The sound of love

 

 

Zurück

 

Zurück zur 
Startseite


 

Kapitel 3: Vereinbarung 

 

Sechs Wochen waren nach dem unerfreulichen Intermezzo in Snapes Kerker vergangen. Als Chris damals zurück nach Hause gekommen war, war sie sehr erstaunt, eine große, dunkle Eule vorzufinden, die ein recht großes Päckchen in ihren Krallen trug. Mit zitternden Fingern löste sie die Verschnürung und kraulte der Eule kurz dankend den Hals, bevor sie sie wieder in Freiheit entließ. Ungeduldig ging sie ins Haus und öffnete das Päckchen.

Sie staunte nicht schlecht, als sie alle Zutaten von ihrer Liste vorfand und noch mehr. Ein Brief fand sich ganz unten unter den Zutaten, in dem Snape ihr in kurzen Worten mitteilte, dass er sich noch Gedanken über die Art der Bezahlung machen und sich bei ihr melden werde. Ungläubig hatte Chris auf die klare, schnörkellose Handschrift gestarrt. Das passte ja nun gar nicht zu dem Snape, den sie kannte. Naja - bis auf den Teil mit der Bezahlung. Sie wagte nicht einmal, sich auszumalen, welche Bezahlungsmöglichkeiten dieser Unmensch sich aus dem Kopf drücken würde.

Ihre Gedanken kehrten wieder in die Gegenwart zurück. 'Nun', dachte sie bei sich, 'du hast die Zutaten angenommen weil du die Strumpfwurzel so dringend wolltest und geschadet hat es dir auch nicht. Eher im Gegenteil.' Und bei dem Gedanken lächelte sie still. Das stimmte auch. Der Trank war ein voller Erfolg gewesen und die Bewohner von Hogsmeade waren seitdem viel freundlicher geworden. Nach einiger Zeit hatte sie sich sogar aus ihrem selbstgewählten Schneckenhaus getraut und war in die "Drei Besen" gegangen. Der kleine Pub von Madame Rosmerta war ein beliebter Treffpunkt schon zu ihrer Schulzeit gewesen und schnell schloss sie Bekanntschaft mit ein paar dort verkehrenden Hexen und Zauberern. Besonders Remus Lupin, der seit diesem Jahr auch in Hogwarts unterrichtete - zum zweiten Mal, wie er ihr berichtete - hatte es ihr angetan. Mit ihm führte sie stundenlange, ruhige Gespräche, während um sie herum die anderen feierten.

Ja, sie mochte den ruhigen Professor sehr gerne. Um so beunruhigter war sie, dass sie in den meisten Nächten von einer großen, dunklen Gestalt träumte, die sie mit abgrundtiefen schwarzen Augen anstarrte. Und wenn sie aufwachte, hatte sie ob dieser Träume keineswegs Angst - sie war im Gegenteil mehr als einmal erregt gewesen. 'Das sind nur die Nachwehen von der Beziehung zu Marcus', versuchte sie, sich selber zu beruhigen. Aber gleichzeitig wusste sie, dass das nicht stimmen konnte. Das waren nicht Marcus´ Augen und ganz bestimmt war es nicht Marcus´ Stimme, die sich in ihren einsamen Minuten in ihre Erinnerung schlichen. So dunkel, samtweich und doch eiskalt. Sie schüttelte sich, um die Gedanken zu vertreiben. "Ich sollte heute Abend ausgehen. Das bringt mich auf andere Gedanken", sagte sie zu sich und hoffte darauf, Remus zu treffen. Bestimmt würde er sie ablenken.

***



Severus saß in seinem Unterrichtsraum an seinem Schreibtisch und korrigierte Hausaufgaben, während die Schüler vor ihm konzentriert an ihren Kesseln arbeiteten. Er hatte mit ihnen einen Heiltrank besprochen, den sie nun zusammenbrauen mussten. Nur leises Gemurmel war zu hören, während die Schüler, die er paarweise zusammen gestellt hatte, flüsternd ihr weiteres Vorgehen besprachen. Wenn es ihnen aufgefallen war, dass Severus ganz entgegen seiner sonstigen Art im Moment ein Faible für Heiltränke entwickelt hatte, so ließen sie es sich bestimmt nicht anmerken. Nur Draco Malfoy, der junge Slytherin, hatte ihn erstaunt angeblickt, als er am Anfang der Stunde verkündete, heute einen Trank zur Heilung von Knochenbrüchen abzuhandeln. Der Blick sagte Severus, dass Draco nicht mehr die Welt verstand - sein Hauslehrer, der sonst so auf Gifte stand, versuchte offenbar, sie zu Krankenschwestern auszubilden.

Aber Severus fühlte sich ebenfalls nicht mehr wie er selbst. Zu unpassenden Gelegenheiten schweiften seine Gedanken ab und hefteten sich an die Erinnerung an zwei blaue, schräg geschnittene Augen, die ihn wütend und vorwurfsvoll anstarrten. Eine sehr unangenehme Situation, befand er. Er seufzte und wendete sich wieder den Aufsätzen zu. Das war etwas, von dem er etwas verstand. Alles andere - verwirrte ihn. Er setzte gerade an, ein dickes "F" unter einen grauenvollen, völlig unstrukturierten und zudem noch unvollständigen Aufsatz über die heilenden Kräfte von Bärlapp zu setzen, als es einen fürchterlichen Knall gab und dicker, schwarzer Qualm von einem Kessel aufstieg.

"LONGBOTTOM!", brüllte Severus, der genau wusste, wer seine Pappenheimer waren. "Was haben Sie nun wieder angestellt!", rief er, als er zu dem entsprechenden Platz lief. Während um ihn herum die Slytherins feixten und die Gryffindors - allen voran Harry Potter - sich um die rußgeschwärzte Gestalt drängten, bahnte Severus sich einen Weg zu dem unglückseligen Schüler. "Sind Sie verletzt?", herrschte Severus ihn an. Neville Longbottom schüttelte den Kopf, unfähig dem gefürchteten Lehrer eine artikulierte Antwort zu geben. "Nun", wandte der sich an die Klasse, "weiß jemand, was Mr. Longbottom hier falsch gemacht haben könnte?"
Mehrere grinsende Slytherin hoben die Hand. Und natürlich auch die allwissende Hermine Granger hob langsam und zögernd mit einem mitleidigen Blick auf Neville ihre Hand. Severus beschloss wieder einmal, sie zu ignorieren

"Mr. Malfoy?", rief er den blonden Schüler auf.
"Naja - Longbottom fügte erst die Krötenaugen und dann den Wermut in den Kessel. Aber richtig wäre es umgekehrt gewesen", intonierte Draco mit einem hämischen Grinsen.
"Vollkommen korrekt. 10 Punkte für Slytherin", antwortete Severus. "Nun, meine Herrschaften, wie oft muss ich Ihnen eigentlich noch erklären, wie wichtig genaues Zuhören und völlige Konzentration bei der Kunst des Zaubertrankbrauens ist", zischte er mit gefährlich ruhiger Stimme, während er seinen Blick vor allem über die Gryffindors schweifen ließ. Dann wandte er sich an Neville, der immer noch als Häufchen Elend vor den Resten seines Kessels hockte. "Mr. Longbottom", fuhr er ihn an, "da Sie ja offenbar nicht verletzt sind, können Sie mit der Beseitigung dieses Desasters anfangen. Im übrigen..", hob er die Stimme und die Gryffindors zuckten in Erwartung des obligatorischen Punktabzugs zusammen. Doch Severus stockte. Plötzlich sah er vor seinem inneren Auge wieder mal zwei blaue Augen unter schwarzem Haar, die ihn kampfeslustig anschauten. Ein Schauer lief über seinen Rücken. "Im übrigen", fuhr er leiser fort, als er seine Stimme wiedergefunden hatte, "ist die Stunde beendet. Gehen Sie", entließ er die verdutzten Schüler. Unter erstauntem Getuschel packten diese ihre Sachen zusammen und verließen eilig den Raum.

Vor der Tür steckten Harry, Ron und Hermine ihre Köpfe zusammen "Was ist denn in Snape gefahren? Seid wann läßt der sich eine Chance entgehen, uns Punkte abzuziehen?", wunderte sich Hermine.
"Vielleicht hat er einmal zu oft in den Dämpfen seiner Tränke gestanden", witzelte Ron.
"Nah, das glaube ich nicht", antwortete Harry, "fies genug war er ja heute trotzdem. Außerdem habe ich keine Lust, mir über diese Schlange weiter Gedanken zu machen."
"Ja, aber ist es nicht ungewöhnlich, dass wir seid Wochen ausschließlich Heiltränke und keine Gifte mehr zubereiten?", fragte Ron "Da ist doch was im Busch."
"Vielleicht hat Dumbledore ihm ja mal richtig den Kopf gewaschen", vermutete Harry, während sie durch die Gänge schlenderten.
"Oder er hat sich verliebt", prustete Hermine, was bei allen einen großen Lachanfall auslöste.
"Ja klar", kicherte Ron, "und demnächst sehen wir ihn noch mit gewaschenen Haaren und ordentlichen Klamotten, wie er am Valentinstag Karten verteilt." Dies löste einen weiteren Heiterkeitsanfall bei den Dreien aus und so dichteten sie lachen auf dem Weg zur nächsten Unterrichtsstunde Snape das komischste Gebaren Verliebter an.

Hermine hätte sich gewundert, wie nahe sie mit ihrer Vermutung bei der Wahrheit lag. Aber das wusste zu diesem Zeitpunkt nicht einmal Severus selber. Er ärgerte sich momentan nur über sich selbst, weil seine Gedanken ihn aus seinem gewohnten Verhalten gerissen hatten. Und doch - er beobachtete Neville, wie dieser mit tränenverschmiertem, rußgeschwärzten Gesicht auf dem Boden kniete und die Reste seines Trankes aufwischte. Und er verspürte eine Welle des Mitleids mit dem ungeschickten Jungen. 'Na toll', dachte er bei sich, 'was denn noch? Willst du dich vielleicht demnächst noch auf den Unterricht mit diesen unfähigen Schülern freuen?' Trotzdem trat er leise hinter Neville und sagte mit beinahe freundlicher Stimme. "Lassen Sie es gut sein, Mr. Longbottom. Sehen Sie zu, dass Sie sich vor der nächsten Stunde noch ein wenig säubern und ich erledige den Rest hier." Erschrocken sah Neville den Lehrer an. Als er jedoch merkte, dass keine weitere Häme kommen würde, flüsterte er ein: "Ja, Sir" und beeilte sich, aus dem Gesichtsfeld des Lehrers zu entkommen.

Severus wunderte sich über seine eigene Freundlichkeit gegenüber diesem jungen Trottel. In letzter Zeit war er wohl nicht mehr er selbst. Und er wusste auch, warum. Weil diese kleine, blauäugige Hexe sich immer wieder in seine Gedanken schlich. So konnte es nicht weitergehen. Heute Abend würde er sie aufsuchen und ihr die Zahlungsmodalitäten vorschreiben. Mal sehen, ob sie immer noch so aufmüpfig sein würde, wenn sie merkte, dass er jeden einzelnen Knut in monatlichen Raten zurückverlangen würde. Immerhin hatte sie das Päckchen mit den Zutaten angenommen. Ein diabolisches Lächeln schlich sich in Severus´ Gesicht. Das würde auch die beste Therapie gegen die blauen Augen sein, die sich immer wieder in seine Gedanken schlichen. Aber zuerst - Snape zückte den Zauberstab und wedelte lässig in Richtung des Chaos', das Longbottom angerichtet hatte. Sofort begann der verspritzte Zaubertrank, sich aufzulösen und das Chaos verwandelte sich wie von Geisterhand in die Ordnung, die er so liebte.

Als der Abend herannahte und sich alle zum Abendessen in der Großen Halle trafen, wurde Severus doch ein wenig nervös. Um ganz ehrlich zu sein, wurde er sogar ziemlich nervös. So nervös, dass er kaum einen Bissen runterwürgen konnte und auch keine Ruhe in einem Gespräch mit Remus fand. Sobald es nicht mehr auffiel, verließ er den Lehrertisch, um still und heimlich die Schule in Richtung Hogsmeade zu verlassen. Doch dann sah er aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Er drehte sich zur Seite und sah - sich. Im großen Spiegel, der in der Eingangshalle der Schule hing. Und was er sah, erschreckte ihn. Die langen, schwarzen und eigentlich dicken und vollen Haare hingen fettig und wüst in Strähnen in sein Gesicht. Die schwarzen Augen blitzten in starkem Kontrast seiner fahlen Haut. Die lange, gebogene Nase fiel in dem schmalen Gesicht besonders ins Auge. Die schwarze Kleidung unter dem oftmals geflickten Umhang war zerschlissen und von Zaubertrankspritzern fleckig. Nicht, dass Severus sich groß Gedanken über sein Aussehen machen würde. Das letzte Mal hatte er vor Monaten bewusst in einen Spiegel geschaut. Aber die Haare... so lange konnte die letzte Wäsche doch gar nicht her sein. 'Moment, das war doch...', überlegte er. 'Oh Mist' - er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Naja - das ließe sich ja ändern, überlegte er und lief, so schnell es seine Würde zuließ, zu seinen Gemächern.

Dort angekommen riss er sich die Klamotten vom Leib und eilte in das karge Badezimmer, wo er sich ausgiebig duschte und die Haare sogar dreimal mit einem Glanzshampoo, welches Albus ihm in einem Anflug von Humor irgendwann letztes Jahr geschenkt hatte, einseifte. "Was für ein Dreck!", entfuhr es ihm, als er das erste Mal die Haare auswusch und die fast schwarze Brühe durch den Abfluss lief. Eine Sekunde lang ekelte er sich vor sich selber als ihm bewusst wurde, was die anderen in ihm sehen mussten. Als er sich endlich sicher sein konnte, dass seine Haare sauber waren, stieg er aus der Dusche und rasierte sich ausgiebig. Er benutzte sogar ein recht teures Rasierwasser, bevor er sich die Zähne putzte. Danach griff er seinen Zauberstab, richtete ihn gegen seinen Kopf und murmelte leise Worte. In dem warmen Luftstrom, der daraufhin aus dem Stab blies, trocknete er seine Haare. Aber wo bei Merlins Gebeinen war nur sein Kamm? Hektisch durchwühlte er die Schubladen seines Badezimmerschrankes. Da war das Mistding ja und er kämmte sich das lange Haar, bis es seidig glänzend zu beiden Seiten sein Gesicht umschmeichelte.

So zufriedengestellt ging er zum Kleiderschrank und wählte ein nagelneues Set Kleidungsstücke - natürlich Pechschwarz - und einen Samtumhang aus. Als er fertig angekleidet war, ging er wieder ins Bad und warf einen neuerlichen Blick in den Spiegel - was für ein Unterschied. Zwar war er immer noch blass wie der Mond - daran ließ sich so schnell auch nichts ändern - aber ansonsten blickte ihm eine stattliche Erscheinung entgegen und als er zaghaft ein Lächeln versuchte, fand er sich fast schon gutaussehend. Severus war einen Blick auf seine Uhr "Verflucht!", entfuhr es ihm - er hatte viel zu lange gebraucht. Jetzt würde er sich unmöglich ungesehen aus dem Schloss schleichen können. Er seufzte und drehte die Augen gen Zimmerdecke. Das würde ein echter Spießrutenlauf werden. Aber wenn er nicht zu unhöflichen Zeiten in Hogsmeade erscheinen wollte, musste er jetzt los.

Mit dem arrogantesten Gesichtsausdruck der ihm möglich war und den Blickkontakt vermeidend, schritt Severus durch die Gänge an den Zauberschülern vorbei, die sich gerade auf dem Weg in ihre Türme befanden. Hinter sich hörte er aufgeregtes Tuscheln und er spürte die erstaunten Blicke der Kinder in seinem Rücken. "Habt ihr das gesehen?" "Das ist doch nicht..." "Doch!" "Nicht im Ernst. Wie sieht denn der aus?" und ähnliches drang an seine Ohren und er musste sich schwer beherrschen, um diese neugierigen Blagen nicht anzuschreien, dass sie sich doch gefälligst um ihren eigenen Mist kümmern sollten. Er tat es nicht und brachte die letzten Meter bis zur Eingangstür hinter sich. Draußen stoppte er kurz, atmete tief durch und eilte den Kiesweg hinunter zum Tor der Anlage.

Severus apparierte direkt vor der Praxis von Miss Twospear. Er klopfte und schellte, es machte jedoch keiner auf. 'Verdammt - wo ist sie', dachte er wütend, als am Nebenhaus ein Fenster aufging und eine freundlich blickende ältere Hexe hinausschaute. "Miss Twospear ist ausgegangen", rief sie herunter. "Versuchen Sie es doch mal in den 'Drei Besen', junger Mann." Severus knurrte ein "Danke" und machte sich auf den Weg. 'Hah - junger Mann - das hat schon lange keiner mehr gewagt, zu mir zu sagen', dachte er grimmig. Und was zum Teufel machte die Frau um die Zeit in der Kneipe? Sie sollte lieber arbeiten - das war seine Meinung. "Vergnügungssüchtiges Weib", knurrte er. Dann erreichte er den Pub und trat ein.

Drinnen schlug ihm erst einmal der Qualm der Raucher entgegen und ihm stockte kurzfristig der Atem. 'Oh Merlin. Das ist ja schlimmer als ein missglückte Trank von Longbottom', dachte Severus und unterdrückte einen Hustenanfall. An seine Ohren drang das Geplapper und Gelächter der anwesenden Hexen und Zauberer. Der Raum war brechend voll und Severus hatte Probleme, sich zu orientieren. Wo, zum Teufel, war sie?

Da - an einem kleinen Tisch saß sie und unterhielt sich angeregt mit Remus Lupin. Und hübsch sah sie aus. Sie trug ihre langen Haare offen und hatte einen blauen Umhang an, der nach Severus´ Erinnerung wunderbar mit ihren Augen harmonieren müsste. Ein leichter Schauer strich über seinen Rücken und setzte sich als angenehmes Kribbeln in seinem Magen fest. In diesem Moment jedoch beugte sich Remus zu ihr vor und flüsterte ihr lächelnd etwas ins Ohr, was sie mit einem hellen, sinnlichen Lachen quittierte. In Severus´ Herz gab es einen Stich und er presste die Lippen zusammen, bis sie einen schmalen Strich bildeten. Seine Laune wurde auch nicht besser, als ein junger Zauberer von hinten an sie herantrat, ihr leicht auf die Schulter klopfte und sie sich mit einem strahlenden Lächeln zu ihm umwandte. 'Na, die hat ja schnell Freunde gefunden', dachte Severus säuerlich und seine Stimmung sank nun gänzlich auf den Nullpunkt.

***



Chris war glücklich gewesen, Remus an diesem Abend in den 'Drei Besen' zu treffen. Insgesamt hatte sie sich schon sehr gut in Hogsmeade eingelebt, doch die Gespräche mit ihm waren für sie die entspannendsten von allen. Ziemlich am Anfang als sie sich kennengelernt hatten, hatte sie ihm ihren Ärger und ihre Probleme mit Severus Snape erzählt und er hatte sie mit leuchtenden Augen angelacht "Ja, so ist unser Severus - sauertöpfisch und ungehobelt wie ein Klotz." Da mussten beide lachen. "Machen Sie sich nichts draus, Chris. Er droht zwar manchmal damit, aber bisher hat er meines Wissens noch keinem den Kopf abgebissen." Und wieder musste beide herzhaft lachen.

Nun saßen sie wieder an ihrem Lieblingstisch und unterhielten sich über ihren jeweiligen Tagesablauf. Plötzlich spürte Chris einen Blick im Nacken, der ihr einen Schauer über den Rücken jagte und aus den Augenwinkeln sah sie eine hochgewachsene, schwarze Gestalt, die auf der anderen Seite des Raumes stand. 'Jetzt nur nicht nervös werden', dachte sie bei sich und versuchte, sich wieder auf Remus zu konzentrieren. Doch dieser beugte sich vor und flüsterte ihr leise ins Ohr: "Chris, unser Mr. Sauertopf ist gerade erschienen - und halt dich fest - er sieht aus, als ob Ostern und Weihnachten zusammengefallen sind. Ob er wohl ein Rendezvous hat?" Bei dieser Vorstellung lachte sie hell auf.

Da spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und drehte sich lächelnd um. Hinter ihr stand Jonathan, ein Zauberer aus dem Ort, etwa in ihrem Alter. "Chris", rief er lauter, als nötig, "Sie haben heute Abend noch gar nicht für uns gesungen." Chris wollte schon abwehren, doch jeder im Raum schien die Aufforderung gehört zu haben und nach und nach erklangen in dem Raum mehr und mehr Rufe "Chris! Chris! Chris!" bis zu einem wahren Stakkato. Chris seufzte theatralisch und gab nach. Sie stellte sich auf einen Tisch in der Mitte des Raumes und begann mit ihrer erstaunlich schönen und voluminösen Stimme ein Lied, welches sie zu ihrer Zeit als "Muggel" sehr gemocht hatte:

Once upon a time there was a tavern
where we used to raise a glass or two.
Remember how we laughed away the hours.
And dreamed of all the great things we would do.

Those were the days my friend
we thought they´d never end.
We´d sing and dance forever and a day.
We´d live the life we chose.
We´d fight and never lose.
For we were young and sure to our way.

Severus lehnte sich gegen einen Pfeiler und sah die junge Frau an, die da so selbstvergessen auf dem Tisch stand und aus voller Seele sang. Dass sie Mut hatte, hatte er ja nun schon mitbekommen aber so viel Mut hätte er ihr nun doch nicht zugetraut. Er warf einen schnellen Blick in die Runde. Der ganze Saal hing an ihren Lippen und hier und da fingen einige Anwesende an, im Takt zu klatschen und das "Lalala" des Refrains mitzusingen. Severus heftete seinen Blick wieder auf Chris und erstarrte - gerade, als sie die Zeilen "In the glass I saw a strange reflection. Was that lonely woman really me?" sang, hatte er da nicht eine Träne in ihren Augen blitzen sehen? Er blinzelte und schaute noch einmal genau hin - nein. Er musste sich geirrt haben. Trotzdem schaute er sie verwirrt an. Was war das nur für eine Frau? So schüchtern und doch so mutig. Für ihn ein Rätsel. Und er war kein Mann, der ein Rätsel ungelöst an sich vorüberziehen ließ.

Das Lied endete und der Raum brach in tosenden Applaus aus. Chris verbeugte sich anmutig auf ihrem Tisch, während Rufe nach Zugabe immer lauter wurden. Chris lachte und rief "Okay, okay. Ihr habt mich. Ein Lied noch, aber dann ist Schluss." Laute "Oh"-Rufe wurden laut. "Nein-nein", wehrte sie lachend ab. "Ein Lied oder keines. Sucht es euch aus."
"Sing für uns, Chris", erscholl eine Stimme von hinten und die Anwesenden lachten auf. Chris begann ein neues, jetzt langsames Lied.

I´ve heard there was
a secret chord.
That David played, and
it pleased the Lord.
But you don´t really care
for music, do you?
It goes like this:
The fourth, the fifth,
the minor fall, the major lift.
The baffled king
composing Hallelujah
Hallelujah, Hallelujah
Hallelujah, Hallelujah.

Severus kniff wieder die Augen zusammen. Diesmal war er sich ganz sicher, Tränen in ihren Augen gesehen zu haben. Und da - eine einzelne Träne lief ihre Wange hinunter, während sie das traurige Lied weiter intonierte. Doch keiner der Anwesenden schien das bemerkt zu haben. Er war nun völlig verwirrt. Wer war diese Frau? Und was für eine traurige Erinnerung trug sie in sich, die in so einem Lied aus ihr heraus brach? Nicht, dass er sie nicht verstehen konnte.

Er selber trug mehr als genug traurige Erinnerungen mit sich und bei der derzeitigen Entwicklung konnte er noch nicht einmal sagen, ob sich seine Liste nicht noch um einiges verlängern würde. Voldemort war gerade letztes Jahr mit Hilfe von Harry Potters Blut wieder auferstanden und auf Dumbledores Bitte hin hatte er versucht, sich wieder als ein "treuer Diener" - oder besser, Dumbledores Spion, in den Kreisen der Todesser zu etablieren. Doch Voldemort vertraute ihm nicht mehr. Eigentlich kein Wunder, nachdem er den ersten Ruf des Lords so eisern ignoriert hatte. Und somit war Hogwarts die einzige Zuflucht, die Severus vor der Rache des dunklen Lords blieb. Jeder Spaziergang außerhalb des Geländes von Hogwarts könnte seinen Tod bedeuten. Wenn es dem dunklen Lord gefiel oder wenn einer seiner treuen Todesser beschloss, dass Severus Snape´s Tod ihm unerwartete Lorbeeren beim Lord einbringen könnte, wäre sein Leben keinen Pfifferling wert, sollte er hier oder an einem anderen Ort außerhalb des schützenden Geländes der Schule angetroffen werden.

Chris beendete das Lied und schwankte leicht, als sie sich unter dem tosenden Applaus tief vorbeugte. Severus sah das und eilte zu ihr, um sie im Notfall aufzufangen. Als er bemerkte, dass sie nicht fiel, streckte er ihr nur fürsorglich seine Hände entgegen.

Chris fühlte sich hundeelend. Als sie 'Hallelujah' gesungen hatte, waren die vergrabenen Gefühle seid der Trennung von Marcus aus ihr herausgebrochen und um die Tränen vor ihren Zuhörern zu verbergen, verbeugte sie sich tief. Doch selbst dabei drohten ihre Gefühle sie zu übermannen und sie schwankte. Im letzten Moment fing sie sich doch wieder. Trotzdem war sie froh, als sie die Hände bemerkte, die sich ihr hilfreich entgegen streckten. Sie ergriff sie und stieg langsam vom Tisch herunter. Dann erst sah sie, wer dieser hilfreiche Mensch war - Snape. Sie erstarrte Was hatte er bemerkt? Doch er drehte sie so, dass sie ihn ansehen musste und beugte seinen Kopf hinunter zu ihr, als er ihr etwas ins Ohr flüsterte "Shhht - ganz ruhig. Beruhigen Sie sich. Wir möchten doch nicht, dass hier im Pub wegen Ihnen Unruhe entsteht."

Sie schaute ihn an und verstand. Er hatte sie so gedreht und seinen Kopf so hinabgebeugt, dass durch seine langen Haare niemand ihr Gesicht und die verräterischen Tränenspuren sehen konnte. "Danke", sagte sie schlicht, als ihr wieder Tränen in die Augen stiegen.
"Keine Ursache. Ich weiß selber, was Schmerzen sind und wie peinlich es ist, wenn jeder in der Umgebung diese bemerken."
Sie schaute ihm in die Augen und suchte nach dem spöttischen Blick, den sie nur allzu gut kannte. Doch in seinen Augen sah sie nur ehrliche Sorge um sie.

Chris wischte sich die Spuren aus dem Gesicht und meinte leicht lächelnd "Vielen Dank, Professor. Wir sollten aber jetzt besser zum Tisch zurückkehren, bevor wir aus anderen Gründen ins Gerede kommen."
Severus´ Augen leuchteten belustigt auf, als er ihr zustimmte. Sie lösten sich voneinander und Chris ergriff Severus´ Hand, um ihn an ihren Tisch zu ziehen. Dort wurden sie bereits von Remus erwartet, der ebenfalls Chris´ Stimmung während des zweiten Liedes bemerkt hatte. "Chris? Ist alles in Ordnung?"
"Natürlich, Remus. Nur eine kleine, schwermütige Erinnerung an Marcus", sagte sie und lächelte ihn an, während sie Severus um den Tisch herum auf einen freien Stuhl neben sich zog.
"Ich habe dir gesagt, dass es nicht gut ist, die Gefühle so zu begraben. Die brechen immer in den unmöglichsten Situationen aus", belehrte Remus sie ernsthaft. Dann nickte er Severus freundlich zu "Guten Abend, Severus."

Severus nickte knapp zurück. Er war momentan ganz auf seine Hand konzentriert, die immer noch von Chris festgehalten wurde und von seinem Gefühl her in Flammen zu stehen schien.

"Ach Remus - du weißt doch, wie das mit uns Weibern ist. Unlogisch und von Männern absolut nicht zu verstehen", lachte Chris und untermalte ihre Worte mit einer dramatischen Geste. Mit dieser ließ sie auch Severus´ Hand los und er seufzte, unfähig, sich zu entscheiden, ob er darüber erleichtert oder traurig sein sollte. "Nun ja - Professor Snape war so freundlich, mir eine helfende Hand zu reichen und mich eine Zeitlang vor den neugierigen Blicken der anderen zu verbergen", fuhr sie fort und warf Severus einen dankbaren Blick zu.

"Ah - a propos, Severus. Was machst du eigentlich hier? Wenn ich mich recht erinnere, warst du zuletzt als Schuljunge in den 'Drei Besen'", fragte Remus.
"Nun, ich hatte etwas geschäftliches mit Miss Twospear hier zu bereden. Sie war nicht in ihrer Praxis und eine Nachbarin meinte, ich würde sie hier finden."
"Ah ja."
"Was?", schnappte Severus und seine Augen funkelten gefährlich.
"Oh - nichts", grinste Remus und lächelte Chris vielsagend an.

Chris verstand nicht und schaute verwirrt von Remus zu Snape - und erstarrte. Sie war zuvor noch so mit ihren Gefühlen beschäftigt gewesen, dass sie den Professor gar nicht richtig wahrgenommen hatte, doch jetzt starrte sie ihn verwundert an. Er sah - umwerfend aus. Naja - nicht schauspielermäßig umwerfend aber Chris hatte eh nie auf diese aalglatten Softies gestanden. Doch die Veränderung war einfach - erstaunlich. Sein schwarzes Haar, frisch gewaschen, umfloss glänzend sein Gesicht und schaffte einen reizvollen Kontrast zu seinem blassen Teint. Die Kleidung war neu und schmiegte sich vorteilhaft um den schlanken Körper. Und dann noch der Geruch. Chris saß nahe genug, um den Hauch des Rasierwassers, der sich mit seinem eigenen, männlichen Duft vermischt hatte, wahrzunehmen.

Das hatte Remus also eben mit seinem Spruch gemeint. Unwillkürlich wurde sie rot und schlug die Augen nieder. 'Du bist doch echt dämlich', schalt sie sich selber, 'denk an dein Versprechen.' Aber das hier war nicht Marcus und bis auf die Haarfarbe waren beide auch nicht mal annähernd als ähnlich zu bezeichnen. Sie warf noch einmal einen schnellen Blick auf den Mann an ihrer Seite. Er sah heute sogar viel freundlicher aus. 'Ach was', dachte sie dann, 'was soll er auf einmal anderes in dir sehen als eine schüchterne, stotternde Schülerin, die ihn auch noch seiner kostbaren Zutaten berauben will?', und mit diesem Gedanken riss sie sich sichtlich zusammen. "Nun, Professor Snape, was haben Sie sich denn so überlegt, was ich Ihnen denn wie zu bezahlen habe?", fragte sie ihn in nunmehr geschäftlichen Ton.

Severus schrak auf. Er war in Gedanken bei dem leicht wissenden Grinsen von Remus Lupin gewesen. War es so offensichtlich? Aber natürlich - Remus hatte auch in seiner momentanen menschlichen Gestalt schärfere Sinne als andere Menschen und konnte sogar Gefühle riechen, die anderen Menschen noch nicht einmal bewusst waren. Er wandte sich an Chris "Wie bitte?"
"Nun, Sie schrieben, dass Sie sich die Zahlungsmodalitäten überlegen wollten. Ich höre?"
"Nun", begann Severus und wurde zu seinem eigenen Entsetzen leicht rot, "ich hatte eigentlich an eine Ratenzahlung in Höhe von - sagen wir - 10 Sickel die Woche gedacht..."
"Severus", unterbrach Remus ihn erschrocken, "das kannst du nicht tun!"
"Ach - und warum nicht?", fragte dieser seinen Freund, ärgerlich wegen der Unterbrechung.
"Chris arbeitet hier zu den gleichen Preisen, die auch die Doktoren genommen haben", rief Remus, "aber im Gegensatz zu diesen muss sie neben ihrem Lebensunterhalt auch noch die Beigaben ihrer Zaubertränke bezahlen. Da bleibt nicht viel über und 10 Sickel kann sie garantiert nicht aufbringen", fuhr er fort, wobei er Chris anschaute, die leicht nickte.

"Stimmt das?", knurrte Severus Chris an und sie, unfähig zu sprechen, nickte wiederum.
'Na klar', dachte Severus, während er sie anstarrte. 'unvorbereitet und jetzt auch noch so - selbstlos.' Und laut sagte er: "Und was erwarten Sie nun? Soll ich Ihnen diese Kostbarkeiten schenken?"
Chris schüttelte den Kopf. "Nein, Professor", sagte sie leise.
"Also?"
"Ich weiß es nicht, Professor", gab sie, im Stuhl immer kleiner werdend, zu.
Remus war es vom Gesicht abzulesen, was er von der Abkanzelungstaktik seines Freundes hielt. Er unterbrach die für Chris peinliche Situation, indem er rief: "Aber ich - ich habe eine wunderbare Idee!"
Beide schauten den schmalen Mann an. Chris erleichtert, Severus verwundert.
"So? Was?", fragte Severus.
"Nun - Chris könnte ihre Schulden doch bei dir im Labor abarbeiten."

Beide schauten ihn erschrocken an und dann begannen beide gleichzeitig, auf ihn einzureden.
"Ich kann doch nicht.."
"Das geht doch nicht.."
"In meinem Labor?"
"In seinem Kerker?"
"Und was ist mit meinen Schülern?"
"Und was ist mit meinen Patienten?"
Und dann, wie aus einem Mund: "Nein, das geht nun wirklich nicht!"

Beide unterbrachen sich und starrten sich an. Dann blickten sie verlegen zu Boden. Auf Remus´ Gesicht stahl sich wieder dieses wissende Grinsen. "Nun", sagte er, während er seinen Stuhl zurückschob, "ich lasse euch zwei jetzt alleine. Lasst es euch durch den Kopf gehen." Er zog Chris von ihrem Stuhl und umarmte sie freundschaftlich. Dann flüsterte er ihr verschwörerisch ins Ohr: "Und denk dran - er beißt nur sehr selten", was Chris mit einem Lachen und einem leichten Kuss auf seine Wange quittierte. Remus´ Augen leuchteten, als er sich mit einem freundschaftlichen Nicken von Severus verabschiedete. Im Hinausgehen summte er leise und lachte: 'Es passt doch noch auf jeden Topf ein Deckel.'

Severus hatte die kurze Verabschiedungsszene mit unbewegtem Gesicht verfolgt. Doch in seinem Herzen hatte es einen heftigen Stich gegeben. Was war zwischen der jungen Frau und dem Werwolf? Und warum, zum Geier, interessierte ihn das? Warum war er neidisch auf seinen Freund, der einfach so ein Lachen auf das Gesicht dieser ungewöhnlichen Frau zaubern konnte. Ungewöhnlich, weil sie innerhalb von ein paar Minuten so ein breites Spektrum an Gefühlen zeigte und doch immer wieder zu ihrer Fröhlichkeit zurückkehrte. Fröhlich - traurig - fröhlich - schüchtern - fröhlich... all das lag bei Christina so nah beieinander. Und das verwirrte ihn - ihn, der er sich schon seid Jahren gefühlsmäßig unter Kontrolle hielt, damit nur keiner nah an ihn heran konnte. Und jetzt wünschte er sich, auch dieses Lachen auf ihr Gesicht zaubern zu können. Er wünschte sich zum ersten Mal in seinem Leben, die Mauer in seinem Inneren niederreißen zu können und der Frau an seiner Seite all seine Gefühle, sein Ängste und Hoffnungen beichten zu können. Aber er war vom Leben so oft enttäuscht worden, dass er sich nicht traute. Nicht jetzt - nicht bei einer beinahe Fremden. Dabei schien sie ihm jetzt schon so merkwürdig vertraut. Severus fasste den Entschluss, diese Frau kennenzulernen.

"Nun", sagte er langsam, als sich Chris wieder hinsetzte - diesmal genau auf der anderen Seite des Tisches, "was machen wir jetzt? Das mit der Bezahlung kann ich mir wohl aus dem Kopf schlagen, nicht wahr?"
Chris schaute ihn wieder so verschreckt an. "Bitte, Professor..."
"Nennen Sie mich bitte Severus, Miss Twospear", unterbrach er sie harscher, als er vorhatte. "Professor hört sich so gestelzt an und Sie sind ja nun schon lange keine Schülerin mehr von mir. Außerdem haben wir den gleichen Meistergrad. Und der ist nicht häufig in England zu finden", fuhr er etwas freundlicher fort.
"Nur, wenn Sie mich Chris nennen", gab sie freundlich zurück.
Er verzog kurz den Mund. "Also darauf gehe ich nur ein, wenn ich Christina sagen darf. Ich finde, der Name passt besser zu Ihnen als diese Kurzform."
Chris überlegte kurz. Sie mochte die lange Version ihres Namens nicht - aber es war immerhin ein unvermutetes Zugeständnis des Professors. "Na gut, einverstanden, Severus", lächelte Sie ihn an.

"Nachdem wir das geklärte haben, was wollten Sie gerade sagen?", fragte Severus interessiert.
"Naja, ich überlegte gerade, ob ich Sie darum bitten könnte, mir meine Schulden noch ein wenig zu stunden, bis ich - vielleicht durch eine Preiserhöhung - in der Lage bin, die Raten zu bezahlen." Sie schaute ihn fragend an.
"Nein", antwortete er und Chris zuckte mal wieder zusammen. "Warum sollen die Patienten leiden, weil ihr Heiler schlecht vorbereitet ist", fuhr er fort.
Chris schaute verschämt zu Boden. "Nein, ich finde die Idee von Remus bei Licht betrachtet gar nicht mal so schlecht. Natürlich muss ich Sie zuerst testen. Aber wenn ich zufrieden bin, könnte ich Sie zeitlich begrenzt abends zur Vorbereitung von Unterrichtsstoff oder zur Hilfe bei meinen Forschungen einstellen. Und damit bezahlen Sie dann Ihre Schulden bei mir. Was sagen Sie?"

Chris war bei Severus´ Rede erst verstört und dann verwundert gewesen. Der Mann wollte ihr doch nicht etwa so aus der Patsche helfen? "Und wie soll das gehen? Ich kann meine Praxis doch nicht alleine lassen", gab sie zurück.
Severus schüttelte den Kopf. "Sie hören nicht zu, Christina. Ich sagte abends. Und das, sagen wir mal, zweimal die Woche. Das müssten Sie doch in Ihrem Terminplan unter bekommen. Immerhin finden Sie ja auch Zeit hierfür", sprach er mit einer weitschweifenden Geste, die den Raum des Pubs einschloss.
Christinas Augen flackerten kurz vor Ärger auf "Das geht Sie gar nichts an", zischte sie leise. Aber sie wusste, dass sie sich in einer Falle befand. Snape hatte ja recht gehabt, es war ihre eigene Schuld, dass sie jetzt von ihm abhängig war. Und verscherzen wollte sie sich es mit ihm auch nicht - immerhin könnte sie ja noch mal was von ihm brauchen.

Nur - so ganz kampflos wollte sie nicht aufgeben und so blitzten ihre Augen und ihr Mund zeigte ein honigsüßes Lächeln, als sie mit sanfter Stimme auf sein Angebot einging: "Gut, Severus. Einverstanden", sagte sie und Severus fühlte sich, als ob eine Tonnenlast von seinem Herzen gefallen wäre. "Aber", fuhr Chris fort, "meine Bezahlung beträgt zwei Galleonen die Woche."
"Was? Sind Sie wahnsinnig?" Severus schlug die Hände auf den Tisch. "Glauben Sie, Sie sind der große Merlin persönlich? Nicht mehr als 10 Sickel pro Woche. Und damit bin ich noch verdammt großzügig."
Chris stand halb auf und beugte sich leicht über den Tisch "Das können Sie sich abschminken. Ich lasse mich doch nicht von Ihnen versklaven. Eine Galleone und 13 Sickel." S
everus stand ebenfalls halb auf und zischte mit gefährlicher Stimme: "Und ich lasse mich nicht verarschen. 12 Sickel und keinen Knut mehr."
Chris beugte sich leicht vor und starrte in Severus´ unergründliche Augen, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt "Es ist immerhin meine verdammte Freizeit, die ich in Ihrem Kerker verbringen muss. Eine Galleone und zehn Sickel."
Severus bog seinen Oberkörper ebenfalls vor, so dass seine Nase nur Zentimeter von der ihren entfernt war. "Ah - jetzt tun Sie gerade so, als ob ich Sie jeden Abend hinunter zitieren wollte anstatt nur zwei Abende die Woche. 14 Sickel und bedenken Sie, dass ich mir jederzeit einen Schüler als Hilfskraft holen kann - und das umsonst", giftete er und hielt die Hand siegesgewiss hin.
Aber Chris war gerade in Fahrt gekommen und konterte, den Blick auf seine Augen gerichtet: "Und Sie sollten bedenken, dass Sie wohl keinen Schüler mit meinen Talenten und meiner Ausbildung finden werden. Eine Galleone genau." Sie hielt ihre Hand neben seine. "Schlagen Sie ein oder lassen Sie es."

Minutenlang starrten sich beide böse in die Augen, die Gesichter dicht voreinander, die Hände nur Zentimeter voneinander entfernt. Dann - nach einer Ewigkeit, wie es schien - kroch ein Lächeln über Severus´ Gesicht und mit einem theatralischen Seufzer nahm er Chris´ Hand. "Einverstanden. Aber dafür müssen Sie mir gestatten, Sie bei besonderen Problemen auch außer der Reihe zu rufen. Natürlich nur, wenn Sie in der Zeit keine anderen Verpflichtungen haben."
"Natürlich - und Sie müssen mir bei einem Notfall in meiner Praxis sofort den restlichen Abend frei geben, wenn ich bei Ihnen bin."
"Selbstredend - wenn ich Sie denn einstelle."
"Klar - aber ich habe noch eine Bedingung", sagte Chris und fuhr hastig, als sie bemerkte, dass Severus seine rechte Augenbraue hochzog, fort: "Die Hälfte des Geldes ist für meine Schulden bei Ihnen, der Rest ist für mich."
"Nun", Severus tat, als müsste er darüber nachdenken, "einverstanden. Aber damit ist auch Schluss jetzt, sonst platzt unser Deal", drohte er, obwohl er innerlich darüber froh war, Christina nun noch länger in seiner Nähe zu haben.

Chris senkte den Blick und sah ihre Hand, die noch immer wie selbstverständlich von Severus festgehalten wurde. Hastig zog sie sie zurück, was sie jedoch fast auf der Stelle bedauerte. "Entschuldigung", murmelte sie errötend und warf einen Blick auf Severus´ Gesicht. Er war ebenfalls rot geworden und sah sie mit unidentifizierbaren glänzenden Augen an.
Chris erhob sich von ihrem Platz. "Es ist spät geworden. Ich denke, ich sollte jetzt besser nach Hause gehen."
Severus erhob sich ebenfalls. "Ich bringe Sie nach Hause, wenn ich darf."

Zusammen verließen sie den Pub und schlenderten nebeneinander schweigend die Straße hinauf.
"Christina?", fragte Severus, um die Stille zu durchbrechen.
"Ja, Severus?"
"Warum sind Sie eigentlich so schlecht vorbereitet nach Hogsmeade gekommen?"
Chris seufzte leicht. "Nun - ich lebe erst seit kurzem wieder in der Zaubererwelt und habe davor ein paar Jahre nur unter Muggeln gelebt. Das Angebot von Dr. Barnes kam sehr kurzfristig und daher hatte ich nicht allzu viel Zeit, mich um eine Bezugsquelle für seltene Zutaten zu kümmern. Um ehrlich zu sein, bin ich sprichwörtlich nur mit einem Koffer in der Hand ziemlich überstürzt aus London abgereist."
"Hatte das was mit diesem Marcus zu tun?"
"Wie bitte?" Chris hielt abrupt an.
"Naja, ich konnte eben nicht umhin, das Gespräch zwischen Ihnen und Remus zu hören", versuchte Severus zu erklären, "und jetzt frage ich mich, ob Ihre Geschichte etwas mit diesem Marcus zu tun hat."
"Ich möchte nicht darüber reden", flüsterte Chris mit gesenktem Kopf.
"Aber...", setzte Severus an.
"Nein - tun Sie es nicht - das ist kein Scherz", zischte Chris, während sie Severus mit funkelnden Augen anstarrte.
"Entschuldigung", murmelte dieser "Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Lassen Sie uns weitergehen und ich verspreche Ihnen, nicht mehr mit dem Thema anzufangen, wenn Sie es nicht möchten."
Das beruhigte Chris und schweigend setzten sie ihren Weg fort.

"Da sind wir", sagte Chris, als sie vor der Praxis anhielten.
"Ja", antwortete Severus ziemlich lahm und beide schauten zu Boden.
"Wann soll ich...."
"Wann könnten Sie...."
Beide lachten, als sie merkten, dass sie mal wieder gleichzeitig gesprochen hatten.
"Sie zuerst", forderte Severus sie auf.
"Okay, wann soll ich zu Ihrem 'Test' erscheinen", fragte Chris.
"Wann haben Sie denn Zeit?"
"Hmmmm - schwere Frage... am Besten ist, ich gebe Ihnen Bescheid, wenn mir dazu was eingefallen ist", grinste Chris Severus frech an und bevor er mit einem neuerlichen Wutanfall reagieren konnte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen, küsste ihn leicht auf die Wange und verschwand mit einem leisen Lachen im Haus.

Severus stand wie vom Donner gerührt vor der Tür. Langsam hob er die Hand zu der Stelle, an der Christina ihn mit ihren Lippen berührt hatte. Dann, ganz langsam, stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen, als er merkte, dass sie ihn gerade mit seinen eigenen Waffen, die jedoch unverkennbar ihr Siegel trugen, geschlagen hatte. Er drehte sich gerade um, um zur Schule zurückzukehren, als sich im ersten Stock des Hauses ein Fenster öffnete. "Severus?"
Er blieb stehen, drehte sich aber nicht um.
"Ich denke, morgen Abend hätte ich Zeit."
"Ja?"
"Dann bis morgen und schlafen Sie gut."
"Sie auch, Christina." Er ging weiter - und war froh, dass sie das närrische Grinsen auf seinem Gesicht nicht sehen konnte.

Chris schoss das Fenster und beschloss, Severus nicht zu sagen, dass sie auch für 10 Sickel für ihn gearbeitet hätte.

Severus ging leise pfeifend heim und beschloss, Christina nicht zu sagen, dass er ihr auch 2 Galleonen gezahlt hätte.

 

 

Kapitel 2

Kapitel 4

Zurück