Harry Potter und das Sonnenamulett

 

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Kapitel 4: Kreacher




Am nächsten Tag erhielten Ron, Harry und Hermine die Ergebnisse ihrer ZAG-Prüfungen. Harry war aufgeregt, als er seinen Brief öffnete. Würde er die Laufbahn eines Aurors einschlagen können? Als er zu lesen begann, entspannten sich seine Züge. In Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte er, wie er schon gehofft hatte, ein OHNEGLEICHEN erreicht. Auch in Zauberkunst hatte er, wider Erwarten, ein OHNEGLEICHEN. Dann kam die größte Überraschung: In Zaubertränke hatte er ein E geschafft! Das war ihm nur deshalb gelungen, weil Snape nicht der Prüfer gewesen war! In Verwandlung, Pflege magischer Geschöpfe und Kräuterkunde hatte Harry ebenfalls ein E. Astronomie und Wahrsagen waren mit einem A benotet worden. In Geschichte der Zauberei war er mit einem M durchgefallen. Auch Ron und Hermine hatten gut abgeschnitten. Hermine hatte, außer in alte Runen, wo sie nur ein E geschafft hatte, überall ein O. Ron war in Wahrsagen durchgefallen.

"Da hab' ich ja doch noch Hoffnung, ein Auror zu werden", erklärte Harry erfreut, "wenn Snape mich mit einem E in seinen UTZ-Kurs lässt. Ich wäre zwar auch froh, ihn los zu sein, aber dafür, Auror zu werden, muss ich eben den alten Snape wohl oder übel in Kauf nehmen."

Die nächsten Tage verliefen ziemlich ereignislos. Harrys Okklumentikstunden mit Moody liefen erstaunlich gut. Harry war selbst erstaunt über die Fortschritte, die er machte.
"Wenn du so weitermachst, hast du's in ein paar Monaten geschafft, ihn abzublocken", knurrte Moody eines Abends nach dem Unterricht. "Ich bin stolz auf dich!"

Ansonsten verbrachten Harry, Ron, Hermine und Ginny ihre Zeit damit, ihre Hausaufgaben zu erledigen und bei der Instandsetzung des Hauptquartiers, die immer noch nicht vollständig abgeschlossen war, zu helfen. Immer noch führten sie Krieg gegen dieses Haus. Wenn man glaubte, dass eine Arbeit abgeschlossen war, konnte es passieren, dass man nach ein oder zwei Wochen vor der gleichen Situation stand, wie am Anfang. Überall waren komplizierte Verzögerungszauber wirksam, so dass man von den Wirkungen erst viel später überrascht wurde. Dann musste sich jemand damit beschäftigen, den Zauber zu brechen, wenn man nicht immer wieder die gleiche Arbeit erledigen wollte.

Eines Nachmittags Mitte August saßen Harry, Ron, Hermine und Ginny in Harrys und Rons Schlafzimmer und spielten eine Partie Snape explodiert. Plötzlich wurden sie von einem fürchterlichen Lärm aus dem Erdgeschoss aufgeschreckt. Mrs. Black kreischte, der kleine James schrie wie am Spieß, und dazwischen hörte man noch eine Frauenstimme schreien. Sie warfen die Karten auf den Tisch und traten auf den Treppenabsatz hinaus. Unauffällig schlichen die Vier die Treppe hinunter. Unten bot sich ihnen ein merkwürdiges Bild: Kreacher war wieder aufgetaucht. Er stand vor Mrs. Blacks unverhülltem Porträt und hielt den wild zappelnden und sich wehrenden James hoch, so dass er genau auf das Porträt blickte. Von unten kam mit wehendem Umhang Professor Fenwick gerannt.
"Was fällt dir ein, du verrückter Hauself", schrie sie, während sie auf Kreacher und ihren Sohn zurannte.
"Kreacher muss seiner Misstress den kleinen Herrn zeigen", sagte Kreacher völlig ungerührt mit seiner tiefen, monotonen Stimme.
"Oh, welche Schande", kreischte Mrs. Black, "welche Schande, wie tief sind wir gesunken. Blutschänderische Brut! Verräter in meinem Haus! Mein eigenes Fleisch und Blut hat mich verraten!"
Inzwischen war Professor Fenwick bei Kreacher angekommen. Sie riss dem brabbelnden Hauselfen ihren Sohn aus den Armen und barg ihn an ihrer Brust. "Wage es nicht noch einmal, mein Kind anzurühren", sagte sie mit gefährlich leiser Stimme. Trotz Mrs. Blacks Schreien, in das nun auch die anderen Porträts eingestimmt hatten, war jedes Wort deutlich zu verstehen.
"Verschwinde dahin, wo du hergekommen bist und komm mir nicht mehr unter die Augen", fügte sie mit derselben leisen aber durchdringenden Stimme hinzu. Ihre Augen funkelten. Kreacher wich etwas zurück. "Kreacher musste kommen, er wurde gerufen", brabbelte er. "Kreacher muss gehorchen." Damit zog er sich in Richtung seiner Unterkunft zurück.

"Gibt es denn niemand in diesem Irrenhaus, der diese Frau zum Schweigen bringt", kreischte nun Professor Fenwick, die jetzt ebenfalls ihre Beherrschung verlor. Der kleine James, der zwischenzeitlich aufgehört hatte, zu schreien, begann schlagartig wieder damit.
Inzwischen hatte Mrs. Weasley die Vorhänge vor das Porträt von Mrs. Black gezogen und diese verstummte.
"Danke Molly", sagte Professor Fenwick schwach. Sie zitterte am ganzen Leib. Mrs. Weasley ging zu ihr und schloss die jüngere Frau in ihre Arme.
"Oh, Molly, das ist zuviel für mich", schluchzte Professor Fenwick, "ich hätte nicht herkommen sollen! Das halte ich nicht aus!"
"Komm, Violet", sagte Mrs. Weasley begütigend, "gehen wir in die Küche und trinken zusammen eine Tasse Tee, das wird dich beruhigen."
"Danke, Molly", sagte Professor Fenwick leise und ließ sich von der älteren Frau die Kellertreppe hinunter zur Küche führen.

Ron, Harry, Hermine und Ginny gingen wieder nach oben. Sie waren froh, von niemandem bemerkt worden zu sein.
"Was hatte das denn zu bedeuten?", fragte Harry verwirrt, als sich die Zimmertür hinter Ginny geschlossen hatte.
"Keine Ahnung", erwiderte Ron.
"Jedenfalls bin ich sicher, dass das etwas zu bedeuten hatte", erklärte Hermine entschieden. "Und ich bin sicher, dass wir herauskriegen, was das ist", fügte sie mit Nachdruck hinzu.
"Willst du das auch in der Bibliothek nachschlagen?", scherzte Ron.
"Wer weiß", erwiderte Hermine.
"Vielleicht hat es etwas mit deinem Erbe zu tun, Harry, dass Kreacher jetzt wieder hier aufgetaucht ist", mutmaßte Ginny, "ich meine, vielleicht hat ihn Narcissa Malfoy geschickt, um zu spionieren oder einfach, um die Stellung hier zu halten, bis sie selbst das Haus übernehmen will."
"Keine Ahnung", sagte Ron noch einmal. Hermine rieb sich nachdenklich die Stirn und warf Ginny einen skeptischen Blick zu, äußerte sich aber nicht mehr zu dem Thema.

In der nächsten Zeit bekamen sie Kreacher wieder öfters zu Gesicht. Anscheinend hatte er sich wieder dauerhaft im Grimauldplatz Nr.12 einquartiert. Jedes Mal, wenn James den alten Hauselfen sah, rannte er schreiend entweder zu seiner Mutter oder zu Mrs. Weasley, die er ins Herz geschlossen hatte.

Eine Woche später erhielten die Schüler ihre Briefe mit den Bücherlisten für das neue Schuljahr.
"Wow", sagte Harry anerkennend, als er seine Liste durchsah, "Arbeit mit Drachen, eine Fallstudie aus Transsilvanien von Charlie Weasley", las er laut vor.
"Ich hoffe nur, dass sich Hagrid diesmal auf die Theorie beschränkt, wenn wir Drachen durchnehmen", sagte Hermine.
"Wow!" Ginny war aufgesprungen. "Ich bin Vertrauensschülerin!" Sie hielt den anderen ihr neues, glänzendes Vertrauensschülerabzeichen vor die Nase.
"Herzlichen Glückwunsch, Ginny", sagte Harry anerkennend.

"Mum wird ganz aus dem Häuschen sein", meinte Ron, "noch eine Weasley, die Vertrauensschülerin gewordenen ist."
"Und kein obligatorisches Buch für Verteidigung gegen die dunklen Künste?" wunderte sich Hermine, als sie sich wieder ihrer Liste zuwandte.
"Wieso", widersprach Ron, "da stehen doch gleich fünf Bücher."
"Deine Angewohnheit, nicht genau zu lesen, ist auch dafür verantwortlich, dass du keine besseren Ergebnisse im Unterricht erreichst", sagte Hermine belehrend. Mit erhobenem Zeigefinger las sie vor: "Für Verteidigung gegen die dunklen Künste wird kein obligatorisches Buch verlangt, da der Schwerpunkt des Unterrichts in diesem Schuljahr auf der Praxis liegen wird. Weiterhin wird viel Wert auf das Anfertigen eigener Notizen gelegt, da sich die Inhalte so wesentlich besser einprägen. Interessierten Schülern, die tiefer in die Materie einsteigen möchten, seien hier die folgenden Werke empfohlen."
"Die wirst du dir natürlich alle fünf kaufen", sagte Ron bissig.
"Ja, daran hatte ich gedacht", erwiderte Hermine mit einem überlegenen Lächeln.
"Ein Buch von Professor Fenwick ist auch dabei", bemerkte Harry, nachdem er seine Liste überflogen hatte. "Kombinationsmöglichkeiten und Wechselwirkungen von Zaubersprüchen und Zaubertränken unter besonderer Berücksichtigung der Verteidigung gegen die dunklen Künste."
"Klingt wirklich interessant", sagte Hermine begeistert.
"Also, ich finde, das klingt ziemlich kompliziert", entgegnete Ron.
"Vielleicht kriegen wir die Fenwick ja in Verteidigung gegen die dunklen Künste", mutmaßte Harry. Er sah dabei nicht sehr begeistert aus. Irgendwie wusste er nicht, was er von dieser Frau halten sollte. Manchmal, für einen kurzen Augenblick, hatte Harry das Gefühl, dass sie ihn merkwürdig ansah. So, als hätte sie irgendeine Abneigung oder einen Groll gegen ihn. Diese Augenblicke waren aber so schnell wieder vorüber, dass Harry nicht sicher war, ob er sich das nur einbildete.
"Nach allem, was ich bis jetzt von der so mitgekriegt habe, weiß ich nicht, ob ich mir das wünschen soll", erwiderte Ron, "ich würde mal sagen, mit der ist nicht gut Kirschen essen. Manchmal hat die so einen merkwürdigen Gesichtsausdruck und sie guckt einen so komisch an, dass sie mir fast wie ein weiblicher Snape vorkommt. Die kann bestimmt ganz schön fies werden, wennn's drauf ankommt!"
"Na, so schlimm ist sie auch wieder nicht." Hermine faltete ihren Brief zusammen. "Ihr Buch ist mit Sicherheit sehr interessant. Ich werde sie gleich beim Abendessen mal danach fragen."

"Da ist ja noch ein Zettel", wunderte sich Harry, als er seinen Brief mit der Bücherliste wieder in den Umschlag stecken wollte.
"Natürlich", antwortete Hermine, "das ist die Aufstellung mit den Fächern, die du im nächsten Schuljahr belegst."
"Ich bin in Snapes UTZ-Kurs aufgenommen", verkündete Harry, nachdem er seine Fächeraufstellung durchgelesen hatte.
"Herzliches Beileid", sagte Ron, "damit hab' ich Gott sei Dank nichts mehr am Hut!"
"Ich wundere mich nur darüber, dass Snape seinen Grundsätzen untreu geworden ist. Er hat doch immer wieder betont, dass er nur Leute mit einem O in seinen UTZ-Kurs aufnehmen will", wunderte sich Hermine. "Vielleicht ist ja Dumbledore dafür verantwortlich, dass er seine Regel geändert hat."
"Da kann ich mich ja auf was gefasst machen, der lässt seine Wut darüber, dass er mich weiterhin in seinem Kurs hat, bestimmt an mir aus", sagte Harry mit düsterer Miene.

***


Severus Snape knallte wütend die Tür seines Büros in den Kerkern von Hogwarts hinter sich zu, so dass einige der Glasgefäße, die auf einem Regal standen, gefährlich zu schwanken und zu scheppern begannen. Gawyn, der auf seiner Stange geschlafen hatte, zog seinen Kopf unter einem Flügel hervor und gab ein indigniertes Krächzen von sich. Severus ging mit schnellen Schritten in seinem Büro auf und ab, bemüht, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Er kam gerade von einer Unterredung mit Dumbledore. Schon wieder galten für den Potter-Jungen andere Regeln, als für Normalsterbliche! Der Schulleiter hatte Severus darum gebeten, seine Aufnahmeregeln für den UTZ-Kurs zu lockern. Dumbledore hatte dies in einer Art und Weise getan, die es Severus unmöglich gemacht hatte, abzulehnen. Es war keine Bitte, sondern eine Anweisung gewesen. Dumbledore hatte den Lehrer für Zaubertränke darauf hingewiesen, dass er es befürworten würde, wenn noch einige Schüler mehr die Möglichkeit hätten, einen UTZ in Zaubertränke zu erwerben, weil doch allgemein bekannt sei, dass es in diesem Fachbereich an geeignetem Nachwuchs fehle. Doch Severus war sich sicher, dass der eigentliche Grund für Dumbledores Intervention Potter war. Der Junge hatte nur ein E in seiner ZAG-Prüfung erreicht, doch, wie Snape gehört hatte, hatte Potter sich in den Kopf gesetzt, ein Auror zu werden und dafür brauchte man nun einmal einen UTZ in Zaubertränke. Und wenn der berühmte Harry Potter die Voraussetzungen, um dieses Ziel zu erreichen, nicht erfüllte, dann änderte man eben einfach die Regeln zu seinen Gunsten. Dumbledore war blind und taub wenn es um Potter ging. Erkannte er immer noch nicht, wozu das zwangsläufig führen musste? Er würde jedenfalls dafür sorgen, dass Potter nicht bevorzugt behandelt wurde! Wenn der Junge schon gegen Snapes Willen in seinem UTZ-Kurs saß, dann sollte er zumindest hart dafür arbeiten müssen.

Ein weiterer Grund für Severus' Wut war die Ernennung der neuen Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Dieses Fach war das wichtigste Fach überhaupt in diesen Kriegszeiten. Wer eine Chance haben wollte, in diesem Krieg zu überleben, musste sich verteidigen können! Nach Snapes Ansicht wurde diese Stelle nun schon wieder mit einer ungeeigneten Person besetzt. Er war sich sicher, dass diese dahergelaufene Exaurorin die Serie der Katastrophen in dieser Hinsicht nur noch vergrößern würde. Dumbledore war einfach zu vertrauensselig. Was wussten sie denn über diese Frau? Sie hatte bis Anfang letzten Jahres für das Ministerium gearbeitet, bis sie, bis auf weiteres, vom Dienst beurlaubt worden war. Vor knapp zwei Monaten war sie dann in den Orden aufgenommen worden. Severus hatte schon bei ihrer ersten Begegnung bei einem Treffen des Ordens am Grimauldplatz Nr. 12 eine tiefe Abneigung gegen diese Fenwick empfunden und er war sich ziemlich sicher, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Mit ihren schwarzen Umhängen, dem meist verkniffenen Gesicht und dem strengen Haarknoten im Nacken erinnerte sie ihn an eine alte Krähe. Die Blicke, die sie ihm aus ihren zusammengekniffenen grau-grünen Augen zugeworfen hatte, waren dermaßen herablassend, arrogant und misstrauisch gewesen, dass es ihm schwer gefallen war, nicht gleich einen offenen Streit mit ihr zu beginnen. Severus hatte sich bis jetzt jedoch damit begnügt, zurückzustarren und der alten Krähe ihr Verhalten mit gleicher Münze zu erwidern. Dabei war es bis jetzt geblieben. Sie hatten noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Fast widerwillig musste Snape allerdings zugeben, dass er einige sehr interessante und bemerkenswerte Veröffentlichungen von der alten Krähe in einigen renommierten Wissenschaftsmagazinen gelesen hatte. Doch warum war sie beurlaubt worden? Wer konnte wissen, ob sie nicht mit der dunklen Seite in Verbindung stand. Außerdem sprach die Tatsache, dass sie einen einjährigen, unehelichen Sohn hatte, in mehrerer Hinsicht gegen Violet Fenwick als geeignete Kandidatin für den in Frage stehenden Job. Nicht, dass sich Severus aus der moralischen Seite der Angelegenheit etwas gemacht hätte, jedoch zeigte es zumindest, dass der Frau die nötige Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle fehlten. Diese Charaktereigenschaften waren jedoch, wie Severus fand, eine unerlässliche Voraussetzung für ihre zukünftige Tätigkeit. Außerdem war sie durch ihren Sohn verletzlich und angreifbar und könnte so schnell zum schwachen Glied in der Kette werden. Es war nicht unwahrscheinlich, dass die Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste in ihrer Funktion, dass sie den Zauberer- und Hexennachwuchs auf den Kampf gegen Voldemort und seine Gefolgsleute vorbereitete, ein Zielobjekt dieser Kräfte werden könnte. Albus Dumbledore hatte einfach ein zu weiches Herz. Severus jedenfalls, würde die alte Krähe genau im Auge behalten.

Nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte, setzte der Meister der Zaubertränke sich an seinen Schreibtisch, um die ersten Unterrichtsstunden des neuen Schuljahres vorzubereiten. In einer Woche würde der Unterricht wieder beginnen. Severus war froh, dass die Ferien zu ende gingen und er vor einer Woche wieder seine Räume in Hogwarts hatte beziehen können. In diesen Räumen fühlte er sich zu Hause. In den Sommerferien war er immer gezwungen, sich eine andere Wohnung zu mieten, da in dieser Zeit die Schule geschlossen war. Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass ihm noch drei Stunden Zeit blieben, bevor er sich zu einem weiteren Treffen des Ordens im Hauptquartier einfinden musste.

Seit der Nacht Ende Juli, als Severus Snape wieder in den inneren Zirkel von Voldemorts Gefolgsleuten aufgenommen worden war, hatte er dem Orden endlich wieder wertvolle Informationen liefern können. Zunächst war er nicht mehr zum Dunklen Lord gerufen worden. Er hatte lediglich zwei verhexte Briefe, die nur vom Empfänger gelesen werden konnten und sich danach sofort in Rauch auflösten, mit Aufträgen für neue Gifte erhalten. Vor drei Tagen jedoch hatte Voldemort seine engsten Gefolgsleute um sich versammelt. Auch Lucius Malfoy und die Anderen, die Ende Juni im Zaubereiministerium festgenommen worden waren, waren nun wieder unter ihnen. Severus kräuselte verächtlich die Lippen, als er an die Unfähigkeit der Ministeriumsleute dachte. Aber, wenn er ehrlich war, wunderte er sich sowieso, dass es den Todessern nicht schon viel früher gelungen war, diesen Schwachköpfen zu entkommen. Bei dem Treffen hatte Voldemort mit ihnen den Schlachtplan für einen Angriff, der heute Abend auf das Zaubereiministerium erfolgen sollte, besprochen. Nach seiner Rückkehr hatte Severus sofort Albus Dumbledore unterrichtet, der umgehend ein Treffen des Ordens einberufen hatte. Danach hatte der Schulleiter andeutungsweise das Ministerium informiert. Sie mussten vorsichtig sein, besonders jetzt, wo es Severus endlich geschafft hatte, wieder in den engsten Kreis der Todesser vorzudringen. Es war mehr als wahrscheinlich, dass Voldemort seine Spione im Ministerium hatte.

In der heutigen Besprechung würden sie noch einmal abschließend ihre Taktik für die Verteidigung absprechen. Severus war sicher, dass es gelingen würde, den Angriff zurückzuschlagen. Leider war es Severus bis jetzt noch nicht gelungen, näheres über den Aufenthaltsort des Dunklen Lords oder seine Entführungspläne den jungen Potter betreffend, herauszufinden. Oh, wie er es hasste, immer wieder seinen Kopf für dieses arrogante, verzogene Gör, das selbst nichts anderes zu tun hatte, als sich in Gefahr zu bringen, alle erdenklichen Regeln, seien sie auch zu seiner eigenen Sicherheit, zu brechen, riskieren zu müssen!

***


Zum Abendessen, das an diesem Abend wieder einmal nach einem Treffen des Ordens eingenommen wurde, waren außer Harry, Ron, Hermine und Ginny nur Professor Fenwick und ihr kleiner Sohn anwesend. Alle anderen Ordensmitglieder hatten das Haus direkt nach der Besprechung wieder verlassen. Harry hatte von Dumbledore erfahren, dass man einen Angriff auf das Zaubereiministerium befürchtete.

Als sie sich an dem großen Holztisch niedergelassen hatten, wandte sich Hermine an Professor Fenwick und fragte gerade heraus: "Sind Sie die neue Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste?"
"Professor Dumbledore hat mir gesagt, dass üblicherweise erst zu Beginn des Schuljahres veröffentlicht wird, wer als neuer Lehrer in Hogwarts anfängt, aber, nachdem Sie nun einmal mein Buch auf Ihrer Liste entdeckt haben und daraus entsprechende Schlüsse ziehen, wäre es albern, länger ein Geheimnis daraus zu machen. Ja, ich habe die Aufgabe übernommen, Sie im nächsten Schuljahr in Verteidigung gegen die dunklen Künste zu unterrichten." Nach einer kleinen Pause fügte sie etwas leiser hinzu: "Ich bin Professor Dumbledore sehr dankbar für dieses Angebot, das ich gerne angenommen habe."
"Ich finde es etwas ungewöhnlich, dass Sie kein obligatorisches Lehrbuch aufgeschrieben haben", führte Hermine die Unterhaltung fort.
"Wie Sie Ihren Briefen entnehmen können, werde ich in diesem Schuljahr den Schwerpunkt des Unterrichts auf die Praxis legen. Weiterhin ist es mir sehr wichtig, dass sich jeder selbständig Notizen macht. Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass sich der Stoff dabei viel besser einprägt, als wenn man Bücher liest. Es ist mir aber dennoch wichtig, eine kleine Auswahl guter Bücher zu empfehlen, damit jeder, der es möchte, sich tiefer in die Materie einarbeiten kann."
"Und Ihr Buch?" fragte Hermine weiter. "Warum haben Sie das nicht als Pflichtlektüre bestimmt?"
"Miss Granger", antwortete Professor Fenwick mit einem leichten Lächeln, "es gibt mehrere Gründe, warum ich das nicht getan habe: erstens behandelt es nur einen Teilaspekt dessen, was im nächsten Jahr unser Unterrichtsstoff sein wird, zweitens habe ich ein Problem damit, jemanden zu verpflichten, mein Buch zu kaufen. Wenn das jemand tut, sollte es sein, weil er es möchte und nicht, weil er es für die Schule braucht. Und drittens kann ich wirklich nicht mit gutem Gewissen behaupten, dass nun gerade mein Buch das wichtigste sein soll."
"Da hatte Professor Lockhart weniger Skrupel", sagte Harry, "der hat uns damals gleich alle seine Bücher auf die Liste geschrieben, als der unser Lehrer war."
"Ach, Gilderoy", Professor Fenwick lächelte, "der war in meinem Jahrgang."
"Wie war er denn als Junge?", wollte Hermine wissen.
"Er hat schon mit elf gewusst, dass er gut aussieht. Immer hatte er eine Menge Verehrerinnen, so dass er immer genug Leute hatte, die miteinander wetteiferten, ihn abschreiben zu lassen. Er war nie ein guter Schüler. Und auch die Lehrerinnen waren nicht immer ganz immun gegen seinen Charme. Ich war oft furchtbar wütend darüber, dass er mit Dingen ungestraft durchkam, für die Andere nachsitzen oder Strafarbeiten machen mussten."
"Professor Fenwick", schaltete sich nun Ginny in das Gespräch ein, "wer wird sich denn um James kümmern, wenn Sie in Hogwarts unterrichten?"
"Professor Dumbledore hat gesagt, es gäbe da in Hogwarts eine Hauselfe, die möglicherweise glücklich darüber wäre, eine neue Aufgabe zu bekommen."
"Oh, sicher meint er Winky", vermutete Hermine, "ich finde das eine wunderbare Idee! Ich bin sicher, dass es Winky Freude machen wird, sich um James zu kümmern!" Hermine war begeistert.
"Ja, Sie haben Recht, Miss Granger", erwiderte Professor Fenwick, "der Schulleiter hat von Winky gesprochen. Ich bin Professor Dumbledore sehr, sehr dankbar, dass er mir die Stelle angeboten hat. In meiner Lage ist es nicht gerade einfach, eine Anstellung in der Zaubererwelt zu finden. Ich hatte mir schon überlegt, eine Stelle bei den Muggeln zu suchen. Die sind wesentlich aufgeschlossener, was die Beschäftigung allein erziehender Mütter angeht." Abrupt hielt sie inne und presste ihre Lippen fest zusammen, als hätte sie schon zuviel gesagt. Ein bitterer Zug lag um den Mund der zukünftigen Lehrerin.

"Warum sorgt denn James' Vater nicht für sie beide", fragte Ron aufgebracht.
Professor Fenwicks Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt. Sie warf Ron einen eisigen Blick zu und antwortete mit schneidender Stimme: "Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, Mr. Weasley! Ich wüsste nicht, was Sie das angeht."
Ron errötete und senkte verlegen seinen Blick. "Tschuldigung", murmelte er undeutlich.

In diesem Moment verbreitete sich in der Küche ein qualmiger Geruch.
"Oh nein, James! was hast du jetzt wieder angestellt?!" Professor Fenwick entriss ihrem Sohn ihren Zauberstab, den das Kind irgendwie ergattert haben musste. James saß neben seiner Mutter auf einem Kinderhochstuhl. Vor ihm auf dem Tisch kokelte eine Serviette vor sich hin, die er offensichtlich mit dem Zauberstab seiner Mutter in Brand gesteckt hatte. Hermine stieß geistesgegenwärtig ihren Becher, in dem sich noch ein Rest Kürbissaft befand, um und löschte auf diese Weise die Serviette. James blickte seine Mutter mit runden Augen unschuldig an, doch gleichzeitig war ein spitzbübisches Lächeln auf seinem Gesicht, so, als wüsste er ganz genau, was er da angestellt hatte. Dann begann er, lautstark dagegen zu protestieren, dass ihm seine Mutter sein Spielzeug weggenommen hatte. Ginny und Hermine kicherten.
"Oh, ich finde das gar nicht lustig! Was soll das erst werden, wenn du mal älter bist?", schimpfte Professor Fenwick mit ihrem Sohn, doch auch auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Lächeln. "Naja, ich bin auch selber Schuld", fügte sie dann hinzu, "ich habe meinen Zauberstab vorhin auf dem Tisch liegenlassen, nachdem ich die Kerzen angezündet habe. Bin in letzter Zeit sehr unachtsam geworden. Moody würde mir jetzt eine Menge Punkte abziehen und mich ganz schön zusammenstauchen, wenn ich noch bei ihm in der Aurorenausbildung wäre. Und das mit Recht. Dann bring' ich dich mal zu Bett, damit du heute nicht noch mehr Unsinn anstellst." Sie erhob sich und nahm ihren protestierenden Sohn auf den Arm. "Bitte kümmern Sie sich um den Abwasch", fügte die zukünftige Lehrerin noch hinzu, bevor sie mit James, der nun versuchte, eine Haarsträhne aus ihrem Knoten zu ziehen, die Küche verließ.

"Wenn es ein Fettnäpfchen zum Reintreten gibt, findest du es bestimmt", wandte sich Hermine an Ron, als sich die Tür hinter den Beiden geschlossen hatte.
"Meine Güte", verteidigte sich Ron, "ich hab mir nichts dabei gedacht, konnte ja nicht wissen, dass die so ausrastet. Ich hab's ja schon immer gesagt, dass die komisch drauf ist."
"War aber auch nicht gerade taktvoll, was du gesagt hast", sagte Ginny.
"Schon gut", lenkte Ron ein, "hab ich dann auch gemerkt."
"Ich werd' das Gefühl nicht los, dass es sich lohnt, sich mit dieser Frau etwas näher zu beschäftigen", meinte Hermine nachdenklich und begann, den Tisch abzuräumen.



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