Seltsame Wege

 

 

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Kapitel 10: Demütigung





Vorsichtig bettete er sie auf dem Sofa, wohlwissend der Ironie. Hier lag diese Lichtgestalt schon einmal und schon damals war es ihm verboten schön vorgekommen. Doch jetzt lag die Situation anders, diesmal war er nicht der Bösewicht, der aus dem Schatten trat...

Zumindest hoffte er, dass sie ihn nicht so sehen würde.

Sie hatte die Augen geschlossen und ihre Hände in seine Robe gekrallt. Ein leicht bläulicher Schimmer umspielte ihr Kinn und an ihrem schlanken Hals konnte er einige Kratz- und Bissspuren entdecken.

'Dieser verdammte Hurensohn! Ich hätte ihn töten sollen!'

Es lag etwas durch und durch Besitzergreifendes in der Art, mit der er sie zudeckte und ihr ein paar vorwitzige Strähnen aus der Stirn strich. Sie gab keinen Ton von sich, schwieg weiter, obgleich er wusste, dass sie nicht schlief.

'Hat sie Angst vor mir?'

Severus stand etwas unsicher vor ihr und überdachte kurz die Möglichkeiten. Er könnte sie zu Madam Pomfrey bringen und dann würde er keine Gelegenheit mehr bekommen, sie zu sehen. Oder er holte Dumbledore... doch dann würde dieser sie sicher aus seinen Räumen mitnehmen. Wieder warf er einen langen Blick auf ihr blasses Gesicht. Er könnte doch...

'Das ist Wahnsinn! Das kann ich nicht tun!'

Aber warum eigentlich nicht? Hier bei ihm würde sie sicher sein, er würde auf sie achten, niemand würde ihr weh tun... Sie war die Seine!

'Aber wenn sie das nicht will?'

Warum sollte sie von hier weg wollen? Er konnte ihren Wissensdurst stillen, sie beschützen und er würde sie lieben und achten... Warum sollte sie gehen wollen?

'Vielleicht weil du ein Lehrer bist und sie eine Schülerin!!! Weil jeder Schüler dich fürchtet und hasst!!! Schon mal daran gedacht?'

Die hämische Stimme in seinen Kopf wollte einfach nicht schweigen und ihre Worte schnitten so tief in sein Wesen. Es tat weh, diese Dinge im richtigen Licht zu sehen, logisch und klar. Egal was er tun würde, sie würde nicht bleiben. Nicht nur, weil er ihr Lehrer war, nicht nur, weil er mehr als 20 Jahre älter als sie war... Sie würde nicht bleiben, weil sie ihn niemals lieben könnte und über ihn nicht anders dachte als ihre Chaosfreunde.

Und das war die Wahrheit.

Tief in seinem Inneren wusste er, dass sie etwas besseres verdient hatte. Er wollte sie glücklich sehen, auch wenn dies bedeutete, dass er sie an einen anderen Mann verlieren würde. Wenigstens in dieser einen Sache wollte er reinen Gewissens sein.

Ein letzter sehnsüchtiger Blick auf ihre zarte Gestalt, ein letztes sanftes Streichen über ihre Schläfe und dann wand er sich ab. Trat an den Kamin und teilte Dumbledore mit, dass er bitte in seine Räume kommen sollte.

Wenn Albus verwirrt war, ob dieser Bitte und den traurigen Augen Snapes, so ließ er sich nichts anmerken. Wenige Minuten später klopfte es an der Tür und alles nahm seinen Lauf...



***




"Severus, was geht hier vor?"

"Es ist eine lange Geschichte. Willst du dich nicht setzen?"

"Wie geht es Miss Granger?"

"Es wird ihr bald wieder besser gehen."

"Was ist passiert?"

"Ich weiß nicht wo ich anfangen soll..."

"Severus, bitte!"

"Draco hat sie vergewaltigt."

"Wie bitte?"

"Ich habe ihn dabei erwischt, wie er sie in eine der Nischen im Kerker presste und ihr dies antat."

"Mein Gott!"

"Es ist nicht sicher, ob er die Tat vollzogen hat. Ich konnte es nicht sehen und wollte nicht nachfragen."

"Warum hast du mich nicht gleich informiert?"

"Weil das noch nicht alles war..."

Snape sah unendlich müde aus, wie er da so auf seinem Sessel kauerte, starr auf das junge Mädchen schauend und nichts um sich wirklich wahrnehmend. Albus war geschockt. Dies war noch nie vorgekommen und das dies ausgerechnet die junge Hermine betraf, machte es ihm doppelt schwer. Doch er spürte, dass ein wichtiges Puzzleteil der Geschichte noch fehlte.

"Erzähle weiter."

"Ich habe einen der unverzeihlichen Flüche angewandt... Gegen Malfoy!"

Dumbledores Kopf ruckte von ihr zu ihm herum und Entsetzen spiegelte sich für kurze Zeit in seinen Zügen. Nur mühsam gewann er die Kontrolle zurück und fragte mit halbwegs normaler Stimme nach. "Du... ist er?... Warum?"

Plötzlich brach es aus Snape heraus. Er sprang auf und seine Hände waren zornig geballt. Die Augen glitzerten vor Hass und das Feuer warf unheimliche Schatten auf sein Gesicht. Jene Worte würde Albus nie vergessen und auch Hermine nicht. Soviel Wut und Todeslust lag in seiner schönen Stimme, dass sogar der ältere Mann einen Anflug von Furcht empfand.

"Warum? Du fragst mich warum? Du warst ja nicht dabei! DU hast sie nicht gesehen! Ihre Augen waren gebrochen und seine widerwärtigen Hände entweihten ihren Körper! Sein Speichel benetzte ihren Hals und man kann noch immer seine Spuren auf ihrem Hals sehen! Wer weiß schon, wo er noch seine Markierungen hinterlassen hat! Und du fragst mich allen Ernstes warum?!!"

"Severus, bitte beruhige dich doch!"

"Nein! NEIN verdammt! Wie konnte er es wagen! Wie konnte er sie berühren! Sie ist noch ein Kind! Verdammt."

Snape konnte die Bestürzung in den Augen seines Freundes sehen, doch es hatte alles seine Bedeutung verloren. Irgendetwas hatte Draco in ihr zerbrochen, und er würde ihn dafür leiden lassen.

"Hast du ihn getötet?"

Ein böses Lächeln umspielte seinen Mund und die Augen waren glasig. "Oh nein! So einfach mache ich es ihm nicht! Er soll leiden! ER soll die Schmerzen spüren, die ich gespürt habe!"

"Der Crucio also?!"

Doch plötzlich stutzte er und sah den aufgebrachten Mann genauer an. "Wieso hattest du Schmerzen? Hat er dich angegriffen?" Etwas verwirrt begegnete sein Blick der brennenden Wut seines Zöglings.

Keiner der Beiden hatte bemerkt, dass sich Hermine aufgerichtet hatte und den Ausbruch von Anbeginn mitbekommen hatte.

"Nein, das würde er nie wagen. Er ist ein Feigling!"

"Warum hattest du dann Schmerzen!"

Bevor Snape noch antworten konnte, erklang ihre Stimme durch den Raum. Überrascht und verwirrt, doch klar und verständlich.

"Weil er es wagte, Professor Snapes Eigentum zu berühren."

Beide Männer fuhren zu ihr herum, der eine überrascht, der andere voll Scham.

"Miss Granger..."

Dumbledore wagte es kaum, sie anzusprechen. Sie wirkte zerbrechlich und doch strahlte sie eine Aura der Abwehr ab.

"Ist es nicht so, Professor?"

"Miss Granger..., bitte, Sie verstehen nicht..."

"Ich denke doch! Sie haben ihn verflucht, weil er sich etwas nahm, das Sie besitzen wollten!"

Sie klang von Minute zu Minute wütender und dominierte mit ihrer Anschuldigung das Gespräch. Snape zuckte unter jedem ihrer Worte wie ein geprügelter Hund und Albus beobachtete das Ganze mit schreckensgeweiteten Augen.

"Sie wissen ja nicht, was Sie damit sagen!"

"Ich wiederhole nur seine Worte! Sie haben ihm nicht widersprochen!"

"Und wenn es so wäre?! Was wäre dann?"

Jetzt erlosch das Glitzern in ihren Augen wieder und seine Worte schienen das Feuer in ihrem Wesen gelöscht zu haben. Als hätte man das Licht in ihr zerstört.

"Sie müssten doch wissen, dass ich Sie wirklich schätze und hochverehre..."

"Aber Sie lieben mich nicht."

Er klang ebenso leer und leise wie sie. Seine Welt zerbrach in tausend Scherben und ein unerträglicher Schmerz durchschnitt sein Herz. Alles war gesagt worden. Er hatte sich lächerlich gemacht, hatte sich gedemütigt und alles verloren, was ihm je wichtig war.

"Ich liebe Sie. Gegen alle Widrigkeiten, gegen jeden Zweifel. Ich liebe Sie. Und nichts kann daran jemals etwas ändern."

Damit wand er sich um und verließ seine Räume.

Zurück blieben Albus Dumbledore, verwirrt und voller Trauer um seinen Freund. Hermine, seine 16-Jährige Schülerin, sah ihm nach. Doch ihr Mitleid hätte er sicher nicht gewollt.


Kapitel 9

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