Harry Potter und das Sonnenamulett

 

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Kapitel 6: Die Rückkehr nach Hogwarts




Harry schlief sehr schlecht in dieser Nacht. Irgendwie hatte sich durch das Gespräch, das er mit angehört hatte, etwas in seinem Gehirn in den Vordergrund gedrängt, das er die ganzen Ferien über versucht hatte, zu vergessen: Die Prophezeiung. Mit aller Macht senkte sich diese schreckliche Gewissheit, entweder ermordet oder selbst zum Mörder zu werden, auf sein Bewusstsein. Und was war das nur für eine Macht, die er hatte und von der Voldemort nichts wusste? All seine Kraft würde Harry einsetzen, um herauszufinden, um was für eine Macht es sich da handelte. Bis jetzt hatte er noch nicht die Kraft gehabt, mit seinen Freunden über die Prophezeiung zu reden, aber Harry wusste, dass er dies bald tun musste, weil er das Gefühl hatte, diese Last einfach nicht mehr allein ertragen zu können. Ruhelos wälzte sich Harry von einer Seite auf die andere. Würde Voldemort wirklich den Hogwartsexpress angreifen? Obwohl Harry völlig klar war, dass Voldemort alles daran setzen würde, ihn nach dem Desaster mit der Prophezeiung in seine Gewalt zu bekommen, war die Bedrohung dadurch, dass Dumbledore sie direkt ausgesprochen hatte, irgendwie noch realer und beängstigender geworden. Dennoch war Harry froh darüber, dass der Schulleiter mit ihm über die Angelegenheit gesprochen hatte.

Am nächsten Morgen beim Frühstück herrschte eine angespannte Stimmung.
"In einer halben Stunde brechen wir auf", knurrte Moody, "Arthur, Remus und ich begleiten euch nach King's Cross."
Tonks und Professor Fenwick wandten sich zur Küchentür. "Wir verschwinden schon mal, bis später dann", verabschiedete sich Tonks. Professor Fenwick blickte nacheinander Harry, Ron, Hermine und Ginny an: "Wenn wir uns nachher treffen, müssen Sie alle so tun, als ob wir uns noch nicht kennen", sagte sie eindringlich, "wir müssen so weit wie möglich vermeiden, dass jemand unnötige Fragen stellt. Dann bis später und viel Glück." Damit verließen die beiden Frauen die Küche.

Der Weg zum Bahnhof verlief ohne besondere Vorkommnisse. Als sie um viertel vor Elf nacheinander durch die Absperrung zwischen Gleis neun und zehn traten, stellten sie fest, dass der Bahnsteig schon überfüllt war. Überall standen Schüler, die sich von ihren Verwandten verabschiedeten. Harry erblickte sofort Draco Malfoy, der, gefolgt von seinen ständigen Begleitern Crabbe und Goyle, direkt auf ihn zusteuerte:
"Na, Potter", sagte Malfoy gedehnt, "diesmal ohne hündische Begleitung!" Ein fieses Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.
"Harry, lass dich bloß nicht provozieren", zischte ihm Hermine zwischen zusammengebissenen Zähnen zu.
"Immer noch am Leben, Potter?", fuhr Malfoy genüsslich grinsend fort. "Pass auf, dass sich das nicht schon bald ändert. Und das mit der Fahrt in die Ferien, das wirst du mir büssen. Darauf kannst du dich verlassen, Potter!"
"Deine leeren Drohungen kenne ich mittlerweile, Malfoy", erwiderte Harry überlegen. Dann ließ er die drei einfach stehen und stieg in den Zug. Harry war im Moment nicht nach einem Wortgefecht mit Malfoy zumute. Im Zug suchten sie ein leeres Abteil, in dem sie ihr Gepäck verstauten. Dann blieb Harry alleine, während Ron, Hermine und Ginny sich auf den Weg zu den Vertrauensschülerabteilen machten.
"Hey, Harry!" Neville Longbottom betrat, mit der einen Hand seinen Koffer hinter sich herziehend, mit der anderen Hand seine widerspenstige Kröte an sich drückend, das Abteil.
"Hey Neville, schöne Ferien gehabt?"
"Ja, danke. Ich hab' jetzt endlich meinen eigenen Zauberstab bekommen! Oma wollte mir erst den von Mum geben, aber zum Glück war Professor Marchbanks gerade zu Besuch bei uns und die hat Oma davon überzeugt, dass man nur mit seinem eigenen Zauberstab richtig gut sein kann."
"Wow Neville. Da können wir ja einiges erwarten!"
Die Fahrt verlief ohne besondere Ereignisse. Etwa nach einer Stunde kamen Ron, Hermine und Ginny zurück.
"Die Auroren haben richtig mit uns geübt, wie wir uns im Falle eines Angriffs verhalten sollen", erzählte Ron.
"Ich glaube einfach nicht, dass der Zug angegriffen wird", erwiderte Hermine entschieden. Die restliche Zeit beschäftigten sie sich mit Lesen und Zaubererschach. Etwa eine halbe Stunde vor Ende der Fahrt verließen die Vertrauensschüler nochmals das Abteil, um ihre Runden zu machen.

Als der Hogwartsexpress am Bahnhof in Hogsmeade anhielt und Harry ausgestiegen und ein paar Schritte auf den Bahnsteig hinausgetreten war, spürte er eine ihm wohl vertraute Kälte. Und dann sah er sie! Von allen Seiten kamen etwa zehn Dementoren auf ihn zugeschwebt. Sie kreisten Harry ein, indem sie die anderen Schüler, von denen viele in Panik wegzurennen begannen, abdrängten.
Blitzschnell zog Harry seinen Zauberstab und schrie: "Expecto Patronum!" Er stellte sich den Augenblick vor, in dem er wieder auf seinem Feuerblitz durch die Lüfte fliegen und Quidditch spielen würde. Ein silberner Hirsch schoss aus der Spitze seines Zauberstabes und galoppierte auf die Dementoren zu.
Neben Harry war plötzlich Professor Fenwick aufgetaucht. Harry sah, dass aus ihrem Zauberstab ein riesiger Panther hervorbrach, der sich ebenfalls auf die Dementoren stürzte. Während die Patroni die Dementoren in Schach hielten, waren auf einmal mehrere laute Plopp-Geräusche zu hören und etwa zehn Todesser apparierten unmittelbar in Harrys Nähe. Gleichzeitig sagte Professor Fenwick mit magisch verstärkter Stimme: "Alle Schüler zu den Kutschen! Es gibt keinen Grund zur Panik. Wir haben die Situation im Griff. Die Vertrauensschüler übernehmen die Aufsicht, wie vorhin eingeübt."

Tonks und ein kleiner, drahtiger Mann Mitte vierzig mit aschblondem Haar, das schon mit grauen Strähnen durchzogen war, hatten sich zu ihnen gesellt. Harry vermutete, dass es sich um Campbell handelte. Merkwürdigerweise war Dawlish nirgends zu sehen. Wie auf Kommando hagelte es nun Schockzauber. Die Todesser hatten offenbar nicht mit solch einem Empfangskommitee gerechnet, denn gleich gingen vier von ihnen zu Boden.
Als Harry um sich blickte, sah er, dass auch Neville bei ihnen stand. Auch er hatte seinen Zauberstab erhoben und feuerte Flüche auf die Angreifer ab. Plötzlich sah sich Harry einem Todesser direkt gegenüber.
"Guten Abend, Potter. Freut mich, dich zu sehen! Wir haben noch eine Rechnung offen, nicht wahr?"
Harry erkannte sofort die Stimme von Lucius Malfoy.
"Stupor", schrie Harry, seinen Zauberstab auf Malfoy gerichtet, doch dieser hatte direkt einen Schildzauber ausgesprochen, so dass Harrys Fluch zurückprallte. Im letzten Augenblick gelang es dem Jungen, sich wegzuducken und der Fluch traf eine Säule, an der ein Fahrplan befestigt war. Die Säule explodierte und Harry empfand einen stechenden Schmerz, als sich winzige Metallsplitter in verschiedene Stellen seiner rechten Körperseite bohrten. Einen Augenblick war er zu benommen, um schnell genug zu reagieren, als Malfoy eine peitschende Bewegung mit seinem Zauberstab machte. Aus der Spitze von Malfoys Zauberstab schossen Seile, die sich blitzschnell um Harrys Arme und Beine wanden. Harry stürzte zu Boden.
"So, Potter", zischte Malfoy, der sich über ihn beugte, "nun machen wir beiden eine kleine Reise. Der Dunkle Lord kann es kaum erwarten, dich zu sehen!"
"Expelliarmus", schrie Neville, seinen Zauberstab auf Lucius Malfoy gerichtet, doch der Zauber flog über diesen hinweg und traf Tonks, die sich gerade mit einem Todesser duellierte. Tonks' Zauberstab flog nach hinten und landete in einem überfüllten Abfalleimer.
"T.t.ut mir leid", rief Neville entsetzt.
Malfoy hatte sich neben Harry gekniet und legte eine Hand auf dessen Oberschenkel.
Professor Fenwick, die begriff, was er vor hatte, feuerte einen Schockzauber auf Malfoy ab, der diesen im Rücken traf. Er sackte über Harry zusammen.
Der Todesser, der sich vorher mit Tonks duelliert hatte, ließ plötzlich von ihr ab und wandte sich Malfoy und Harry zu. Harry konnte aus dem Augenwinkel sehen, dass außer dem Mann, der auf Malfoy zukam, nur noch zwei der Angreifer auf den Beinen waren. Professor Fenwick, Campbell und Tonks, die ihren Zauberstab wieder hatte, trieben sie in die Enge und es sah für Harry so aus, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ebenfalls besiegt sein würden.
"Enervate!" Der Todesser richtete seinen Zauberstab auf Malfoy. Als dieser sich bewegte, zog ihn sein Kumpan auf die Beine. Mit einem lauten Plopp disapparierten Beide. Ein weiteres Plopp-Geräusch ertönte aus der Gruppe der Kämpfenden. Der letzte Todesser ging, getroffen von Tonks' Lähmzauber, zu Boden.

"Sieben auf einen Streich", murmelte Professor Fenwick. Dann ging sie zu Harry hinüber und befreite ihn von seinen Fesseln.

"Warum haben Sie keinen Anti-Apparationszauber benutzt?" Dawlish war zu ihnen getreten und blickte seine drei Kollegen nacheinander durchdringend und vorwurfsvoll an.
"Ja, Dawlish, Sie haben Recht", entgegnete Professor Fenwick leise, "das war in der Tat ein Fehler von mir, daran hätte ich denken müssen. Beinahe hätten die Todesser geschafft, Potter zu entführen!"
"Sie werden sich noch für ganz andere Fehler vor dem Minister verantworten müssen, Fenwick", sagte Dawlish mit einem gehässigen Grinsen auf seinem Gesicht.

"Wenn wir schon von Fehlern sprechen", entgegnete Professor Fenwick gefährlich ruhig, "wo waren Sie denn während des Kampfes, Dawlish?"
"Genau das ist es, was ich meine. Sie werden sich vor dem Minister wegen Befehlsverweigerung und eigenmächtigem Handeln zu verantworten haben, Fenwick", sagte Dawlish triumphierend. "Ihre Aufgabe wäre es gewesen, die Abfahrt der Schüler in den Kutschen zu beaufsichtigen. Da Sie offensichtlich nicht gewillt waren, diese Aufgabe zu übernehmen, musste ich das wohl tun."
"Da waren zehn Dementoren, denen Potter alleine gegenüber stand." Ihre Augen funkelten zornig, doch Professor Fenwick sprach mit leiser, kalter Stimme, jedes einzelne Wort betonend. "Sie waren nirgends zu sehen und so habe ich das einzig Mögliche getan!"
"Das können Sie gleich dem Minister erklären. Ich habe einen Portschlüssel, mit dem wir uns jetzt umgehend ins Ministerium begeben."
"Tun Sie das", erwiderte Professor Fenwick, "ich werde jetzt diese beiden Schüler in den Krankenflügel von Hogwarts bringen."
"Schon wieder Befehlsverweigerung, Fenwick? Ich darf Sie daran erinnern, dass ich der Leiter dieser Aktion bin. Dort drüben steht noch eine Kutsche, die kann die Schüler zum Schloss bringen."
"Und ich darf Sie daran erinnern", entgegnete Professor Fenwick scharf, "dass ich jetzt Lehrerin von Hogwarts bin und daher meine erste Pflicht darin besteht, für die Sicherheit und das Wohlergehen der Schüler zu sorgen. Sie sind zu dritt und brauchen mich bei dieser Sache hier nicht mehr." Die Lehrerin wandte sich ab und schritt auf die wartende Kutsche zu. "Kommen Sie." Professor Fenwick sah Harry und Neville an. Zu dritt stiegen sie in die Kutsche und fuhren schweigend hinauf zum Schloss. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.



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