Snape am allerwenigsten mochte. Tage, die mit seiner Aufsicht am Frühstückstisch begannen, waren Tage mit maximalsten Punktverlusten für die anderen Häuser. Deshalb hätten die übrigen Hauslehrer Snape gern bei der Aufsicht am Morgen außen vor gelassen. In dieser Richtung zeigte sich aber Dumbledore wenig einsichtig. "Gleiche Rechte und Pflichten für alle!" pflegte er bei diesen Gelegenheiten immer zu sagen.
"Geben Sie Ruhe, wenn ich nein sage?" fragte Snape und bedachte Bill mit einem herausfordernden Blick.
"Kommen Sie schon, Professor, lassen Sie mich nicht betteln. Es kann wirklich kein anderer mit mir tauschen."
Snape legte die Feder beiseite, faltete seine Hände zusammen und stützte das Kinn darauf. Mal sehen, wie wichtig dem ältesten der Weasleys dieses Treffen mit seinen Eltern war.
"Was ist gegen eine Aufsicht am Abend einzuwenden? Das dauert schließlich nicht die ganze Nacht."
"Also gut!" Bill nickte ergeben. Er hob die Hand und zeigte zwei Finger. "Ich übernehme zweimal die Frühstücksaufsicht für Sie. Und wenn Sie nicht weiter mit mir feilschen wie auf einem orientalischen Basar, lege ich noch ein Besuch in den Drei Besen drauf. Mein letztes Angebot."
"Nur wenn der Besuch in den Drei Besen nicht in einen Schulausflug ausartet."
"Versprochen!"
"Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend mit Ihren Eltern, Weasley!"
Der Zaubertranklehrer sah dem jungen Mann mit den langen roten Haaren nach. Ein leichtes Grinsen huschte über sein sonst strenges Gesicht. Er fand, er hatte einen guten Tausch gemacht. Besser hätte es schon gar nicht mehr für ihn laufen können. Zumindest bis nach der Essensaufsicht.
Severus sah zur Astro-Uhr hinüber. Heute Nacht war wieder Neumond und das übliche Treffen der Todesser auf der Lichtung. Nach einer solchen Nacht nicht zum Frühstück erscheinen zu müssen, kam ihm sehr gelegen.
Sein Blick fiel wieder auf den Stapel Prüfungsarbeiten. Entschlossen, bis zum Abendessen damit fertig zu werden, tauchte er die Feder in die rote Korrekturtinte ein und machte sich wieder an die Arbeit.

***



Es war eine herrliche Sommernacht mit unzähligen Sternen am Himmel, die alle wie kleine Juwelen blinkten. Als der Zaubertrankmeister apparierte, wurde er wieder von Lady Gwenda erwartet, die nur zögernd ihren Blick vom funkelnden Sternenhimmel abwenden mochte. Trotz der Dunkelheit konnte er sie gut erkennen.
"Weißt du, Severus, du solltest nicht immer an der gleichen Stelle auftauchen. Das könnte schief gehen. Vielleicht warten eines Tages Auroren genau auf diesen Moment und dann, mein düsterer Freund, bist du geliefert."
Sie sah ihn mit ihren eisgrauen Augen an. Ihr leises Lachen erinnerte ihn wieder an silberne Glöckchen. Noch trug sie nicht die Robe der Todesser und ihre weißen fließenden Gewänder gaben ihr noch mehr das Aussehen überirdischer Schönheit. Wie ausgegossenes Mondlicht, sagte er sich.
Snape nahm ihre Hand, führte sie zu seinen Lippen und küsste die schmalen langen Finger.
"Du bist wahrlich ein Feenkind, Tochter des Mondes."
Gwenda lächelte über das Kompliment. Nicht mehr lange, sagte sie sich, und er wäre ihr wieder völlig verfallen. Doch das Lächeln gefror ihr auf den Lippen, als Snape gelassen und abweisend weitersprach.
"Genauso gefährlich und kalt. - Komm, Feenkind, wir sollten den Lord nicht warten lassen." Er ging voran und sie folgte ihm verärgert, sich die Robe überstreifend.
"Ah, unser Meister der Zaubertränke ist heute in aufgeräumter Stimmung."

Wie immer, wenn beim Neumondtreffen alle Todesser auf die Lichtung kamen, bildeten sich langsam zwei Kreise. Der Innere Kreis mit den bevorzugten Getreuen des Dunklen Lords und der äußere mit seinen einfachen Sympathisanten - und den neu aufzunehmenden Mitgliedern der Gemeinschaft.
Snape blieb am äußeren Kreis stehen, während Gwenda weiter ging. Sie sah noch einmal zu ihm zurück und lächelte wieder bevor sie ihre Maske aufsetzte und die Kapuze über das helle Haar streifte.
Neben sich konnte Severus einige Männer hören, deren Blicke wie gebannt auf der Frau hafteten. Ihre Stimmen klangen hinter den Masken gedämpft.
"Du hast Glück!" sprach der eine ihn an. "Sie scheint ganz vernarrt in dich zu sein. Echt zu beneiden bist du."
Snape schnaubte verächtlich hinter der Maske.
"Ich würde viel dafür geben, mit ihr auch nur eine Nacht zu verbringen", schwärmte die Maske weiter.
"Auch deine Seele?" fragte Snape schließlich. Der Zaubertrankmeister ließ der beiden verdutzen Männer stehen und suchte sich einen anderen Platz im Kreis.

***



Hagrid war bereits bei Sonnenaufgang unterwegs zum See, um sich den Kraken anzuschauen, der sich die ganze Nacht lang ziemlich übellaunig gebärdet hatte.
"Ah, mein Liebling, was hast du denn nur?" Der Kranke plätscherte nervös nahe dem Ufer herum und gab klagende Laute von sich. Die langen Tentakel schwammen kraftlos auf dem Wasser. Etwas beunruhigt watete Hagrid in den See bis er den ersten der Fangarme erreichte. "Ah, sehe schon, du hast wieder mit den Steinen gespielt und dich dabei an einer scharfen Kante verletzt."
Der Wildhüter tastete mit seiner großen Hand an der Stelle mit dem Schnitt herum. "Und dieser Stein steckt noch in der Wunde. Kein Wunder, dass du die ganze Nacht gelärmt hast. - Hier, halt still, mein Kleiner!"
Mit bemerkenswerter Vorsicht zog Hagrid den Stein heraus und warf ihn ans Ufer. Der Krake zuckte und planschte mit den unverletzten Tentakeln wild um sich, so dass das Wasser zu schäumen begann. Doch der Wildhüter behielt den verletzten Fangarm fest im Griff. "Gleich, mein Kleiner. Ich schmiere dir jetzt nur noch eine Heilpaste auf die Wunde und dann kannst du wieder spielen."
Der Riesenkrake konnte es kaum erwarten, endlich ins Wasser zu tauchen. Die Sonne war jetzt bereits über den Horizont gestiegen und die ersten warmen Strahlen trafen die empfindliche Haut des Kraken. Dann gab der Halbriese das Tier frei. Der Krake warf sich ins tiefere Wasser zurück, wirbelte herum, planschte wild mit den Tentakeln und gab zufriedene schmatzende Geräusche von sich. Wasserblasen stiegen auf, als er tauchte und dann wieder aus großer Tiefe zur Oberfläche hinauf schoss.

Auf dem Rückweg vom monatlichen Treffen der Todesser befand sich Snape bereits mit dem Boot in der Mitte des Sees. Seit Dumbledore die Schutzlinie um das Schloss erweitert hatte, musste er bis hinter den See laufen, um zum Dunklen Lord zu apparieren.
Auf der Suche nach dem kürzesten Weg schlug der Schuldirektor vor, mit dem Boot über den See zu rudern. Das ging sicher schneller, als einmal drum herum zu laufen. Bei einer günstigen Gelegenheit hatte Snape es ausprobiert und für annehmbar befunden. Seit diesem Zeitpunkt lag immer ein Boot für ihn in der Grotte unter dem Schloss bereit. Mit einigen kräftigen Ruderschlägen und ein wenig Magie konnte Snape das andere Ufer schnell und sicher erreichen, ohne dabei, wie sonst, Gefahr zu laufen, jemandem unterwegs zu begegnen.
Der wirklich entscheidende Nachteil war jedoch, dass der Zaubertrankmeister übers Wasser musste.
Und hier kam dieser verdammte Krake ins Spiel. Snape sah im beginnenden Morgengrauen Hagrid mit dem Tier am Ufer toben. Nichts Gutes ahnend versuchte der Zaubertrankmeister die rettende Anlegestelle zu erreichen, aber da schoss der Krake auch schon auf ihn zu. Das Boot schwankte wie eine Nussschale auf den Wellen.
Vergeblich versuchte Severus, dem sich wie toll aufführenden Kraken auszuweichen. Zwar gelang es ihm, das Schlimmste zu verhindern, aber er kam völlig durchnässt an der unterirdischen Anlegestelle des Schlosses an.

Hagrid, dem nicht entgangen war, dass der Krake sich auf das Boot gestürzt hatte, war durch das noch immer schlafende Schloss gestürmt, die Treppen hinunter an den Kerkern vorbei bis zur Anlegestelle. Er war rechtzeitig da, um Snapes Beschimpfungen abzubekommen. "Können Sie Ihre verdammten Viecher nicht besser unter Kontrolle halten?" fauchte Snape. Er kletterte aus dem Boot, in dem sich ein beachtlicher Wasserstand abzeichnete. Sein Umhang war völlig durchnässt und hing schwer an ihm herab. Die Sachen darunter sahen auch nicht trockener aus.
Sobald der Zaubertrankmeister einen Schritt machte, gaben die Schuhe ein schmatzendes Geräusch von sich. Na toll! Völlig genervt verdrehte Snape die Augen. Wasser! Musste es denn immer wieder Wasser sein? Kaltes Wasser! Wie er das hasste! Wie er es verabscheute!
Hagrid war inzwischen dabei, das Boot umzudrehen und das Wasser auszukippen. "Tut mir leid, Professor, wirklich!" entschuldigte er sich immer wieder. "Der Krake war verletzt, da musste ich ihm helfen."
Grummelnd setzte Snape den ersten Schritt auf die Treppe, die zum Schloss führte. Das schmatzende Geräusch seiner Schuhe begleitete ihn. Er blieb stehen und sah zu dem Halbriesen zurück. "Der Krake hätte mich fast ersäuft", fauchte er wütend.
"Nein, so was macht er nicht. Er wollte nur ein wenig mit Ihnen spielen."
"Mit meinem Leben?" giftete der Zaubertrankmeister. "Na besten Dank. Als ob nicht schon genug Leute hinter mir her wären. - Soll er sich doch 'ne Nummer ziehen!"
"Es ist ein netter Krake!" verteidigte Hagrid das Tier.
Snape brummte etwas unverständliches. Er sah an sich herab und musste feststellen, dass sich um ihn herum eine Wasserlache gebildet hatte. Der Umhang schleifte am Boden. Ergeben ließ sich Snape auf die Steinstufen nieder und streifte die Schuhe ab. Mit müdem Blick drehte er sie nacheinander um und goss das Wasser aus. Es war bereits das zweite Mal, dass dieser Krake sein Boot als Spielzeug benutzte.
Derweil vertäute Hagrid das Boot an der Anlegestelle und stampfte zum Professor hinüber. Auch er ließ sich auf eine der Stufen fallen.
"Ich habe den Kraken mit der Paste versorgt, die Sie mir letzten Monat gegeben haben. Er schneidet sich immer wieder beim Spielen an den scharfkantigen Steinen."
Für einen Moment schwiegen die beiden Männer und sahen auf das tiefgrüne Wasser in der Höhle. Kleine Wellen schlugen sanft an das grob behauene Ufer aus Stein. Die Fackeln an den Wänden gaben ein unruhiges Licht von sich.
"Es ist ziemlich gefährlich, nachts mit dem Boot über den See zu fahren. Die Wasserleute mögen das nicht", nahm Hagrid das Gespräch wieder auf. "Am Ufer entlang wäre es für Sie sicherer."
"Das dauert zu lange. Er mag es nicht, wenn man ihn warten lässt." Snapes Stimme klang dieses Mal nicht sarkastisch, wie es der Halbriese sonst gewöhnt war, sondern müde und resigniert.
Hagrid nickte. "Vielleicht sollte ich dann rudern?" schlug er vor.
"Nein!" Das war der bekannte abweisende Ton des Zaubertranklehrers.
Hagrid jedoch sprach weiter. "Der Direktor macht sich wirklich Sorgen. Es würde ihn ein wenig beruhigen, wenn jemand Sie über den See begleitet und warten würde, bis Sie zurück sind. - Das könnte ich doch tun. Der Krake würde Sie dann auch nicht immer zu einem Bad einladen." Jetzt grinste der Wildhüter spitzbübisch.
"Nein, bei Merlin, nein!"
"Ich werde die Idee dem Direktor vortragen." Hagrid rappelte sich zufrieden auf und zog Snape mit auf die Füße.
"Das werden Sie nicht", zischte dieser. "Ich brauche keinen Aufpasser und auch kein übergroßes Kindermädchen."
Der Wildhüter nickte gutmütig. "Der Direktor wird bestimmt zustimmen."
Wieder ein verächtliches Schnauben von Snape. Er streifte seine Robe ab und wrang sie aus. Wasser plätscherte auf die Steinstufen, dann griff er nach den Schuhen. "Sie gehen nicht zum Direktor", betonte Snape mit eiskalter Stimme. Irgendwie schienen sie beide nicht dasselbe Gespräch zu führen.
Aber Hagrid hörte schon nicht mehr zu. Er war einige Stufen weiter oben und erklärte dem Professor, wie lustig es wäre, wenn sie beide über den See fahren würden und dabei alte Seemannslieder sängen.
Der Verzweiflung nahe verdrehte der Zaubertrankmeister die Augen. Gegen das schlichte Gemüt dieses Halbriesen kam er einfach nicht an. Mit nackten Füßen und Umhang und Schuhe in der Hand eilte Snape die Treppe hinauf. Bis zum nächsten Neumond musste er sich etwas einfallen lassen.
"Krah!" hörte er hinter sich und stoppte. Er drehte sich am Treppenabsatz um und versuchte, in dem Halbdunkel den Rufer ausfindig zu machen. Bevor er seinen Raben sah, hörte er dessen Flügelschlag. Mit ausgebreitetem Schwingen landete Ka elegant auf seiner Schulter.
"Du warst mir auch keine große Hilfe!" gab er dem Vogel zu verstehen. Ka legte den Kopf schief und sah Severus mit neugierigen Augen an. "Aufpasser! Warner!"
"Ja, toll hast du das gemacht! Und wie kommt es, dass du trocken bist und ich pitschnass wie ein begossener Hund?" Sanft strich der Zaubertrankmeister dem Vogel über den Kopf, der behaglich an seinen nassen Haaren zu zupfen begann. "Wieder einmal", fügte Severus resigniert hinzu und setzte seinen Weg zu den Kerkern fort. "Du brauchst gar nicht erst zu versuchen dich einzuschmeicheln."
Wieder zupfte Ka an den Haaren. "Schlafen!"
"Ja, ich bin müde, mein Freund. Sehr, sehr müde. Aber ich muß noch zum Direktor, willst du mitkommen und Fawkes besuchen?"
Ka flatterte mit den Flügeln und stieß sich von Severus' Schultern ab. Lautlos drehte er einige Runden über den langen Flur und landete am Aufgang, der zum oberen Teil des Schlosses führte.
"Ich nehme an, das heißt ja." Snape stellte die Schuhe auf den Boden, zog seinen feuchten Zauberstab heraus und brachte sich und seine Kleidung wieder in Ordnung. Es tat gut, endlich in trockene Schuhe zu steigen.

Das Gespräch mit Dumbledore dauerte etwas länger als sonst. Während Ka sich mit Fawkes lautstark um irgendetwas stritt, berichtete der Zaubertrankmeister vom Treffen.
"Voldemort hat zwölf neue Mitglieder in den Kreis aufgenommen. Den dreizehnten Anwärter ließ er töten. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht hat ihm der Name nicht gepasst, womöglich vermutete er einen Spion.
Sie kennen - kannten - ihn. Er war einer aus Slytherin, einer meiner Schüler." Severus hielt seine Augen gesenkt und betrachtete gedankenverloren seine Hände. "War kein schöner Tod, Albus, wirklich nicht."
"Hat Voldemort es selber getan? Oder war es einer seiner Vollstrecker?" Der Direktor sah nicht weniger übermüdet aus als sein Lehrer für Zaubertränke. Diese Neumondnächte hatten etwas grauenhaftes an sich, seit Severus wieder regelmäßig an den Treffen teilnahm.
"Kek-kek!" stieß Ka einen kurzen Warnruf aus. Er flatterte aufgeregt von der Stange des Phönix' hinüber zu Severus und landete auf dessen Arm, der ihm entgegengehalten wurde. Sein Gefieder plusterte sich auf. Nervös nickte Ka mit dem Kopf hin und her. "Scht! Scht! Scht!"
"Ist ja gut, Ka, beruhige dich. Ich weiß, was ich tue." Snapes schmale Hand strich beschwichtigend über das samtige Gefieder des Vogels.
"Scht! Scht! Scht!" Ka gab keine Ruhe. Er drehte sich zum Schuldirektor um. Seine Schwingen öffneten sich bedrohlich und ließen ihn dadurch größer erscheinen.
Dumbledore hatte mit wachsamem Blick das Verhalten des Raben beobachtet. Nun fühlte er Severus' Augen auf sich gerichtet.
"Der Tod des dreizehnten Anwärters war meine Eintrittskarte zum Inneren Kreis", erklärte der Zaubertrankmeister fast tonlos. Und als wäre damit alles gesagt, stand er auf. Ka blieb weiterhin aufgeregt, gab aber seinen Warnruf nur noch murmelnd von sich. "Nicht gut Severus! Nicht gut Severus!" Zögernd klappte er die Flügel wieder ein und drängte sich näher an Snape.
"Ich bin wieder im Spiel, Albus!"

***



Am Freitag hatte Severus Snape die letzten praktischen Prüfungen für den UTZ abgenommen und bewertet. Es lief recht gut, von einigen Enttäuschungen abgesehen. Die Weasley-Zwillinge hatten ihn mit ihrer Originalität mal wieder überrascht. Freilich würde er so etwas nie laut äußern. Am Nachmittag gab er die Übersicht mit den Prüfungsergebnissen und den Abschlussnoten zu McGonagall ins Büro, damit sie die Gesamtzeugnisse zusammenstellen konnte.
"Sind das jetzt alle Noten, Severus?" fragte Dumbledores Stellvertreterin.
"Ja, ich habe keine Prüfungen mehr. Wie steht es mit den anderen?"
"Elemente und Zauberkunst fehlen noch. Da kommen morgen die letzten rein. Dann habe ich alles. - Oh Severus ..."
Der Zaubertrankmeister drehte sich an der Tür um.
"... wenn ich noch Fragen haben sollte, sehe ich Sie beim Abendessen?"
"Bedaure, Weasley und ich gehen nach Hogsmeade. Aber ich glaube kaum, dass es irgendwelche Fragen zu Zaubertränke geben könnte. Die Noten sind eindeutig. Und ich gedenke, mich nicht auf irgendwelche Diskussionen hinsichtlich der Leistungen einiger Gryffindors einzulassen - speziell denen von Potter." Damit knallte er die Tür hinter sich zu.

Bill Weasley wartete bereits in den Drei Besen auf Snape, der mit mürrischer Miene eintrat und sich umsah. Er entdeckte den Ältesten der Weasleys und setzte sich ihm gegenüber.
"Ich habe bereits bestellt", nickte Bill ihm zu, und wie auf Stichwort erschien die Wirtin und stellte zwei Krüge mit Butterbier auf den Tisch.
"Oh, Professor Snape, was für eine seltene Freude. Möchten Sie zu Ihrem Butterbier auch ein Gläschen Blauen Nebel?" fragte Rosmerta.
Der Lehrer für Zaubertränke winkte ab. "Nein, heute nicht."
"Sie trinken dieses starke Zeug?" Bill war interessiert. Snape bedachte ihn mit einem giftigen Blick. "Das ist nur was für Männer, Weasley, versuchen Sie es erst gar nicht."
"Was heißt hier nur für Männer?" Gespielte Empörung zeichnete sich auf Bills Gesicht ab. Er begann zu grinsen. "Sie übertreiben wieder einmal maßlos, Professor."
Bill hob den Krug und prostete seinem Gegenüber zu. "Auf ein wirklich gelungenes Schuljahr."
Der Meister der Zaubertränke schnaubte verächtlich, griff aber gleichfalls nach dem Krug.
Mit der Zeit wurde Bill immer redseliger und der Zaubertrankmeister wortkarger. Zwei solch unterschiedliche Männer hatte Rosmerta selten an einem Tisch sitzen sehen. Dennoch schien sich jeder auf seine Weise zu amüsieren.

Der junge Weasley starrte in seinen Krug und betrachtete skeptisch den Grund, den er dort entdeckte. "Schon wieder leer", bemängelte er den Zustand. "Ich hole Nachschub." Er stand umständlich auf und sah Snape fragend an. "Wollen Sie auch noch einen Krug, Professor?"
"Bringen Sie zwei, da brauchen Sie nicht noch mal losziehen."
"Sehr wohl, Professor!" verbeugte sich der rothaarige Mann, so dass ihm seine lange Mähne ins Gesicht fiel und er sie mit einer fahrigen Bewegung wieder in den Nacken warf.
Als er zurückkam, balancierte er vier schwebende Krüge vor sich her, die er hart auf den Tisch aufsetzen ließ. "Ups!" gluckste Bill. "Heftige Landung. Habe ich Ihnen schon mal von den Mumienpriestern in der versunkenen Stadt Hamunaptra erzählt?"
Snape hob die Hand und zeigte Mittel- und Zeigefinger. "Schon zweimal."
"Schade, das ist so eine spannende Geschichte. Und von der Hexe, die auf einem Kamel reiten wollte. Ist sehr unterhaltsam."
Mit einer energischen Handbewegung brachte Snape den jungen Mann zum Schweigen. "So unterhaltsam wie der Fluch, mit dem Sie zu Ihrer Zeit den Direktor belegten? Ihr Weasleys habt einen eigenartigen Sinn für Humor. Ihre Brüder lassen die Tür zum Gryffindor-Turm schrumpfen und Sie und Ihr feiner Bruder Charlie verhexen Dumbledore. Eine gefährliche Familie sind Sie. Und was Ihren jüngsten Bruder angeht, so kommen da auch noch schwere Zeiten auf uns zu."
"Kann ja nicht jeder so ein Musterschüler wie Percy sein!" verteidigte sich Bill. "Und wenn ich das mal sagen darf: Professor Dumbledores kurzzeitiger Gedächtnisverlust war ein Unfall."
Der Zaubertrankmeister schnaubte. Mit Sicherheit war nichts, was ein Weasley tat, ein Unfall. Der ganze rothaarige Clan war eine gefährliche Meute, vor der man sich in acht nehmen musste, wenn man an seinem Leben hing.
"Jawohl ein Unfall!" bestätigte Bill, der an Snapes Gesichtsausdruck erkennen konnte, was er von derartigen Übeln hielt. "Charlie und ich haben nur ein wenig duellieren geübt und Professor Dumbledore ist irgendwie zwischen einen der Flüche geraten."
"Er verlor sein Kurzzeitgedächtnis. Die ganze Nacht haben wir Lehrer damit zugebracht, vor diesem verdammten sturen Wasserspeier zu stehen, um ihn dazu zu bewegen, sich zu öffnen. Keiner kannte das neue Passwort - auch nicht Dumbledore. Das war nicht lustig." Doch im Gegensatz zu dem, was der Zaubertrankmeister behauptete, stahl sich ein Grinsen in sein Gesicht. "Na schön, im nachhinein war es doch recht amüsant. Alle Lehrer standen vor dem verschlossenen Durchlass und warfen dem Wasserspeier die verrücktesten Wörter hin. Jeder Süßigkeitenladen wäre glücklich über so ein Sortiment. Die alte Trelawney kroch sogar aus ihrem Turm und zog eine unsagbare Show mit ihrer Kristallkugel ab." Severus stellte zur Veranschaulichung einen Krug vor sich hin und ahmte die Handbewegung der Lehrerin für Wahrsagung nach. Er ließ die Hände in einigem Abstand um den Krug schweben und schloss die Augen. "Ich sehe, ich sehe ...", beschwor er nun den leeren Krug.
"Das Passwort?" fragte Bill dazwischen.
"Ruhe, Weasley, Sie stören meine Konzentration", fauchte Snape. "Ich sehe, ich sehe ..."
"Was denn nun? Den unvermeintlichen Tod des Wasserspeiers?"
"Ruhe, Weasley!" Snape öffnete ein Auge und funkelte seinen Gegenüber böse an. "So kann ich mich nicht konzentrieren." Wieder begann der Zaubertrankmeister den leeren Krug zu beschwören. Plötzlich wurde er ernst. Er öffnete die Augen und starrte den Krug an.
"In jener Nacht sagte Sybill den Sturz Voldemorts voraus. - Merkwürdig, ich hatte ganz vergessen in welchem Zusammenhang das war."
Etwas bedrückt stemmte sich Bill in die Höhe. "Ich hole noch was zu trinken."
"Was immer Sie bestellen, Weasley, bringen Sie das Doppelte."
"Ja sicher, Professor!"
Der Meister der Zaubertränke betrachtete den leeren Krug mit Abscheu. Die alte Trelawney hatte sich damals nicht geirrt. Doch nun war sein Meister wieder da. Er wurde von mal zu mal stärker, und bald würde ihn nichts mehr aufhalten können; kein Dumbledore, kein Potter, kein Ministerium, keine Auroren.
Er wurde aus seinen trüben Gedanken gerissen, als Bill mit zwei großen Krügen auftauchte. "Ich dachte, wir sollten mal eine Weasley-Spezialmischung trinken."
"Eine Spezialmischung?" Mit schief gehaltenem Kopf betrachtete Snape den Krug skeptisch. "Was heißt das?"
"Eine etwas stärkere Version von Butterbier. Also, wer Blauen Nebel trinkt, erträgt auch das hier." Der junge Mann zwinkerte aufmunternd mit den Augen, was den Lehrer für Zaubertränke verdammt an Lockhart erinnerte. Noch nicht ganz überzeugt, griff Snape nach dem Krug und roch daran. Es schien genießbar zu sein und sich auch nicht wesentlich von Butterbier zu unterscheiden.
"Auf eine glücklichere Zukunft!" sprach Bill einen Toast aus. Er setzte den Krug an und trank.
"Was soll's!" murmelte Snape und nahm einen kräftigen Schluck. Er setzte den Krug wieder ab und wusste im selben Moment, dass etwas nicht stimmte. Erschrocken öffnete er den Mund und atmete tief durch. "Daz Zeug izt ja zarf!" Sein sonst so blasses Gesicht lief langsam rot an. Ihm wurde heiß, und er fächerte sich mit der Hand etwas Luft zu. Im Gegensatz zu ihm schien das Getränk bei Weasley keine Reaktion hervorzurufen. "Waz, zum Muggel, izt denn da drinnen?" Allmählich brach ihm der Schweiß aus allen Poren und ihm wurde übel. Alles, nur nicht das! rief eine Stimme in seinem Kopf.
"Geht es?" hörte Snape den jungen Mann, der sich entspannt zurückgelehnt hatte und den Professor beobachtete.
Die Wirkung schien nachzulassen. Die erste heftige Reaktion auf das Zeug verflüchtigte sich. Erleichtert atmete Snape durch. "Tzanke, ich zpüre meine Tzunge zon wieder!"
Was war das? Wieso brachte er kein vernünftiges Wort heraus? Seine Augen verfinsterten sich. Er bedachte Bill mit einem eisigen Blick. "Zie haben daz Bier vergiftet!" fauchte er und gab sich redlich Mühe nicht laut zu werden.
Weasley zuckte die Schultern. "Aber nur ein ganz klein wenig."
"Wizo?"
"Ist ein kleiner Gefallen, den ich Minerva McGonagall schuldete. Sie war der Meinung, dass Ihre Verletzung der Abmachung - keine Ahnung welche - gewisse Sanktionen erforderlich gemacht hätten."
Der Professor knurrte wütend etwas und notierte sich in Gedanken schon eine Liste von Maßnahmen gegen Gryffindor, die dieser Sanktion folgen würden. Auf einer weiteren Liste schrieb er gedanklich mit Ausrufezeichen den Satz: Traue nie einem Weasley!
"Gut Weazley, zie hatten ihren Spaz, geben zie mir daz Gegenmittel."
"Geht nicht!" gab Bill gelassen zurück.
Snape riss ungläubig die Augen auf. Jetzt würde er wohl doch gleich laut werden. Der junge Weasley bemerkte mit einer gewissen Unruhe, dass der Zaubertrankmeister nahe an einem Wutausbruch war. Snape griff nach seinem Zauberstab im Umhang.
"Wirklich, Professor. Es gibt keins. Die Wirkung lässt alleine nach. Bis morgen Mittag, spätestens am Abend ist alles vorbei."
Das reichte. Der Professor stand wütend auf und deutete mit ausgestrecktem Arm auf Bill. Er wollte ihm ins Gesicht schreien, was er von derartigen Dingen hielt, aber da ihm seine Zunge noch immer nicht gehorchte, verzichtete er allein schon wegen seiner Würde darauf. "Ez iz noch niz vorbei!"
Noch immer wütend, griff Snape nach seinem Umhang und ging. Wer ihm in dem Weg kam, den schupste er grob beiseite. Die Tür der Schenke fiel krachend zu, dass sich einige Gäste verwundert umdrehten, bevor sie sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten widmeten.

***



Die Gerüchteküche im Schloss brodelte schlimmer als damals bei den Hobbeats. Der gefürchtete Zaubertrankmeister hätte ein Problem. Eine geheimnisvolle Krankheit würde es ihm unmöglich machen zu sprechen. Einige der Schüler freuten sich diebisch und hofften auf einen Unterrichtsausfall. Was sollte der Zaubertrankmeister denn sonst machen?
Genau die gleiche Frage stellte sich auch Severus Snape in seinem Kerker. Mit verärgerter Miene betrachtete er sein Bild im Spiegel und steckte die Zunge raus. Sie sah aus wie am Vortag. Sie hatte eine ungesunde Farbe von den vielen Tränken angenommen, die er probierte, um das Gift zu neutralisieren. Vergeblich, wie sich herausstellte. Dafür musste er sich von den ganzen Tränken mehrfach übergeben, weil sie sich nicht miteinander vertrugen. Von den Nebenwirkungen ganz zu schweigen. Verfluchter Weasley! Das würde er ihm zurückzahlen, auf Knuts, Sickel und Galleone. Wenn der ein Meister der Flüche war, sollte er sehen, was erst ein Meister der Zaubertränke vermochte.
"Tzobby!" schrie Snape nach dem Hauselfen. Die Gerüchte waren etwas übertrieben, er konnte noch sprechen, freilich, aber es klang, als hätte er sich die Zunge verbrannt. "Tzobby!"
Der Hauself tauchte endlich auf. "Der Professor haben gerufen?"
"Iz werde in tzer Halle frühzücken. Tie Hauzelzen zollen meinen Tzee zertzig machen!"
"Ja Sir, Professor." Der kleine Geselle schaute Snape mit seinen großen runden Kulleraugen ein wenig belustigt an. Seit zwei Tagen musste er sich sehr zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Sein Professor hörte sich so niedlich an.
"Lachtz tzu?" fauchte Snape und bedachte Tobby mit einem bösen misstrauischen Blick.
"Nein, Sir, ich eile -" Schon war Tobby verschwunden und aus der Reichweite seines Professors, bevor er sich wieder vor Lachen ausschütten musste. Der Professor konnte bekanntlich sehr unangenehm werden, und der Montag war noch nie sein Tag gewesen.

An der Tafel der Lehrer schaute Snape wie immer mürrisch und schweigsam drein. Ihm waren aber die Blicke der Lehrer wie auch der Schüler nicht entgangen. Er hörte sie spekulieren, ob das, was da so in der Gerüchteküche brodelte, stimmen mochte oder nicht. Bisher verhielt er sich, wie man es gewohnt war. Nun, in Kürze hatte die erste Klasse Zaubertränke bei ihm, sie würden es herausfinden.
Albus Dumbledore betrachtete seinen Zaubertranklehrer mit einer seltsamen Mischung von Ernst und Heiterkeit. "Severus, wollen Sie wirklich unterrichten?" fragte er noch einmal.
Snape nickte knapp. Sein Haar fiel ihm vors Gesicht und verdeckte seinen genervten Blick.
"Vielleicht sollte ich dann vorher die Schüler informieren? Sie bitten, rücksichtsvoll zu sein?" schlug nun der Schuldirektor vor.
Das war zuviel. Snape schob ungehalten seinen Frühstücksteller heftig von sich, stand auf und presste mühevoll ein "Tzanke, nizt nötzig!" hervor. Mit wehender Robe verließ er den Saal und die Schüler, die ihm nicht rechtzeitig auswichen, fegte er unsanft beiseite.

"Oh, oh!" ließ sich Harry vernehmen. Er hatte unwillkürlich den Kopf eingezogen, als Snape an ihm vorbeisauste. "Das sieht nicht gut aus!"
Auch Ron sah dem gefürchteten Lehrer mit offenem Mund nach. Im Gesicht stand ihm blankes Entsetzen geschrieben. "Ab sofort bin ich im Zustand der Panik! Der wird mich umbringen!" Der Klang seiner Stimme verriet den anderen, dass Ron wohl schon lange um Fassung rang.
"Wieso dich? Hast du nicht gesagt, dass dein Bruder daran Schuld war?"
"Ja, aber Bill muß ja nicht im Unterricht bei ihm sitzen, oder? Er wird sich an allen Weasleys dafür rächen."
"Ach, das kann er doch gar nicht. Wenn er nicht reden kann, wie will er denn Punkte abziehen?"
Ron hatte den Mund wieder zugeklappt und sich seinem Freund zugewandt. "Bist du so naiv oder was, Harry? Die alte Krähe wird schon einen Weg finden. Du wirst sehen. Ich für meinen Teil fürchte um unseren Punktevorlauf."
"Dann sollte dein Bruder mal bald den Gegenfluch finden."
"Es gibt keinen, hat Bill gesagt. Die Wirkung lässt alleine nach. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass er überhaupt so lange anhält."
Die Tür der Großen Halle krachte laut ins Schloss zurück. Snape war weg. Augenblicklich erhob sich ein babylonisches Stimmengewirr.

Dumbledore hatte leicht beunruhigt seinem Lehrer nachgeschaut und dann die Schulter gezuckt. Es war frustrierend, Snape Hilfe anzubieten, wenn er sie nicht haben wollte.
Minerva McGonagall an seiner Seite erlaubte sich ein kleines Lächeln, bevor sie wieder ernst wurde. "Er hört sich immer noch schlimm an. Es klingt, als würde er Parsel für Anfänger probieren. Wie will er mit dieser Stimme Ordnung in seiner Klasse halten? Die Kinder werden ihn auslachen!" Bill Weasleys Streich ging nun doch zu weit und sie trug dafür die Verantwortung.
"Ich glaube nicht, dass sie es versuchen würden."
"Oh, Albus, seien Sie nicht so gutgläubig. Natürlich werden sie." Nicht ganz unbegründet teilte sie zudem die Auffassung von dramatischen Punktverlusten sämtlicher Schulhäuser. Selbst bei den Slytherins.

Eine Gruppe Sechstklässler kam ungewohnt schwatzhaft daher und stürmte neugierig den sonst so gern gemiedenen Unterrichtsraum für Zaubertränke. Wie zu erwarten, war Snape noch nicht da. Einige besonders mutige Schüler aus dem Haus Ravenclaw tüftelten noch an den kleinen Szenarien, die sie sich zurechtgelegt hatten. Eigentlich waren Störversuche dieser Art in Zaubertränke unmöglich, aber unter diesen Umständen unterlagen die Jungen der Versuchung. Einige Knallfrösche und Springpulverkugeln lagen bereits griffbereit. Die zurückhaltenden Hufflepuffs dagegen beobachteten diese Vorbereitungen mit einem eher ungutem Gefühl, mischten sich aber nicht ein.

Der Zaubertranklehrer stand auf dem Gang und lauschte. Die Schüler wirkten ziemlich aufgeputscht und unruhig. Wenn er aber die erste Klasse in Griff bekam, würden die restlichen Unterrichtsstunden wie immer verlaufen. Er musste jetzt nur hart durchgreifen.
Verdammt, Severus, haderte er mit sich selbst. Voldemort ist eine viel gefährlichere Kreatur als eine Meute Schüler. Ach? Wirklich? antwortete ungefragt eine kleine Stimme in seinem Kopf
Langsam zog er seinen Zauberstab hervor und strich gedankenverloren über das warme schwarze Holz. Natürlich würde es nicht besser werden, wenn er vor der Tür stehen blieb. Also gab er sich einen Ruck, atmete tief durch und betrat den Unterrichtsraum. Diesmal jedoch war sein Auftritt um einiges leiser als sonst. Er stürmte nicht herein, sondern trat nahezu lautlos an sein Pult. Kaum einer der Schüler bemerkte ihn und die, die ihn sahen, betrachteten ihn ganz verblüfft als wäre er gerade hier vor ihren Augen appariert.
Für einen kleinen Moment sah es aus, als ob Ruhe einkehren würde, doch weit gefehlt. Die Ravenclaws zumindest schienen mit wichtigeren Dingen beschäftigt.
Snape lächelte boshaft, trat an die Tafel und zog langsam und genüsslich mit seinen Fingernägeln über die dunkle Oberfläche.
Das schrille kratzende Geräusch war so markerschütternd, dass alle Schüler aufschrieen und sich mit den Händen die Ohren zuhielten. Verwirrt und mit schmerzhaft verzogenen Gesichtern starrten sie alle entsetzt nach vorne.
Der Zaubertranklehrer hob gehässig die Augenbrauen, ließ aber die Finger noch immer, als Warnung, auf der Tafel. Brav setzten sich die Schüler auf ihre Plätze und gaben keinen Laut von sich.
Zufrieden warf Snape den Kopf in den Nacken. Die Haare fielen zurück. Ohne ein Wort zu sagen, tippte er mit seinem Zauberstab auf einen Stapel Pergamente, die nun wie ein Blätterwald rauschend durch den Klassenraum flogen und vor den Schülern auf der Bank liegen blieben. Auf dem Blatt standen alle nötigen Informationen für einen neuen Zaubertrank. Neugierig, ob seine Schüler clever oder dumm waren, wartete Snape ab. Zuerst machten sich die Hufflepuffs auf den Weg zu den Regalen, um sich die nötigen Zutaten herauszusuchen. Die Ravenclaws folgten zögerlich. Es dauerte aber nicht lange, da begann es in der Klasse lauter zu werden. Die Kinder schwatzten ungeniert miteinander. Erst leise mit einem kontrollierenden Seitenblick zu Snape, dann aber immer lauter.
Ihr Lehrer sah sich das einige Minuten mit an, bis er erneut die Fingernägel langsam über die Tafel zog. Augenblicklich hatte er wieder die Aufmerksamkeit seiner Schüler und - was wichtiger war - Ruhe im Klassenzimmer.

Albus Dumbledore wanderte rastlos durch die Gänge des Schlosses. Sein Weg führte ihn in die Kerker. Teils aus Neugier, teils aus Pflichtgefühl wollte er wissen, wie Severus mit den Schülern zurecht kam. Als er vor der schweren Tür des Klassenraumes stand, lauschte er. Nichts. Was hatte er eigentlich erwartet? Eine aufgebrachte Klasse mit einem völlig aufgelösten Snape, in einer Ecke kauernd? Still in sich hineinlächelnd wollte Dumbledore bereits gehen, als er etwas hinter der Tür knallen hörte. Sofort vernahm er Lachen und die Stimmen protestierender Schüler. Der Tumult nahm bedrohlich zu und verstummte abrupt, als ein schabendes Geräusch alles überdeckte. Es war so eindringlich, dass selbst der Schuldirektor auf dem Flur unangenehm berührt das Gesicht verzog.
Interessante Methode, überlegte Albus, er sollte sich das mal merken.

Der Zaubertrankmeister stand neben dem explodierten Kessel und sah wütend von einem Schüler zum anderen. Einer von ihnen hatte Springpulverkugeln in den Trank geworfen. Was für ein bodenloser Leichtsinn. Drohend deutete er mit seinem Zauberstab auf einen der Ravenclaws.
"Nein, Professor, ich war es nicht", versicherte dieser mit einem panischen Blick auf die Spitze des schwarzen Stabes.
Natürlich war er es, Snape hatte es gesehen. Genau das sagte auch seine Miene. Er hob fragend die Augenbrauen. Der junge Ravenclaw jedoch leugnete erneut.
Snapes Gesicht nahm einen gleichgültigen Ausdruck an. Er zuckte die Schulter. Mit dem Zauberstab zeichnete er eine Minus 20 in die Luft und deutete auf seinen Schüler.
Langsam und mit einem bösen Grinsen um die Mundwinkel schritt er zu seinem Pult zurück. Hinter ihm löste sich die in leuchtenden grünen Lettern geschriebene Zahl auf.
Als er sich herumdrehte und die stumme Klasse sah, schaute er betont gelangweilt drein.
"Zwanzig Punkte?" würgte eine andere Ravenclaw hervor. "Aber Professor, bitte ..."
Snape brachte die Schülerin mit einem finsteren Blick zum Schweigen. Erneut tippte er mit seinem Zauberstab auf ein Pergament und ließ eines davon zu dem Schüler fliegen, der den Unterricht gestört hatte, und ein Blatt zu der jungen Ravenclaw, die ihm widersprechen wollte. Es waren Strafarbeiten.
In dieser Doppelstunde gab es keinen größeren Störversuch mehr. Weitere zwanzig Punkte Abzug wollte keiner riskieren. Dennoch hagelte es noch einige kleinere Punktabzüge, die der Zaubertranklehrer großzügig verteilte. Ähnlich sah es mit Strafarbeiten aus. Snape schien einen ganzen Stapel vorbereiteter Aufgaben zu haben, von denen er noch je fünf unter den Hufflepuffs und Ravenclaws verteilen konnte, bevor die Stunde um war.
Die nachfolgenden Klassen der nächsten Unterrichtsstunden verhielten sich wesentlich kooperativer, weswegen Snape leider nur wenige Punkte abziehen und Strafarbeiten verteilen konnte. Der Buschfunk in Hogwarts klappte also reibungslos. Fast bedauerte der Zaubertrankmeister das ein wenig.

***



Das Schuljahr ging nun mit raschen Schritten seinem Ende entgegen. Schüler wie Lehrer waren darüber durchaus froh, denn bei der beginnenden Sommerhitze erlahmten die meisten Initiativen. Die Gedanken wanderten ab zu schattigen Plätzen mit einer frischen Briese, kühlen Getränken und natürlich dem letzten Quidditch-Spiel der Saison. Der diesjährige Sieger des Quidditch-Pokals, das Haus Gryffindor, sollte gegen eine Auswahl der Lehrer antreten. Wer jedoch in der Weißen Mannschaft vertreten sein sollte, blieb ein gut gehütetes Geheimnis.
Zwei Tage vor Schulende war es endlich soweit.

Auf dem Quidditchfeld summte es wie in einem Bienenstock. Nicht ein Schüler, Lehrer, Angestellter aus Hogwarts oder Gast wollte sich dieses finale Spiel zum Abschluss des Schuljahres entgehen lassen. Sogar die Schlossgeister hatten sich zu ihren Häusern gesellt oder schwebten auf den Tribünen der Gäste und Lehrer herum.
Aufgeregt schwatzend nahmen die Slytherins auf ihren Rängen platz und sahen voller Spannung auf das große Tor, wo die Weiße Mannschaft erscheinen würde.
Das Rot der Gryffindors wehte fröhlich im Sommerwind, sie stellten sich natürlich auf die Seite ihres Teams. Die Ravenclaws tendierten mehrheitlich zur Weißen Mannschaft, während sich auf der gegenüberliegenden Seite die Schüler der Hufflepuffs nicht entscheiden konnten, welche der Mannschaften sie favorisieren wollten. Rot oder Weiß? Einige von ihnen fanden einen Kompromiss, indem sie Tücher beider Farben schwenkten.

"Sehr geschätzte Lehrer und liebe Schüler, verehrte Gäste und Freunde, Ladies und Gentlemen, meine Damen und Herren, Mesdames und..."
"Sie müssen uns nicht Ihre Sprachkenntnisse offerieren, Sie sollen nur ein Quidditch-Spiel kommentieren, Mister Jordan!" wies McGonagall ihn zurecht.
"Zu diesem unvergleichlichen Spiel heißt Hogwarts Sie herzlich willkommen. Erleben Sie das Meisterspiel dieser Saison. Erleben Sie ein Quidditch der Superlative..."
"Jordan!"
"...ähm, ... sehen Sie heute unter der Aufsicht unseres berühmten Schuldirektors, Professor Albus Dumbledore, das Spiel des Jahres. Professor Dumbledore in seiner hervorragend aussehenden grünen Schiedsrichterrobe bringt soeben die Bälle aufs Spielfeld. Los Leute, einen herzlichen Applaus für unseren Schuldirektor und den größten Magier der Welt: Albus Dumbledore."
Ein donnernder Applaus schall zur Begrüßung in den sommerlichen Nachmittagshimmel.
Jubelnde Pfiffe und Schreie waren zu hören, als der Schulleiter zu den vier Häusern winkte und gut gelaunt die Kiste mit den Spielbällen auf den Boden sinken ließ.
Er trug eine weite Robe, mit der er bequem auf einem Besen fliegen konnte. Es war ein ziemlich alter Besen, wie einige Schüler fachsimpelten, ein richtiger Oldtimer. Aber wen kümmerte das. Professor Dumbledore wäre nicht Professor Dumbledore, wenn dessen Besen nicht mehr drauf hätte, als man ihm ansah.
Zufrieden mit seinem Auftritt steckte der Direktor seinen Bart in den Gürtel und wartete geduldig auf die beiden Mannschaften, die gleich aus den gegenüberliegenden Mannschaftsräume auftauchen würden.
"Er sieht um Jahre jünger aus!" bemerkte Hermine strahlend. "Und schau mal, er hat sich das lange Haar zu einem feschen Zopf geflochten. Dass ich das mal erleben darf!" Sie drehte sich zu Ron um, dessen Gesicht vor Aufregung gerötet war und in einem seltsamen Kontrast zu seiner Haarfarbe stand. "Hast du dich schon für eine Mannschaft entschieden, Ron?" wollte Hermine wissen.
"Ich kann mich nicht entscheiden!" presste er gequält hervor. "In unserem Team spielen George, Fred und Harry, aber bei den Lehrern wird wohl Bill mitmachen!"
Hagrid klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. "Dann freu dich auf das Spiel und lass die bessere Mannschaft gewinnen."

"Und soeben bekomme ich die Liste mit den Spielern der Roten und Weißen Mannschaft auf die Bühne gereicht. - Danke, Collin. - Hier ist sie also, die Liste unserer Spieler, auf die wir alle so sehnlichst gewartet haben. Die Rote Mannschaft der Gryffindors setzt sich aus dem Erfolgsteam der hiesigen Saison zusammen: die drei Jäger sind Katie Bell als Mannschaftskapitän, Angelika Johnson und Alicia Spinnet, Hüter ist Antonius Anders, wie immer bewährt und unschlagbar als Treiber Fred und George Weasley. Und natürlich als Sucher unser allseits bekannter Harry Potter!"
Lee musste einen Moment warten, bis es auf den Rängen wieder ruhiger wurde. "Und nun die Spieler der Weißen Mannschaft." Es wurde so still, dass die Gäste die Grillen auf der Wiese und am See hören konnten.
"Unter der Leitung ihres Mannschaftskapitäns und Suchers, Madam Hooch, werden wir Professor Flitwick, Professor Vektor und Professor Sinistra als Jäger erleben. Torhüter ist Professor Sprout und die Treiber werden sein, Mister Bill Weasley und Professor Snape.
Ja, liebe Lehrer, Schüler und Gäste, damit ist das so sorgsam gehütete Geheimnis gelüftet. Begrüßen Sie nun unsere beiden Mannschaften zum Spiel Lehrer gegen Schüler!"
Die Tribünen wandelten sich in einen Hexenkessel, wo alles grölte, applaudierte und jubelte, was das Zeug hielt. Rote und weiße Tücher wurden wie wild geschwenkt.

"Kommen Sie, Severus, seien Sie nicht so stur!" drängte Madam Hooch. "Was haben Sie gegen Weiß?"
Der Zaubertrankmeister wollte das Wort hässlich benutzen, besann sich aber und grollte ein: "Es ist mir nicht angenehm."
Bill Weasley, der sich gerade die Uniform zurechtzupfte, grinste zu Snape hinüber. "Oh, ich weiß, was Sie meinen, aber wir sind nun mal die Weiße Mannschaft. Kommen Sie, nach ein, zwei Klatschern und einer Bruchlandung auf dem Rasen wird die Kleidung nicht mehr weiß sein. Ist ein Versprechen." Der jüngere Mann sah den älteren augenzwinkernd an.
Snape antwortete mit einem tiefen Grollen. "Erst dieses lächerliche Theaterspiel und nun das hier. Glauben Sie wirklich, dass die Schüler noch Respekt vor jemandem haben, der sich regelmäßig zum Clown macht?"
"Ah, Ihre Autorität machen Sie an derartigen Kleinigkeiten fest?" fragte Madam Hooch spöttisch. "Dann hätten Sie nicht zustimmen sollen, in unserer Mannschaft mitzuspielen." Die Lehrerin für Flugkunst trug ihre Uniform mit Stolz und Würde.
Wieder ein unerwünschter Kommentar von Bill. "Als Hauslehrer hatte Albus ihm gar keine Wahl gelassen. - Pech für Sie, Professor."
Der Zaubertrankmeister hob beschwichtigend die Hand. "Ja, ja, ist schon gut!" gab er auf. Zum letzten Mal sah er auf seine schwarze Kleidung und tippte schließlich mit dem Zauberstab darauf "Recolor blanca!" Sofort trug er jetzt wieder das Weiß der Lehrermannschaft. "Ich wünschte, die Slytherins hätten den Quidditch-Pokal gewonnen, dann müsste Minerva mitspielen und ich könnte auf der Tribüne sitzen."
"Hören Sie sie jubeln?" Professor Flitwick sah durch einen Spalt in der Plane auf das Spielfeld hinaus. Er war aufgeregt wie ein kleiner Junge. "Das erinnert mich an meine früheren Jahre. - Oh, die Ansage. Wir müssen uns bereit halten."
Jeder der Lehrer griff nach seinem Besen und stellte sich gehorsam auf. Snape und Bill bildeten das Ende. "Nicht sauer, dass Sie nicht den Posten des Suchers bekamen, Weasley?" wollte Snape wissen.
"Nein, nicht wirklich. Als Treiber haben wir doch den besten Job mit dem meisten Spaß."
"Sich von Klatschern vom Besen schießen zu lassen, bezeichnen Sie als Spaß?"
"Ach, Professor, geben Sie es zu, Sie genießen es, gegen die Gryffindors zu spielen, um sich mal richtig auszutoben."
Bill sah, wie sich für einen Moment Snapes Lippen zu einem hämischen Grinsen verzogen.
"Es würde in Schwarz mehr Spaß machen!" gab er tonlos zurück. "Sie wissen doch, ich bin hier der Böse vom Dienst!"
Die beiden Männer traten vor, schwangen sich auf ihre Besen und folgten den anderen Spielern in die Luft.

Der Anpfiff erfolgte unmittelbar, und binnen weniger Augenblicke verwandelte sich die Arena in eine Art Tollhaus. Das Team der Gryffindors zeigte sich außerordentlich nervös, bis auf die beiden Weasley-Zwillinge, die glaubten, dass ihr Bruder in der Mannschaft der Lehrer für sie kein ernsthaftes Hindernis darstellen würde. Bekanntlich hielten die Weasleys immer zusammen. Doch wie sich herausstellte, war Quidditch eine Ausnahme. Bill sorgte mit seinem Schläger sehr schnell dafür, dass Fred und George voll zu tun hatten.
Harry stieg inzwischen hoch über das Spielfeld auf und hielt nach dem Goldenen Schnatz Ausschau. Madam Hooch flog ganz in seiner Nähe und lächelte ihm augenzwinkernd zu.
Unter ihnen bestürmten der flinke Professor Flitwick auf seiner Besenspezialanfertigung zusammen mit Professor Sinistra hartnäckig die Tore der Gryffindors. Das sah wirklich nicht gut für Harrys Mannschaft aus. Sie alle waren viel zu eingeschüchtert, um planvoll gegen die Lehrermannschaft vorzugehen.
Ein Aufschrei in der Menge und Harry drehte sich um. Starr vor Schreck sah er einen Klatscher auf sich zurasen. Der Ball hätte ihn getroffen, wenn nicht George dazwischengegangen wäre und ihn mit dem Schläger auf die gegnerische Seite zurückgeschlagen hätte. "Harry, hör auf zu träumen, die Lehrer machen uns platt, wenn du nicht bald den Schnatz findest."
George drehte ab, weil bereits ein zweiter Klatscher auf die ahnungslose Alicia zuraste, die gerade im Besitz des Quaffels war und nun mit dem Besen auf die gegnerische Seite flog, die Professoren Sinistra und Flitwick im Schlepptau. Immer wieder sah sich das Mädchen nach ihren Verfolgern um und entdeckte Professor Snape zu spät, der ihr mit einem beinahe eleganten Schlag einen gezielten Klatscher entgegenschickte. Diesmal kamen die Zwillinge zu spät. Durch den Treffer verlor Alicia den Quaffel an Professor Vektor, der ihn geschickt auffing und zurück zur Gryffindorseite brachte, kurz die nötige Flugbahn berechnete und nach einer Finte direkt an Antonius Anders vorbei in den Ring traf. Der Gong ertönte und auf den Tribünen schwenkten begeisterte Schüler weiße Tücher für die Mannschaft der Lehrer.
"Was für ein perfekter Wurf und welche vollendete Flugbahn, Professor Vektor!" ließ sich Jordan am Mikrofon hören. "Gryffindor jetzt wieder in Quaffelbesitz. Angelika und Katie wechseln sich einander ab und haben die Tore der Weißen Mannschaft fast erreicht. Madam Sprout ist bereit und ... Wurf ..." Der Gong ertönte erneut. "Tor für Gryffindor. Professor Flitwick hat den Quaffel. Er taucht unter den Jägern der Gryffindors durch. Nein, sie bekommen ihn nicht zu fassen. Schon ist er fast am Tor. Angelika versucht ihn noch abzufangen, doch unser Professor Flitwick fliegt ein halsbrecherisches Wendemanöver. - So was hat Hogwarts noch nicht gesehen. - Er entwischt erneut. Es sieht ganz so aus, als ob der Professor den obersten Ring anvisiert. - Nein er gibt den Quaffel nach unten ab. Das ist eine perfekte Parskoff-Täuschung! - Professor Sinistra fängt ihn auf, doch was ist das? Der Quaffel rutscht ihr durch den Arm. Er fällt nach unten. Und fällt Katie direkt in die Hände. Schon saust sie davon und durchbricht die Abwehr von Bill Weasley und Professor Snape. Die beiden weichen aus. Madam Sprout vor dem Tor und jetzt Wurf .... Tooor .... Neiiiiin, kein Tor! Madam Sprout hat den Quaffel nur wenige Handbreit vor dem Ring abgefangen. Sie hält den Ball hoch und wirft ihn zu Professor Flitwick."
Der kleine Lehrer für Zauberkunst hatte sich schon lange nicht mehr so herrlich amüsiert. Kichernd jagte er mit seinem Rennbesen an den Gegnern vorbei und entdeckte einen Klatscher, der es auf ihn abgesehen hatte. Suchend sah er sich um und sah Snape auf sich zukommen.
Der Zaubertrankmeister winkte ihn in seine Richtung.
Flitwick bog ein wenig ab und hatte nun auch den zweiten Klatscher an seinen Fersen. Das sah nicht gut aus, aber er hielt noch immer auf Severus zu. Der hob den Schläger und als Flitwick an ihm vorbei raste, versetzte Professor Snape beiden Klatschern kurz hintereinander einen ordentlichen Schlag in die Richtung von Flitwicks Verfolgern. Fred Weasley war viel zu weit entfernt, als dass er seinem Bruder helfen konnte, beide Bälle abzufangen. Einer traf Katie, die beinahe vom Besen gerutscht wäre.

Madam Hooch, noch immer in Wartestellung, schaute zufrieden nach unten zu ihrer Mannschaft. Für einen bunt gemischten Haufen älterer eingerosteter Damen und Herren waren die Professoren ganz gut in Form. Inzwischen stand es 50 : 60 für die Weiße Mannschaft.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Madam Hooch ein kurzes Glitzern und schon setzte sich Harry Potter in Bewegung. Madam Hooch folgte umgehend dem Sucher der Gryffindors. Nach wenigen Metern jedoch bremsten beide ab. Der Schnatz war wieder verschwunden.
"Verdammt!" Harry biss sich auf die Lippen und brachte seinen Besen erneut in Wartehaltung oberhalb des Spielfeldes. Unter ihm flogen die Gryffindors in der Falkenkopf-Angriffsformation und konnten so einen Treffer landen. Langsam setzte sich bei seiner Mannschaft die antrainierte Routine im Spiel wieder durch.
Professor Snape flog näher zu Bill Weasley heran und deutete mit der Hand auf einen Klatscher, der sich im Moment noch nicht entscheiden konnte, welcher Spieler sein nächstes Ziel werden sollte. Dann setzten sich beide in Bewegung. Der Klatscher entschied sich für Snape, der ihn jedoch problemlos zurückschlagen konnte, jedoch nicht so weit, dass er aus Bill Weasleys Reichweite kam. Der stieß den Ball zu Snape zurück. Zusammen trieben sie den Klatscher immer weiter zu den Ringen der Gryffindors.
Hinter ihnen sauste Flitwick mal wieder mit dem Quaffel unter dem Arm in Richtung Gryffindortore. Kurz vor dem Ziel entließen die Treiber der Weißen Mannschaft den Klatscher. Bill Weasley feuerte ihn gegen den Torhüter der Gryffindors, der sich nun zwischen einem Treffer durch einen Klatscher oder einem Tor für die Lehrer entscheiden musste.
Der Klatscher nahm ihm die Entscheidung ab, und Professor Flitwick baute den knappen Vorsprung aus.
Vor Freude über ihr kleines gelungenes Manöver vergaßen Weasley und Snape den zweiten Klatscher, der Bill mit voller Wucht traf.
"Wouh!" schrie dieser auf und konnte sich gerade noch rechtzeitig an seinem Besenstiel festhalten. Er hing kopfüber frei unter dem Besen und sah für einen Moment in die Tiefe.
Snape schoss den Klatscher zu der nächsten gegnerischen Person und lächelte boshaft, als er feststellte, dass Potter die Flugbahn des Klatschers kreuzte und nun vor dem Ball davonraste. Lässig den Schläger auf der Schulter abstützend, schaute er zu Bill hinüber, der versuchte, wieder auf seinen Besen zu kommen. "Was hängen Sie da so rum, Weasley? Das Spiel ist noch nicht entschieden. Schwingen Sie sich wieder rauf und beeilen Sie sich gefälligst!"
"Klar doch, Professor, kein Problem", knurrte Bill. Er wollte noch etwas hässliches hinzufügen, als er die Augen weit aufriss und auf einen ganz bestimmten Punkt vor ihm starrte. Genau vor seiner Nase schwirrte der Schnatz herum. "Ich hoffe, keiner kommt jetzt auf dumme Ideen", sagte er sich, doch der Schnatz war bereits wieder fort. "Glück gehabt!" atmete Bill auf. Es gelang ihm endlich, sich wieder auf den Besen zu schwingen. Mit einem flinken Manöver steuerte er Richtung Rasen. Im freien Flug griff er nach seinem runtergefallenen Schläger und sauste, ohne mit den Füßen den Boden berührt zu haben, wieder hinauf ins Getümmel.

Das Spiel ging bereits eine halbe Stunde, als Harry und Madam Hooch den Schnatz erneut entdeckten und eine wilde Verfolgungsjagd begann.
Die beiden Sucher rasten kreuz und quer über das Spielfeld, an den Tribünen vorbei und dicht über den Köpfen der Zuschauer hinweg. Einige Male wechselte der Schnatz so abrupt die Richtung, dass Harry und Madam Hooch aus der Bahn gerieten und fast mit einem der Holzgerüste zusammenstießen.
Lee Jordan auf der Sprechertribüne kommentierte die wilde Jagd. "Welch waghalsiges Manöver, es sah ganz so aus, als hätte Madam Hooch den Schnatz fast gehabt. Unglaublich unsere Lehrerin für Flugkunst. Sie macht es Harry nicht leicht. Schon sind beide Sucher wieder gleichauf. Wer wird den Schnatz fangen. - Seht euch das an, Leute, unglaublich. Harry versucht es wieder freihändig und holt so einen hauchdünnen Vorsprung heraus."
Ein Gong lenkte die Zuschauer kurz ab. Der Punktestand kletterte auf 120 zu 180 für die Weiße Mannschaft.
Dann ein Pfiff von Dumbledore. Harry hatte den Schnatz vor Madam Hooch erwischt und hielt ihn nun freudestrahlend in die Höhe. In diesen Moment traf ihn ein Klatscher, der noch unterwegs war und wirbelte ihn ein wenig herum. Doch das konnte Harrys Triumph nicht schmälern.
Bill flog zu Snape hinüber. "Tja, zu spät. Hätte der Klatscher eher getroffen, wären wir die Sieger."
Snape zuckte die Schulter. "Es war ein Versuch wert." Er steuerte zum Boden und stieg vom Besen. "Aber mit einem hatten Sie recht", sagte er zu Bill, der neben ihm landete.
"Ja? Was?"
"Die Kleidung blieb nicht lange weiß!"
Die Zuschauer, egal für welche Mannschaft sie auch gewesen sein mochten, feierten dieses sehenswerte Spiel mit lautem Jubel. Rote Tücher hin und her schwenkend stürmten die Gryffindors auf den Spielplatz.
Dumbledore strich sich lachend über den Bart. Madam Hooch und Katie Bell gaben sich die Hand. "Gutes Spiel, Bell!" lobte die Lehrerin. "Ein richtig gutes Quidditch war das."
"Danke, aber Sie haben es uns nicht gerade leicht gemacht."

Der Abend klang mit einer zünftigen Party im Gryffindor-Turm aus, während die Professoren sich ins Lehrerzimmer zurückzogen und über das Ergebnis von 270 zu 180 diskutierten.
"Mit ein wenig mehr Übung gewinnen wir im nächsten Jahr das Spiel für uns", agitierte Madam Hooch. Snape blieb der Tee im Halse stecken und hustete. "Nächstes Jahr?"
"Wir sollten das unbedingt wiederholen, finden Sie nicht, Severus?"
Der Zaubertrankmeister brummte etwas unverständliches und verzog das Gesicht. Professor Flitwick stimmte sofort strahlend zu und konnte auch Madam Sprout für die Idee begeistern.
Zum Glück für Snape war ein Jahr eine lange Zeit und bis dahin konnte die Idee schon längst wieder vergessen worden sein. Hoffte er zumindest.




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