Sonne, Mond und Blitz

 

 

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Kapitel 5: Zaubertränke

 

Es war ein grauer Nachmittag, Stürme hatten eingesetzt und der Wind pfiff durch jede Ritze des Hauses. Solaris stapfte den neuen Zauberstab in der Hand zu den Kerkern. Wieder eine Doppelstunde bei Snape diesmal außerhalb des regulären Kurses. Apathisch hatte sie meist irgendwelche Sachen zerschnippelt und mit Blick auf ihren Nachbarn zusammengerührt. Die zynischen Bemerkungen Snapes waren an ihr abgeprallt wie Regentropfen an einer Lotuspflanze. In ihr waren in letzter Zeit öfters dumpfe Gedanken aufgestiegen und sie fragte sich zusehends ob sie wirklich eine elfjährige Schülerin sein konnte –wenn ja, dann waren die anderen wohl ein Haufen Zwerge. Sie strengte sich an sich zu erinnern. Sie sah eine alte Hausruine, ein Lager aus Stroh, Elfen und ihre Schlange Basil. Sie sah sich mit Sonnenaufgang aufstehen und Kräuter suchen und mit Sonnenuntergang auf ihr Lager sinken. Sie sah einen großen Hain im Wald und hörte Quellwasser rauschen. Sie seufzte. Weiter gingen die Erinnerungen nicht. Sie sollte sich auf das jetzt konzentrieren und für Zaubertränke wappnen. Sie fror. 

Das Labor war dunkel und dampfig etliche Kessel standen auf den Feuerplätzen, die Schüler hatten sich schon auf ihre Plätze begeben. In den Regalen glitzerten die Gläser mit eingelegten Tierinnereien und Kräutern, blitzten Phiolen, kupferne Waagen und allerlei Gerätschaften, in einem Glasschrank mit lauer kleinen Schubladen konnte man tausenderlei verschiedenste Trankzutaten bestaunen. 

Snape blickte auf, als sie den Raum betrat und registrierte ihren verträumten Ausdruck mit Stirnrunzeln. "Ach auch schon da? Das macht 10 Punkte Abzug für Gryffindor. Kommen Sie das nächste mal pünktlicher und träumen nicht durch die Gegend" 

Solaris schaute verlegen auf den Boden und nickte zögerlich als sie auf den Platz zuschritt, den Snape ihr zuwies. Snape teilte verschiedene Hefte mit Rezepten aus. "Heute möchte ich, dass Ihr mit alten Aufzeichnungen arbeiten übt und anhand der Zusammenstellung herauszufinden versucht, was man mit diesen Tränken bewirken könnte, ich bitte mir absolute Ruhe aus!" 

Man hörte Rascheln, das Geräusch, wenn Zutaten zerkleinert werden; die Schüler bewegten sich leise und konzentriert vor ihren Kesseln. Snape wandte sich seinem Tisch zu um sich einem Trank zu widmen, den er für Hagrid zubereiten wollte, der bei einem Kampf mit einem Drachen gewaltig an Kraft verloren hatte und seit Wochen darniederlag. Wo war nur das Heft mit der Anleitung? Nicht, dass er das nicht auch auswendig zusammengebracht hätte, aber sicher ist sicher. Er blickte im Labor herum. Erstaunlich still diese Schüler eine echte Erholung nach der 5. Klasse. Dieser Longbottom hatte es tatsächlich wieder fertiggebracht seinen Kessel explodieren zu lassen. Mindestens 10 Schüler musste er mit Brandverletzungen in die Krankenstation schicken lassen und es dauerte Ewigkeiten das Labor wieder in Ordnung zu bringen. Er seufzte und strich gedankenverloren sein Haar hinter die Ohren. Dann machte er sich wieder auf die Suche nach seinem Manuskript. 

Er schritt langsam von Schüler zu Schüler und beobachtete sie ohne sie besonders zu stören. Da fiel sein Blick auf den Platz von Solaris. Da war ja sein Manuskript. So etwas, - er hatte ihr das falsche Heft gegeben. Das war doch wirklich nichts für sie. Er wollte auf sie zugehen und ihr das Heft abnehmen, blieb aber bei ihrem Anblick wie angegossen stehen. 

Völlig konzentriert blickte sie auf das Heft. Vor ihr lag ein Haufen an Zutaten, die zum Rezept gehörten. Im Kessel simmerte sanft das Wasser. Sie nahm eine Wurzel an ihre Nase und schnupperte intensiv daran, befühlte sie eingehend und zerteilte sie vorsichtig in ganz feine Streifen, die Hand in einem gleichmäßigen flinken Rhythmus. Dann nahm sie ein paar Gräser zur Hand rollte sie um die Finger und striff sie energisch aus, knickte sie mehrfach und zerteilte sie mit der Handkante in schmale Stücke. Sie nahm ein Glas mit Froschhirn und blickte andächtig von außen hinein um dann mit einer scharfen Drehung das Gefäß zu öffnen und das Hirn sanft in den Mörser gleiten zu lassen. Sie drückte mit einem Stein das Hirn zusammen bis es komplett zu Mus gematscht war. Sie bewegte sich sicher und anmutig. Dann nahm sie eine Knolle Meerrettich und rümpfte ihre Nase. Sie schob sie weg und begab sich auf die Suche nach einer frischen. Sie rieb die Knolle auf, Tränen traten in ihre Augen. Sie wischte sie mit dem Ärmel weg und begann wie im Trance alle Zutaten langsam nacheinander in den Kessel zu schütten und gleichmäßig zu rühren. Sie sah auf das Heft, ihr Blick war fragend. Dann fühlte sie den Mittelstreifen und guckte konsterniert in die Luft. Snape hielt den Atem an. Ja, hier fehlte eine Seite. Was würde sie wohl tun? Sie steckte einen Finger in die Flüssigkeit, die gelblichbraun vor sich hin blubberte uns schleckte ihn nachdenklich ab. Sie zögerte und machte sich an ihrem Zutatenkit zu schaffen. Ja, Teufelskralle und Ziegenbart genau das hatte gefehlt. Sie war immer noch nicht zufrieden und schritt energisch auf den Glasschrank zu: Dann fiel ihr Blick auf einen Bund Katzenminze auf dem Lehrerpult und sie griff sich ein Büschel Blätter und kehrte an ihren Platz zurück. Snape schluckte. Das sah gefährlich nach Konkurrenz aus. Sie agierte so als braute sie täglich die kompliziertesten Tränke. Routine und Geschick waren ihr sicher nicht abzusprechen. Er liebte es zuzuschauen, wenn jemand perfekt arbeitete. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er beobachtete wie sie ihren Trank fertig stellte und versonnen in den Kessel schaute. 

In dem Moment sprach ihn ein Schüler von hinten an und wagte eine Frage. Snape drehte sich jäh herum das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. "Sie sollten allein zurecht kommen, 10 Punkte Abzug für Ravenclaw." 

"Aber Professor, ich bin fertig, ich wollte wissen ob ich gehen kann" 

Snape betrachtete den Trank eingehend hörte sich die Erklärungen an und nickte. Da er schon einmal dabei war wandte er sich gleich den anderen Schülern zu und fertigte sie ab. 

Solaris war übrig geblieben. Sie rührte immer noch in ihrem Kessel sacht und langsam, die Farbe hatte sich jetzt in ein Himmelblau gewandelt. Snape näherte sich Solaris. Er maß die schlanke Gestalt mit seinen Augen und sein Atem ging schwerer. Als er ihr gegenüber trat, füllte sie ihm mit einem Schöpflöffel ein Glas und reichte es ihm herüber. Er schaute in ihre Augen. Sie strahlte Wärme und Vertrautheit aus. Sein Magen rumorte und ohne zu denken nahm er das Glas prostete ihr zu und als sie auch ein Glas erhob trank er es genießerisch aus. Er spürte die Wirkung sofort: gleißende Hitze erfüllte seinen Körper. 

Oh nein, sie hatte ihn reingelegt, das war wirklich nicht die Wirkung, die er erwartet hatte, ja er stärkte die Glieder aber das... 

"Was hat du da zuletzt noch reingetan?" blaffte er sie an. 

Sie schaute ihn entsetzt an und zog aus ihrer Hosentasche eine Wurzel. "Die habe ich in Hogsmeade gekauft, ich musste sie kaufen und ich war mir sicher, dass sie in diesen Trank gehört!" 

Snape lief rot an. Er spürte das Flattern von Schmetterlingen in seinem Bauch, sein Puls raste, Gänsehaut lief an ihm herunter. Seine Gesichtsfarbe wirkte plötzlich so lebendig, sein Haar ringelte sich in schwarzen lockeren Locken ins Gesicht. Er wirkte um Jahre jünger und das dumme Lächeln war aus seinem Gesicht nicht wegzubekommen. Er war nah am Heulen. "Tu so etwas nie wieder" schrie er sie an. Er fühlte sich wie ein Idiot; diese Hexe! Er floh aus dem Labor und ließ Solaris verdattert stehen. Sie schluckte: eben noch war sie in einem Rausch der Gefühle gefangen, jetzt könnte sie zum Himmel schreien. Was hatte sie falsch gemacht? 

Dumbledore kreuzte Snapes Weg. Er hielt den aufgebrachten Lehrer am Ärmel fest und zog ihn in das nächstbeste Klassenzimmer. "Was ist los Severus?" "Liebeswurz" schnaufte er, sie hat mir einen Trank mit Liebeswurz angedreht und ich Idiot habe ihn einfach genommen, wie kann man nur so blöd sein." "Immer der Reihe nach, was ist geschehen?" Außer Atem berichtete Snape von seinen Beobachtungen im Labor. Einige Passagen waren recht träumerisch vorgetragen, voller Zärtlichkeit erklärte er wie sie mit dem Rezept umgegangen war mit welcher Kunstfertigkeit sie den Trank hergestellt hatte. Vor seinem inneren Auge erstarkte dabei das Bild von Solaris, die wie eine wahre Künstlerin Tränke zu komponieren wusste... Dumbledore grinste in sich hinein. Jetzt hatte es Severus auch mal erwischt, wenn auch mit einem gewissen Zauber. Solaris schien sich sehr interessant zu entwickeln... Er betrachtete Snape, dessen Antlitz strahlte, dessen Haare leuchteten und dachte sich: Der wird beim Essen einige Bemerkungen auszuhalten haben... Laut sagte er "die Wirkung lässt bekannterweise in 3 Tagen nach, halb so schlimm, sei froh, dass sie dir kein Pestwurz oder grausameres untergejubelt hat." " Du machst Dich über mich lächerlich?" klagte Snape. "und das will ein ordentlicher Schulleiter sein!" "Nun, hab' Dich nicht so" antwortete Dumbledore, "es wird Zeit zum Essen, komm mit" 

Er lächelte öffnete die Tür und ließ Snape vorangehen. 

Snape eilte mit Dumbledore den Gang entlang an diversen Schülern vorbei, die sofort stehen blieben und Grüppchen bildeten. Die Bilder an der Wand tuschelten miteinander. Snape schaute sie konsterniert an. Wenn er so aussah wie er sich fühlte... Er ging schwingenden Schrittes voran, aufrecht und locker wie auf Wolken, er fühle dass sein Gesicht gerötet sein musste, er sah an seinen Händen, dass er Farbe angenommen haben musste. Er entschuldigte sich bei Dumbledore und verschwand in einer Lehrertoilette. Vor den Spiegel blieb er stehen und wagte einen zaghaften Blick. Er sah sich wie er in guten Zeiten mal ausgesehen hatte, damals als er noch tanzen ging und Spaß hatte, damals, bevor er die falsche Entscheidung getroffen hatte. Seine Augen glitzerten verräterisch, in das künstliche Hochgefühl mischte sich Trauer um verlorene Jahre. Was hatte diese Hexe ihm angetan. Er nahm sich vor sich gar nichts anmerken zu lassen doch er spürte, dass dieses verflixte Liebesserum erst so richtig zu wirken begann. Das mochte ein schöner Abend werden! 

Es war schlagartig still als Snape den Speiseraum betrat, dann setzte aufgeregtes Gemurmel ein, doch Snape hatte nur Augen für Solaris, die strahlte und mit ihrem glücklichen Ausdruck den Raum zu füllen schien. Auch bei ihr wirkte also der Trank... 

Ihre Blicke kreuzten sich: Sie wurde tiefrot, ihre Hände wurden feucht, ihr Herz schlug wie wild. Sie wusste, das diese Wirkung auf das Elixier zurückzuführen war, nein, sie dachte es, oder: war es doch eher so, dass sie das schon immer irgendwie gespürt hatte... Wie sagte Hermione... "verknallt" war das so? War das ihr Counterpart, die andere Hälfte ihrer Persönlichkeit? Sie straffte ihren Rücken und wies die Gedanken von sich. Sie strich mit ihren Händen über Schultern und Oberarme als wollte sie das alles ablegen, dann blickte sie Severus Snape träumend an. Sie begehrte mit ihren Fingern durch seine Locken zu fahren, seine Wangen zu streicheln. Snape schien ihre Gedanken lesen zu können. Für einen unbemerkten Moment erwiderte er ihren Blick, versank in ihren Augen. Dann richtete er sich auf und widmete seine Aufmerksamkeit gänzlich der neben ihm stehenden Weinflasche. Einige Glas später erhob er sich und floh in sein Zimmer, er konnte es nicht mehr aushalten, entkorkte eine Phiole mit der smaragdgrünen Flüssigkeit und wartete darauf, dass nach einem guten Schlaf der neue Tag wieder vertrautere Gefühle zutage brachte. 

Im Gryffindorhaus lachte man herzhaft über Solaris Abenteuer mit dem Liebeswurz, Solaris feierte mit allen einen lustigen Abend voller Frotzeleien und Flirt. "Hat Dir Malfoy von dieser Wurzel gegeben" witzelte Ron und kugelte sich am Boden. "Du hättest wohl auch gern davon bekommen" konterte ihm Harry und alle brachen in Lachen aus 

Solaris fühlte sich wie im Rausch, doch eine leise Stimme im Inneren sagte ihr, dass es Zeit wäre sich zurückzuziehen. Sie verabschiedete sich und schlenderte langsam zu ihrem Zimmer zurück. "was habe ich getan" fragte sie die Sterne als sie wieder am Gangfenster stand. "was habe ich getan? es lief alles so wie von selbst, wie selbstverständlich...Ich kann ... Zaubertränke brauen." 

Unter Dumbledores wachen Augen ging sie in ihr Zimmer. Sie starrte von ihrem Bett aus auf die Schätze, die sie in Hogsmeade erworben hatte. Ganz besonders hatte es ihr ein Glas mit einer irisierenden Flüssigkeit angetan. Sie stand auf und öffnete den Verschluß. Sicher eine Viertelstunde lang ließ sie sich gefangen nehmen bis sie zuschraubte und sich todmüde auf ihr Bett warf. Das war ein langer Tag. 



Kapitel 4

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